"Opfer sind immer die Kinder"

Friede den Kindern: Bei einer Konferenz in Wien wurde darüber diskutiert
In Wien trafen sich lokale Entscheidungsträger, um konkrete Probleme aufzuzeigen.
Von Uwe Mauch

George Antoun ist ein Mann mit guten Manieren. Daher kommt ihm nur kurz ein Lächeln aus, wenn die Rede auf die größten Probleme der österreichischen Städte und Gemeinden kommt. In seiner Heimat haben lokale Behörden ganz andere Sorgen, erklärt der leitende Mitarbeiter der Hilfsorganisation Mercy Corps. Er nennt sie "die Basics" und erklärt dann: "Schon vor der großen Flüchtlingswelle aus unserem Nachbarland gab es in vielen Gemeinden Infrastruktur-Probleme, also mit Wasser, Kanalisation, Strom oder Müllentsorgung."

"Opfer sind immer die Kinder"
George Antoun Mercy Corps

Der Krieg in Syrien hat die Probleme weiter verschärft. Antoun rechnete bei der 5. Internationalen Bürgermeister-Konferenz in Wien vor: "In meinem Land leben drei Millionen Libanesen, 900.000 syrische Flüchtlinge und weitere 300.000 Palästinenser."

André Heller, einer der Mitbegründer des privaten Unternehmens Act.Now und Mitveranstalter der Konferenz, rechnete hoch: "Jeder Vierte hat Fluchterfahrung. Ich sag’ das nur jenen, die sich die Hosen nass machen, wenn 17 Flüchtlinge in ihrer Ortschaft ankommen."

Der deutsch-bulgarische Soziologe Yuri Kazepov, der seit zwei Jahren an der Universität Wien unterrichtet, will Hellers Kalauer nicht als harsche Kritik an den Bürgermeistern verstanden wissen: "Die Regierungen haben sie in den vergangenen Jahren oft alleine gelassen", konstatiert Kazepov. "Speziell in Griechenland, in Italien und auf dem Balkan." Denn es sei eines, vor die Presse zu treten und Fluchtrouten für geschlossen zu erklären – und etwas völlig anderes, auf kommunaler Ebene die konkreten Probleme von Menschen zu lösen.

George Antoun aus dem Libanon ist bei der Wiener Konferenz nicht alleine mit seiner Analyse: " Opfer sind immer die Kinder." Die Frage ist daher für viele, wie man nicht nur die Bürgermeister und ihre Ämter, sondern auch die Hilfsorganisationen besser vernetzen kann. Dabei ging es auch um die zentrale Sorge, dass Bewohner einer Stadt mit ihren Einkommen, Bildungsniveaus und auch politischen Meinungen nicht weiter auseinander driften.

Eine Schule für alle

Einen Erfahrungsbericht lieferte Veronica Andersson dazu. Die leitende Beamtin in der schwedischen Kleinstadt Nyköping erzählte von einer kleinen Revolution: "Wir haben im Rahmen eines sechs Jahre lang andauernden Prozesses vier öffentliche Schulen geschlossen, um sie dann unter einem Dach zusammenzufassen."

Ähnlich wie in Österreich gab es damals einige mächtige Gruppen in der Stadt, die gegen das Projekt mobil machten: zum einen die Vertreter der Lehrer, zum anderen die Eliten, die um den Lernerfolg ihrer Kinder fürchteten.

Doch Veronica Andersson ist eine von jenen, die sich nicht so leicht von ihren Zielen abbringen lassen. Heute beschwert sich niemand über die Schule für alle. Kein Wunder: "Im direkten Vergleich mit den privaten Gymnasien schneidet sie besser ab." Noch ein Aha-Erlebnis für André Heller, der am Ende appelliert, nicht einfach wegzuschauen.

Alle Infos zu Act.Now.

NOW

Die fünfte Konferenz

Michl und Michl waren nicht da. Der alte und der neue Wiener Bürgermeister ließen sich aber vertreten. Zudem hatten einander die 190 Teilnehmer (aus 27 Ländern angereist) bei der fünften Bürgermeister-Konferenz von Act.Now, die zum dritten Mal in Wien stattfand, auch so viel zu erzählen.

Wiener Abkommen

Der Tenor: Die Fluchtbewegung 2015/’16 hat Probleme sichtbar gemacht, die in den Kommunen schon zuvor vorhanden waren: allen voran zunehmende soziale Ungleichheit und Polarisierung. Dank des soeben geschlossenen „Wiener Abkommens“ will man sich daher auf lokaler Ebene besser vernetzen.

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