Carnuntum: Lager des Statthalters entdeckt
Gut gelaunt steht Wolfgang Neubauer im Seminarraum von Carnuntum. Und das hat einen Grund. Das Bild hinter dem Archäologen zeigt die Scans eines riesigen Komplexes in der alten Römerstadt an der Donau: "Das hier ist etwas Einzigartiges. Etwas derart Großes, dass es verwunderlich ist, dass es nicht längst entdeckt wurde." Römische Militärbaracken – größer und luxuriöser als gewöhnlich – auf einer Fläche von mehr als zweieinhalb Fußballfeldern. Das zeigen die Daten, die mit Hilfe von Bodenradar und Magnetfeldsensoren gewonnen worden waren.
Pannoniens Hauptstadt
Carnuntum war eine bedeutende römische Stadt. Zur Zeitenwende ein großes Militärlager, wächst sie sich langsam zur Stadt aus. Zwischen 103 und 107 n. Chr. wird die Provinz Pannonien abgetrennt und Carnuntum zu deren Hauptstadt. Fast einhunderttausend Menschen lebten hier. Was eine echte Hauptstadt ist, braucht einen Chef, damals Statthalter genannt. Der benötigte einen Palast und eine Leibgarde, die irgendwo Quartier nehmen musste. So viel war zumindest auf dem Papier bekannt.
Was dort passierte? Der Statthalter, vergleichbar mit einem heutigen Landeshauptmann – nicht von Wähler-Gnaden, sondern von Roms Gnaden, versteht sich – hatte hier seinen Sitz mitsamt eigenem Hofstaat. Er hatte auch Anrecht auf eine private Truppe, genau wie der Kaiser. Und diese Garde brauchte eine spezielle Unterkunft – die jetzt entdeckten castra singularium. "Die Soldaten – Berittene und Fußtruppen – wurden aus dem ganzen Reich zusammengezogen und waren die Besten der Besten, eine Elitetruppe quasi", erzählt der Archäologe.
Bisher konnten die Wissenschafter sechs bis sieben Mannschaftsbaracken identifizieren, was laut Neubauer auf eine Stärke von 400 bis 500 Mann schließen lasse. Die Soldatenquartiere bestanden aus zwei fast quadratischen Räumen, 16 bis 20 m² groß. Die Zimmer – oft ohne Fenster in der Mitte des Baus – boten für jeweils zwei Soldaten einen Schlafplatz.
Durchleuchtet
Möglich wurde der neue Fund nur, weil die Forscher über drei Jahre hinweg jeden Sommer und Herbst das unterirdische Carnuntum untersucht haben. Durchleuchtet wäre wohl korrekter. Wie das funktioniert? Sensoren messen Abweichungen im lokalen Magnetfeld der Erde, die etwa durch Mauerreste oder abgebrannte Häuser entstehen. Mittlerweile glauben die Forscher das gesamte antiken Carnuntum eingrenzen zu können. Neubauer: "So eine große Prospektionsarbeit (Erkunden archäologischer Stätten im Boden) wurden im ganzen ehemaligen römischen Reich noch nie gemacht." Als Erfolge konnten die Archäologen neben dem Fund der Quartiere der Soldaten auch eine Gladiatorenschule vermelden.
Übrigens: Nach den Prospektionen ist vor weiteren Untersuchungen. Auf Basis der jetzt entdeckten Strukturen werden die weiteren Forschungsschwerpunkte und sogar die Flächenwidmungspläne festgelegt.
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