Das Grab von Tutanchamun: Nofretete muss warten

Die Maske von Tutanchamun.
Der Krimi um das Tut-Grab geht in die nächste Runde. Was diese Woche geschah.

Eines vorweg: Wir befinden uns noch immer im Stadium der Spekulation. Ist da etwas hinter dem Grab von Tutanchamun? Wahrscheinlich. Handelt es sich um ein anderes Grab? Möglich. Ist es das der Nofretete? Reine Spekulation. So könnte man den Wissensstand rund um die angekündigte Sensation im Tal der Könige zusammenfassen.

Das Grab von Tutanchamun: Nofretete muss warten
Hessen/ Die Replik eines Sargdeckels mit Totenmaske des Pharaos Tutanchamun liegt am Donnerstag (03.11.11) in der Ausstellung "Tutanchamun - sein Grab und die Schaetze" bei einem Vorbesichtigungstermin anlaesslich der bevorstehenden Ausstellungseroeffnung in Frankfurt am Main. Ab dem 19. November 2011 wird die Ausstellung, die bisher ueber 2,5 Millionen Besucher in verschiedenen europaeischen Metropolen verzeichnete, in Frankfurt eroeffnet. Der Grabschatz des Tutanchamun, der in der Ausstellung mit ueber 1000 Repliken detailgetreu nachgestellt wird, zaehlt seit 1922 zu den bedeutendsten Entdeckungen der Archaeologie. (zu dapd-Text) Foto: Mario Vedder/dapd
Fest steht, dass in der Nacht auf Freitag Forscher, Minister und Geldgeber (ein US-Medienunternehmen hat die Rechte an der Story gekauft) im Tal der Könige anrückten. Sie packten Radargeräte aus und durchleuchteten die Wände im berühmten Pharao-Grab elf Stunden lang – wieder einmal. Was die Messung ergeben hat, verkündete der Antikenminister – anders als angekündigt – dann aber nicht.

Man benötige noch eine Woche für die Analyse der 40 neuen Radarbilder, und Ende April wird nochmals gescannt, sagte Khaled al-Anani. "Nichts wird vor der Untersuchung der Scans bekannt gegeben, um die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit sicherzustellen". Die hat zuletzt ohnedies stark gelitten. Höchste Zeit, die Hintergründe zu beleuchten.

Das Grab von Tutanchamun: Nofretete muss warten

Gibt es einen Hohlraum?

Im Sommer 2015 hatte Nicholas Reeves alles losgetreten. Der Ägyptologe hatte in seiner 16-seitigen Publikation The Burial of Nefertiti? argumentiert, das Tutanchamun-Grab sei viel zu klein und erinnere im Aufbau eher an ein Königinnen-Grab. Es müsse also weitere Kammern geben. Eine davon beinhalte das Grab der Nofretete.

Das Grab von Tutanchamun: Nofretete muss warten
epa04689924 A replica of a state carriage of Tutankhamun during the exhibition 'Tutanchamun - Sein Grab und die Schaetze' (lit. Tutankhamun - His tomb and the treasures) in Munich, Germany, 02 April 2015. The exhibition runs from 03 April to 13 September. All the exhibits are detailed replicas of the items discovered in 1922. EPA/SVEN HOPPE
Tatsächlich rätselten bereits Generationen von Archäologie-Studenten in Seminaren über den komischen Grundriss des Tut-Grabes. Und so wurden im vergangenen November erstmals Radar-Scans durchgeführt und mittlerweile im Internet veröffentlicht. Was der Japaner Hirokatsu Watanabe (er machte die Bilder) und Reeves da aus den weiß-blau gestreiften Aufnahmen herauslesen, könnte alles Mögliche sein. Mamdouh Eldamaty, Archäologe und bis vor acht Tagen Ägyptens Antikenminister, hatte sich unlängst weit aus dem Fenster gelehnt: Zu 90 Prozent sicher sei er – die fünf Radarscans zeigen zwei bisher unbekannte Kammern.
Andere Experten sind bei Weitem nicht so überzeugt. So verlautet aus Forscherkreisen, dass die Bilder, was die Darstellungsqualität betreffe, an die frühen 1990er-Jahre erinnern. Up-to-date schaut anders aus.

Eldamaty weiter: Die Auswertung habe auch ergeben, dass die Kammern wahrscheinlich Metalle und organisches Material enthalten. Der KURIER hat auch diese Behauptungen einem Faktencheck unterzogen und unabhängige Experten gebeten, einen Blick auf die Aufnahmen zu werfen. Ergebnis: Man könne aus Scans keinesfalls auf die Beschaffenheit des eventuell dahinterliegenden Materials schließen. Das Einzige, worüber gute Radar-Aufnahmen Auskunft geben: Ob dahinter ein Hohlraum liegt oder nicht. Löcher entstanden aber auch, weil man nicht punktgenau viereckige Räume in einen Felsen hauen konnte. Oft wurden Wände aufgestellt, um Bau-Sünden zu kaschieren. Hohlräume wären dann einfach – Hohlräume. Auch über die Größe geben derartige Messungen üblicherweise keine Auskunft. Das wäre physikalischer Unfug.

Ein kleines Loch in die Wand bohren

Der Forschungskrimi rund um Tut und Nofretete hat neben der wissenschaftlichen auch eine starke politische Komponente: Ein ungeplündertes Pharaonengrab könnte den darniederliegenden Tourismus ankurbeln, hofft man im Land am Nil. Und es kann Minister machen oder zu Fall bringen. Wie es Mamdouh Eldamaty eben passiert ist. Vor zwei Wochen hat er eigens eine Pressekonferenz angesetzt, um auch offiziell zu verkünden, was in eingeweihten Kreisen ein offenes Geheimnis war: Die Messungen im Tut-Grab im vergangenen November hatten Hinweise auf Hohlräume erbracht(der KURIER berichtete bereits im November).

Doch wozu diese Bekanntgabe von längst Bekanntem? Eldamaty wollte – weil eine Regierungsumbildung drohte – gut dastehen. Genutzt hat es ihm nichts. Der neue Antikenminister heißt Khaled al-Anani, ist ebenfalls Archäologe und hielt gestern die "Sensation" am köcheln.

Zum Schluss nochmals eine Rückkehr ins Land der Spekulationen: In einem Monat, hört man gerüchteweise, soll ein 2,5 mm großes Loch in die Wand im Tut-Grab gebohrt und eine Kamera durchgesteckt werden – vorsichtig, damit die informationsgeschwängerte mehr als 3000 Jahre alte Luft nicht einfach entweicht. Dann, ja dann, wird man es endlich genau wissen. Oder?

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