Der erste Emoji-Übersetzer über Tücken der Bildsprache

Der erste Emoji-Übersetzer über Tücken der Bildsprache
Warum wir so viele Icons nicht verstehen und ob die Bildchen tatsächlich den Untergang der Sprache bedeuten.

Die Wahl eines Emojis sollte wohl überlegt sein – im Extremfall kann sie einen sogar ins Gefängnis bringen. So geschehen in Frankreich, wo ein junger Mann seiner Ex-Freundin kurz nach der Trennung das Pistolen-Zeichen simste – und nun eine dreimonatige Haftstrafe absitzen muss. Ja, die kleinen, bunten Icons haben unseren Kommunikationsalltag in den vergangenen sechs Jahren gehörig auf den Kopf gestellt (aktuell sind sie sogar die Stars eines neuen Kinofilms).

Weil die japanischen Bildchen so gut ankommen, werden sie auch im Marketing-Bereich immer häufiger eingesetzt. An dieser Stelle kommt Keith Broni ins Spiel: Der 27-Jährige arbeitet als erster "Emoji-Übersetzer" weltweit. Im Winter setzte er sich gegen 500 Bewerber durch, die sich auf eine Stellenausschreibung des Londoner Übersetzungsbüros "Today Translations" gemeldet hatten (und etwa den Satz "Brexit means Brexit" in Bildsprache übersetzen mussten). Seitdem hilft Broni Unternehmen dabei, deren Botschaften zu verbildlichen. Gar nicht so einfach, wie er dem KURIER erzählte.

Der erste Emoji-Übersetzer über Tücken der Bildsprache
Keith Broni Emoji Translater

KURIER: Woher kommt Ihre Begeisterung für Emojis – und wie wurden Sie zu einem Experten?

Keith Broni: Während meines Masterstudiums in Wirtschaftspsychologie am University College London entwickelte ich eine Faszination für Emojis und welchen Einfluss sie darauf haben, wie wir Nachrichten und Werbebotschaften von Unternehmen interpretieren. Also schrieb ich meine Doktorarbeit darüber, wie Emojis unsere Wahrnehmung von Marken beeinflussen.

Und warum braucht man nun einen Emoji-Übersetzer?

Emojis werden immer populärer – erst kürzlich zeigte eine Erhebung von Facebook, dass jeden Tag fünf Milliarden Icons über den Messenger-Dienst verschickt werden. Andere Studien, die einen öffentlicheren Kontext beleuchten – etwa Facebook-Postings oder Tweets –, haben gezeigt, dass Emojis die Interaktion in den sozialen Medien steigern. Sie sind also extrem wichtig für zeitgemäßes Marketing. Jedoch gibt es viele Tücken, die man kennen muss, wenn man Emojis richtig verwenden möchte: technologisch, kulturell, semantisch. Diese Tücken haben Today Translations dazu veranlasst, mich als Emoji-Experte anzustellen.

Jetzt, da mehr als 2500 Icons zur Wahl stehen, steigt für Unternehmen natürlich auch das Risiko für einen Fehltritt. Nehmen Sie zum Beispiel das "Augenroll"-Emoji: Auf fast allen Geräten vermittelt es ganz klar Ärger oder Geringschätzung. Aber auf Samsung-Geräten sieht es wie ein erwartungsvolles Gesicht aus – eine komplett andere Bedeutung, die für Verwirrung sorgen könnte.

Apropos Verwirrung: Nicht alle Icons haben überall dieselbe Bedeutung, richtig?

Genau, zum Beispiel das "Daumen nach oben"- oder das "Alles okay"-Emoji (Daumen und Zeigefinger formen einen Kreis, Anm.). Diese Gesten werden auf der ganzen Welt verwendet, jedoch mit unterschiedlichen Bedeutungen. Im Nahen Osten ist ein ausgestreckter Daumen nach oben eine Beleidigung, während die "Alles okay"-Geste in Lateinamerika ungefähr das Gleiche bedeutet wie bei uns der ausgestreckte Mittelfinger (der übrigens auch ein eigenes Emoji ist). Oder die gefalteten Hände: In Japan stehen sie für Danke, im Westen für Beten.

