Pubertät: Durch diese 7 Krisen müsst Ihr durch

Pubertät: Durch diese 7 Krisen müsst Ihr durch
In den großen Ferien explodieren Konflikte zwischen Eltern und Jugendlichen noch leichter als sonst. Rauchen, Trinken, Hormonkrise: Experten verraten, wie Eltern von Teenagern die Nerven behalten.

Ich erkenne meine Tochter nicht mehr. Sie interessiert sich für lauter Sachen, mit denen ich überhaupt nichts zu tun habe. Ich weiß nicht, von wem sie das hat“, klagt eine Mutter über ihre 14-Jährige. Laut KURIER-Family-Coach Martina Leibovici-Mühlberger ist das ganz normal: „Für Eltern ist eines der größten Probleme, dass ihre Bedeutung geringer wird und die Kinder sich viel mehr nach ihrer Peer Group, dem Freundeskreis, orientieren.“

Wenn Alltagsroutinen in den Ferien wegfallen und mehr Freizeit zur Verfügung steht, werden Konflikte des Jahres verstärkt. Denn Teenager wollen die Ferien für ihre große Freiheit nützen.

Die Pubertät fängt heute immer früher an, auch davon seien Eltern irritiert, so Leibovici-Mühlberger: „Die körperliche Reifung setzt heute durchschnittlich mit zwölf Jahren ein, nicht mehr mit 15, 16. Aber die Gehirnentwicklung hat sich kaum verändert. Den Überblick über komplexe Situationen und die Fähigkeit zum Planen haben sie erst wirklich mit rund 20 Jahren. Die Kinder sind heute pseudoselbstständig. Ihre Umgebung und sie selbst glauben, dass sie weiter sind, als es wirklich der Fall ist.“

Diese Diskrepanz führe dazu, so Leibovici-Mühlberger, dass Jugendliche in Situationen geraten, von denen sie überfordert sind. Beispiel Komasaufen: „Die trinken nicht absichtlich so viel, damit sie so betrunken sind. Sie können manchmal einfach die Situation nicht richtig abschätzen.“

Auch die Eltern sind von solchen Krisen überfordert. In Workshops für Firmen bringt ihr Trainerteam den Eltern bei, mit der Pubertät umzugehen. Bezahlt wird das oft vom Arbeitgeber: „Die Mitarbeiter sind oft so beschäftigt mit pubertierenden Kindern, dass sie vom Job abgelenkt sind.“

Kinder wirken erwachsen, sind es aber nicht

Sie sind unsicher, wie sie mit ihren Kindern umgehen sollen. Zu viel Strenge ist falsch und zu wenig auch. Leibovici-Mühlberger: „Die Kinder suggerieren Erwachsenheit. Aber die Pubertät ist eine extrem führungsintensive Phase. Kleinen Kindern gibt man klare Anweisungen und erklärt immer ein wenig dazu. Mit großen Kindern braucht man einen kooperativen Erziehungsstil. Da geht es viel mehr darum, Vereinbarungen zu treffen und schrittweise Verantwortung für sich selbst zu übergeben. Und das ist sicher die größte Hürde für anhängliche Eltern.

Pubertäts-Experte Jan Uwe Rogge betont die Bedeutung der Beziehung: "Erziehung hat mit beharrlicher, nicht immer harmonischer Beziehungsarbeit zu tun", schreibt er in seinem Bestseller.

Besonders verletzend ist, wenn sich in der Pubertät plötzlich Scheidungen auswirken, beobachtet Leibovici-Mühlberger zunehmend . "Ich erlebe Mütter, die weinend bei mir sitzen, weil vor allem die Buben plötzlich einen viel engeren Kontakt zum Vater suchen, obwohl die Eltern schon lange getrennt sind." Das seien die Spätfolgen schlecht moderierter Trennungen, ist die Beraterin überzeugt. Im Pubertätskonflikt geht es auch um die Rollenbilder und da lassen sich Jugendliche kein Gut-Böse-Schema mehr vormachen. Aber eines dürfen Eltern in der Pubertät nie vergessen, betont Leibovici-Mühlberger: "Ein schlechter Kontakt ist besser als gar keiner."

