Die Sinnkrise der Mittzwanziger

"Quarterlife Crisis" – Mittzwanziger-Krise – nennen Psychologen den Zustand, der einer Generation gut ausgebildeter, junger Menschen zugeschrieben wird.
Jung, gut ausgebildet, aber unglücklich. In einem neuen Roman dreht sich alles um die Sinnkrise der Mittzwanziger. Warum diese auch positiv sein kann.

Ein guter Job, fester Freund – im Leben von Kilb Lauber läuft alles gut. Dennoch fühlt sich die Dreißigjährige leer. In ihrem neuen Roman "Die Vergebung muss noch warten" erzählt Daniela Emminger, wie eine junge Frau nach dem Sinn im Leben sucht und dabei krisengebeutelte Menschen trifft. "Quarterlife Crisis" – Mittzwanziger-Krise – nennen Psychologen den Zustand, der einer Generation gut ausgebildeter, junger Menschen zugeschrieben wird. Für Daniela Emminger sind diese Krisen ein lebensbegleitendes Phänomen und eine Chance.

Die Sinnkrise der Mittzwanziger
Daniela Emminger, Buchautorin
KURIER: Die Midlife-Crisis ist um ein bis zwei Jahrzehnte nach vorne gerückt. Auch 20- bis 30-Jährige plagen sich mit Selbstzweifeln und stellen ihr Lebenskonzept infrage. Warum?
Daniela Emminger:
Es ist alles möglich, nichts ist mehr richtig oder falsch. Man kann alles machen. Aufgrund dieser Vielzahl an Lebensmöglichkeiten ist man zunehmend verloren. Es gibt kaum noch vorgegebene Bahnen. Früher hat man etwas studiert und das war es – heute ist das anders. Ich finde aber Bezeichnungen wie "Quarterlife-Crisis" nicht schön, sondern unzulänglich. Jeder hat ein Recht auf seine eigene Krise, wenn man so will.

Manche suchen Halt in esoterischen Praktiken. Ihre Protagonistin geht ins Kloster, meditiert, reist zum indischen Guru.
Ich bin weder religiös, noch spirituell und habe da einen ironischen Zugang (lacht). Diese Praktiken sind Lifestyle-Trends, die jeder macht, weil sie chic sind. Viele glauben, Antworten zu finden. Wenn man in Not ist und es einem schlecht geht, probiert man auch Absurdes aus.

Wie haben Sie Ihre Krisen erlebt?
Ich habe wahrscheinlich immer schon eine Krise gehabt. Krisen sind aber nicht immer negativ. Sie können ein Ansporn sein, zu reflektieren und zu überlegen. Ich habe diesen Zustand mit 20 gehabt, dann mit 30. Ich habe ihn jetzt auch – es ist ein dauerbegleitendes Phänomen (lacht). Ich glaube nicht, dass man mit 40 weniger Krisen hat – sie sind nur anders gelagert. Man weiß dann bestenfalls ein bisschen besser, was man will.

Sie haben mit 30 Ihr Leben verändert und die sichere Stelle im Marketingbereich aufgegeben, um Schriftstellerin zu werden.
Das war ein großer Schritt mit vielen Fragen: wie geht sich das aus, wie traue ich mich? Natürlich verdient man anfangs nicht viel, aber das Geld macht einen sicher nicht am glücklichsten. Ich bin jetzt viel zufriedener mit meinem derzeitigen Lebenskonzept als vor zehn Jahren. Früher war ich eine Spätaufsteherin, heute stehe ich um fünf Uhr auf – in der Früh kann ich besser denken.

Apropos Arbeitszeit: Vollzeitanstellung gilt heute als wenig erstrebenswert.
Viele, die zwischen 20 und 30 sind, wollen Teilzeit arbeiten, um die restliche Zeit für eigene Projekte zu verwenden. Aber es gibt die Tendenz zu traditionellen Werten: Fix-Anstellung, Versicherung, Familienplanung. Alle Lebenskonzepte sind berechtigt. Ich finde es wichtig, die gesellschaftlichen Vorgaben auszublenden, um sich zu fragen, was man will.

Andere entscheiden sich auch für eine Auszeit, machen ein Sabbatical oder eine Weltreise.
Ich finde es spannend, eine Auszeit zu nehmen, um zu suchen oder nachzudenken. Ich bin beruflich in andere Länder gegangen, um zu schauen, wie es woanders funktioniert. Ich habe gemerkt, dass unsere Denk- und Arbeitsweise, die wir als normal empfinden, nicht so sein muss. Ich war eineinhalb Jahre in Litauen und Lettland, noch vor deren EU-Beitritt. Das waren sehr einfache und arme Länder.

Zuletzt haben Sie drei Monate in Kirgistan recherchiert. Was war Ihre wichtigste Erfahrung?
Dass ich ohne finanzielle oder strukturelle Rahmenbedingungen gut leben kann. Man entdeckt sich neu und bekommt Selbstvertrauen, zum Beispiel, als ich auf einem Berg in 7000 Meter Höhe ankam – da stehst du als Pünktchen in einer gewaltigen Landschaft. Das war ein tolles Gefühl, du bist da und weißt, dass du das selbst geschafft hast.

Geboren 1975 in Vöcklabruck/OÖ, aufgewachsen in Aurach am Hongar, Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien. Parallel dazu arbeitete sie als Werbetexterin in Hamburg und Berlin. In Litauen und Lettland schrieb sie für ein englischsprachiges Medium. Seit 2008 lebt Emminger als Schriftstellerin, freie Journalistin und Kommunikationsberaterin in Wien. Ihren aktuellen Roman schrieb sie teilweise im Stiftskloster in Lilienfeld, für ihren nächsten reiste sie nach Kirgistan. Bisher erschienen zwei Bücher: "Leben für Anfänger" (2004) und "Schwund" (2014).

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