Und warum gibt es so viele Emojis, die wir nicht verstehen?

Das liegt daran, dass Emojis in Japan bereits 1999 erfunden wurden, die westliche Welt aber erst 2011 erreichten. In der Zwischenzeit entstanden viele Zeichen für Objekte, die außerhalb Japans kaum jemand kennt. Manche sind einfacher zu entschlüsseln – wie die japanischen Puppen oder der Shintō-Schrein. Durch die globalisierten Medien verstehen sie immer mehr Menschen. Aber nehmen Sie das Zeichen für den Tokyo Tower: Aufgrund der architektonischen Ähnlichkeiten glauben wohl viele, es handle sich um den Eiffelturm. Oder die rote Plakette mit dem weißen Balken: Sie wird in japanischen Kindergärten verwendet, in anderen Ländern kennt sie aber niemand.

Welches Emoji muss unbedingt bald eingeführt werden?

Es gibt viele, die seit Jahren verlangt werden – rothaarige Personen zum Beispiel werden für das Emoji-Update 2018 in Erwägung gezogen. Oder die Möglichkeit, für die mehrköpfigen Familien-Emojis ebenfalls Hautfarben auszusuchen, was eine große technische Hürde darstellt. Und dann gibt es einige, die ich persönlich in Zukunft gerne im Sortiment hätte: einen Salzstreuer, individuelles Besteck, Füße.

Viele fürchten, dass Emojis den Niedergang der geschriebenen Sprache herbeiführen könnten. Wie denken Sie darüber?

Wenn man sich die Art und Weise ansieht, wie wir Emojis verwenden, sieht man, dass wir dadurch in vielen Fällen Zusatzinformation vermitteln, die sonst nur im persönlichen Gespräch sichtbar wird – also Tonfall, Haltung, Gestik und sogar der Gesichtsausdruck. Deshalb denke ich auch nicht, dass Emojis eine negative Auswirkung auf unsere Schreibkenntnisse haben werden. Wenn wir sie verwenden, versuchen wir ja lediglich, das Reden nachzuahmen, um nicht hochgestochen oder gar technisch zu klingen.

Was ihre Nutzung angeht, werden sie fast ausschließlich verwendet, um das Geschriebene zu unterstreichen. In vielen Fällen kann man mit Emojis eine gewisse Aussage gezielt vermitteln, indem man das gemeinte Wort mit einem Symbolbild ersetzt oder gleich den ganzen Satz, wenn man diesen Aufwand betreiben will. Da das aber kompliziert und zeitaufwendig ist, wird diese Art von Kommunikation eher eine Seltenheit bleiben und unsere Schreibkenntnisse somit nicht negativ beeinflussen. Diese "Emoji-Sätze" können in der Marketingbranche und in den sozialen Medien jedoch sehr stark sein.

Verraten Sie uns abschließend noch Ihr Lieblingsemoji?

Ich mag das "Hände hoch"-Zeichen sehr: Es übermittelt ein Gefühl von Freude, Sieg und Feierstimmung.

Entstehung

1999 entwickelte der japanische Telefonkonzern NTT Docomo die Emojis. Ihr Erfinder, Shigetaka Kurita, ließ sich von japanischen Comics inspirieren. 2011 wurden sie von Unicode, der offiziellen Computer-Weltsprache, definiert und werden seitdem laufend erweitert. Aktuell gibt es 2500.

Siegeszug

Britische Wissenschaftler bezeichneten Emojis als "die am schnellsten wachsende Sprache der Welt". 2013 schaffte es das Wort "Emoji" in die Oxford Dictionaries, vor zwei Jahren wurde das Tränen lachende Icon gar zum "Wort des Jahres" in Großbritannien gewählt.

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