Mein Kind trinkt oder raucht
Den Umgang mit Alkohol und Zigaretten schauen sich Jugendliche oft von Erwachsenen ab. Von ihnen lernen sie einen sinnvollen Umgang mit Verbotenem. Aber immer mehr Jugendlichen mangelt es an der Körpersensibilität, wann sie mit dem Trinken aufhören müssen, so Elternberater Rogge. Insgesamt gehe der Alkoholkonsum bei Jugendlichen zurück, nur trinken einige wenige viel mehr. Natürlich gehe es um einen Gruppendruck und das Gefühl, locker und cool zu sein. Verbote würden wenig erreichen, so Rogge. Falls das Kind betrunken nach Hause kommt, sollten Eltern nicht automatisch mit Schimpfen und Strafen reagieren, rät er: "Das berührt die Eltern-Kind-Beziehung nur negativ. Wichtiger ist es, ein klares, aber auch behutsames Gespräch zu führen. Nicht in der Nacht, wenn alle gefühlsmäßig aufgeladen sind, sondern am Tag danach." Und bedenken sollte man: Das eigene Kind möchte von den Eltern besonders dann angenommen werden, wenn es Grenzen übertreten hat.

Am besten bespricht man das Thema schon vorher. Dann kann man auch gemeinsam die Gründe erkunden, warum Jugendliche Alkohol trinken. Und dabei feststellen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, cool zu sein: Etwa mit kreativen Cocktails statt mit alkoholischen.

Hat mein Kind schon Sex?

Eltern überlegen, ob sie ihrem Kind die Frage stellen können: „Hast du schon Sex?“ Für Martina Leibovici-Mühlberger ist das unnötig: „Diese Frage ist sinnlos. Entweder hat man eine gute Beziehung mit dem Kind, dann merkt man, wenn es in die Phase kommt, in der Sexualität an Bedeutung gewinnt. Und plaudert offen darüber. Oder man hat keine Beziehung, dann wird das Kind auch nicht offen antworten.“

Eltern müssen ihr Kind dabei unterstützen, seine Sexualität so wie auch andere Bereiche in die eigene Verantwortung zu übernehmen. Und zum ersten Termin mit dem Frauenarzt gehen manche Mädchen lieber mit der Mutter und andere lieber mit der besten Freundin.

Mein Kind hockt stundenlang beim Computer oder dem Smartphone.

Wenn sich Kinder in ihrem Zimmer verschanzen, stellt sich vor allem eine Frage, weiß Jan Uwe Rogge: "Geht es bei der Grenzüberschreitung um die Klärung eines sachlichen Problems - etwa den Umfang de Computergebrauchs - oder wird hier ein Beziehungskonflikt mit den Eltern ausgetragen?"

Natürlich müssen Regeln vereinbart werden und an die müssen sich alle halten. Nach einer Zeit müssen sie aber adaptiert werden", sind sich die Experten einig.

Elternberaterin Ines Berger bringt ein Beispiel: Manchmal verlangt ein Teenager wieder mehr Unterstützung bei der Bewältigung seiner Aufgaben, weil er selbst nicht zurande kommt. In einer guten Beziehung kann er sagen: "Mama, bitte hilf' mir. Wir müssen wieder klare Regeln für das Internet haben. Sonst surfe ich die ganze Nacht". In einer schlechten Beziehung lässt er sich einfach treiben.

Mein Kind will alleine verreisen.

Der Klassiker: Die 14-jährige Tochter fragt, ob sie mit Freundinnen zu einem Festival fahren darf. Es sei auch ein 17-Jähriger dabei, der aufpassten könne. Da wundert sich Martina Leibovici-Mühlberger manchmal, „wie elastisch Eltern ihre Obsorge auslegen“. Eltern würden sich oft über den Tisch ziehen lassen, weil sich ihr Kind erwachsen aufführe. „Aber manchmal müssen Eltern einfach Nein sagen. Ich habe dich sehr lieb, aber das kann ich dir noch nicht erlauben“, so die Beraterin.

Mein Kind steht auf teure Markensachen.

Jugendliche entwickeln Interessen unabhängig von den Wünschen der Eltern, oft auch bewusst anders, um sich abzugrenzen. Anstatt aus dem Thema eine Dauerdiskussion und einen Konflikt über die Werte zu machen, können Eltern die Verantwortung an den Jugendlichen übertragen. Dann geht es nicht um den Vorwurf: Warum interessierst du dich für etwas, das ich nicht nachvollziehen kann?

Jan Uwe Rogge kennt das Problem und rät zu einem klaren Auftreten:

- Zeigen Sie Verständnis für den Wunsch Ihres Kindes. Es geht ja nicht nur um das Produkt, sondern auch um die Zugehörigkeit zu einem Freundeskreis.

- Keine Moralpredigt im Sinn von: "In deinem Alter hatte ich ..."

- Besprechen Sie Ihre finanziellen Möglichkeiten und stellen Sie einen bestimmten Betrag zur Verfügung.

- Klären Sie, wie Ihr Kind den Differenzbetrag verdienen kann.

Seine Erfahrung: "Heranwachsende haben zu Dingen, an deren Kauf sie produktiv und eigenständig beteiligt sind, eine intensivere Beziehung. Diese Waren sind ihnen mehr wert."

Mein Kind pfeift auf die Schule.

Als Elternberaterin und Mathemarik-Lehrerin erlebt Ines Berger täglich die Auswirkungen des Schul-Drucks. "Eltern haben hohe Ziele für ihre Kinder, aber die ziehen da nicht immer mit. Du sollst es einmal besser haben als ich, kommt da oft. Wenn diese Ziele auseinanderdriften, kommt es zu enormen Konflikten in den Familien", weiß sie. "Was in den Familien dadurch zerstört wird, ist viel schlimmer als schlechte Noten."

Aber was tun, wenn Kinder das Lernen verweigern? "Finden Sie heraus, was das Kind braucht. Aber ohne Ihre eigenen Ängste und Erwartungen einzubeziehen." Und Verständnis haben: "Es ist schwierig, jeden Tag sechs Stunden lang in jedem Fach motiviert und leistungsfähig zu sein", sagt Beraterin Berger.

Sogar mit einem Misserfolg müssen Eltern umgehen lernen. Die Klasse wiederholen oder bei der Matura versagen. "Eltern schaffen es oft nicht, Verantwortung zu übertragen. Manchmal muss man auch sagen: Da hat mein Kind eine Erfahrung gemacht. Ich helfe ihm dabei, das Beste daraus zu machen."

Sie erlebt oft, dass Eltern zu viel Druck machen. "Lassen Sie auch einmal den Lehrer den Bösen spielen, als dass sie den Konflikt immer in der Familie austragen", so die Pädagogin, "es hat eine schlechtere Note im Halbjahreszeugnis noch niemandem geschadet". Es gehe darum, "die Eigenverantwortung des Kindes zu stärken. Spätestens als junge Erwachsene müssen sie sich ja dann selbst organisieren."

Mein Kind will lange ausgehen.

Eltern und Kinder haben immer unterschiedliche Vorstellungen von Ausgehregeln. Erwachsene, die in ihrer eigenen Jugend uneingeschränkt selbst entscheiden durften, kommen zu zwei verschiedenen Ergebnissen: "Meine Eltern haben sich nicht so gekümmert, bei meinen Freunden haben die Mütter sogar gewartet und sind extra aufgeblieben" und "Ich bin weniger lang weggeblieben als die anderen, weil die nicht vor der vereinbarten Zeit zu Hause sein wollten."

Für Martina Leibovici-Mühlberger geht es um die schrittweise Übergabe der Verantwortung: "Es geht darum, gemeinsam eine Grenze zu vereinbaren. Und dann müssen sich die Jugendlichen das Vertrauen erarbeiten und zeigen, wie sie ihre Verantwortung verwalten. Und dann kann man es schrittweise erweitern."

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