Warum Bad Moms stolz auf ihre Fehler sind

Warum Bad Moms stolz auf ihre Fehler sind
Auf der Kinoleinwand setzen sich Bad Moms gegen den Perfektionswahn zur Wehr. Auch im Leben machen sie mehr Kompromisse in der Kindererziehung.

Sonst zeigt Hollywood nur Männer, wenn sie die Sau rauslassen und den Alltag im Alkohol ertränken, aber im Film "Bad Moms" sind jetzt endlich auch mal die Mütter dran: Nach einem Marathon-Tag mit Streit im Büro, einem untreuen Ehemann und einer Auto-Karambolage hat Filmmutter Amy Mitchell genug: Vor versammelter Elternvertreterinnen-Mannschaft rastet sie aus und befreit sich aus dem Familien-Hamsterrad. In einer Bar findet sie andere Mütter als Verbündete für ihr neues Selbstverständnis als "schlechte Mütter". Plötzlich macht das Leben wieder Spaß. Auch der Kampf gegen die blonde Schul-Übermutter, die allen anderen ihre Regeln diktiert.

Warum Bad Moms stolz auf ihre Fehler sind
BAD MOMS
In jeder Schule gibt es so eine perfekte Vorbild-Mutter: Sie ist hipp, die Kinder sind gekleidet wie aus dem Katalog, sie kocht mit Leidenschaft und versendet gedruckte Weihnachtskarten mit dem perfekten Familienfoto. Oder postet Bilder der Familienidylle auf Facebook. So etwas nervt sogar Hauptdarstellerin Mila Kunis, die jetzt das zweite Kind mit Hollywood-Schönling Ashton Kutcher erwartet: "Du versuchst immer perfekt zu sein und vergisst dabei, dass auch das Chaos zum Leben gehört."

Bad-Mom-Kollegin Cathy Hahn spürt den Druck ebenfalls: "Du hast andauernd das Gefühl, den Ansprüchen nicht gerecht zu werden. All diese Erziehungsbücher und Blogs mit gut gemeinten Ratschlägen anderer Mütter." Viele Szenen von "Bad Moms" seien aus dem Leben gegriffen, erzählt Filmproduzentin und Dreifach-Mutter Suzanne Todd.

Weltweite Mütter-Mafia

Um die Erziehungs-Mafia geht es auch in einem neuen österreichischen Film: In "Was hat uns bloß so ruiniert" dreht es sich um die Frage, wie aus coolen Erwachsenen verbissene Mamas werden, die beim Kindergruppen-Elternabend über Rosinen im Müsli streiten. Regisseurin Marie Kreutzer kritisiert den Druck, den die hippen Bobo-Mamas in der Großstadt sich selbst und einander machen: "Ich glaube, dass wir zu wenige andere große Probleme haben und uns zu viel damit beschäftigen können, wie wir alles tun, besonders bei Fragen der Familie und Kindererziehung." Der Konflikt beim Elternabend gipfelt daher in dem Vorwurf: "Es reicht nicht, immer alles super zu finden." Dieser Streit findet auch innerhalb von Familien statt. So sagt ein genervter Vater zu seiner Lebensgefährtin: "Du machst dir zu viele Gedanken." Sie antwortet: "Und du dir zu wenige."

Auch wenn sie eine Super-Mom spielt, fühlt sich Christina Applegate, früher "Dumpfbacke" in der Familie von Al Bundy und heute selbst Mutter, von solchen Frauen unter Druck gesetzt: "In der Schule meiner Kinder habe ich erlebt, wie einige Mütter alles versuchen, um ihren Willen durchzusetzen. So jemand kann nicht verstehen, dass sich Mütter danach sehnen, nicht perfekt sein zu müssen."

So sehen auch das drei Wiener Mütter beim KURIER-Gespräch: "Viele messen die anderen Frauen nur an ihren eigenen Maßstäben. Und beurteilen eine Mutter, die ihrem Kind Süßigkeiten gibt, so streng, als würde sie es prügeln" (siehe unten). In jeder Schule und in jedem Freundeskreis gelten andere Spielregeln, stellen sie fest und beobachten an sich, dass man gar nicht alle einhalten kann.

#FamilienAlltag

Jammern über den Perfektionsdruck im Kinderzimmer war gestern, heute herrscht der Mut zur Lücke. Immer mehr Mütter betonen stolz, was sie nicht mehr auf die Reihe bringen. Unter Hashtags wie #parentfail lassen Mütter auf Twitter und Instagram die Maske fallen: "Habe heute meinen Siebenjährigen angeschrien, dass er nicht so schreien soll", twittert eine Mutter. Eine andere beschreibt ihr Familienleben als wenig pädagogisch wertvoll: "Draußen ist schönes Wetter und wir alle starren auf einen Bildschirm. Kind 1: iPhone. Kind 2: iPad. Mann: TV. Ich: Laptop." Auch auf Instagram zeigen Bloggerinnen nicht mehr nur Bilder von ihrer hippen Familien-Idylle, sondern ein Wohnzimmer voller Legosteine und einen Milchsee unter dem Küchentisch.

Warum Bad Moms stolz auf ihre Fehler sind
BAD MOMS
"Bad Mom" Mila Kunis hat sich dafür ein gutes Rollenvorbild ausgesucht: "Eine schlechte Mutter – nach den Maßstäben unseres Films – würde ihren Kindern industriell verarbeitete Lebensmittel zu essen geben. Ihre Kinder würden keine Öko-Kleidung tragen und nicht jeden Tag duschen. Sie würde sie etwas zu lange vor dem Fernseher sitzen lassen. Ich bin stolz darauf, dass auf meine Mutter all diese Dinge zutreffen. Und ich bin noch immer am Leben und liebe sie."

Der Glaube an die perfekte Familie wurde jetzt ohnehin erschüttert: Sogar bei Brangelina und ihren sechs Kindern war nicht alles eitel Wonne. Die Super-Mama lässt sich von Brad Pitt scheiden lassen. Die Vorzeige-Eltern sollen sich über ihre Erziehungsvorstellungen uneinig gewesen sein und Konflikte gehabt haben. Wichtige Lehre für normale Mütter: Nicht alles was perfekt scheint, ist wirklich eine Familienidylle.

Trailer zu Bad Moms

In „Was hat uns bloß so ruiniert?“ erleben die Zuschauer, wie sich das Leben und die Eltern verändern, wenn ein Kind auf die Welt kommt. Die Frage „Hast du manchmal Angst, dass wir Vater-Mutter-Kind-spießig werden?“ bringt ihr Lebensgefühl auf den Punkt. Die absurden Erlebnissen bei der obligatorischen Geburtsvorbereitung, die hitzigen Diskussionen über gesunde Ernährung im Kindergarten und die Kritik am Erziehungsstil der Freunde werden vielen Zuschauern bekannt vorkommen. Der KURIER sah sich mit drei Müttern den Film an und fragte sie: „Welchen Druck auf Mütter erlebt ihr?“

Warum Bad Moms stolz auf ihre Fehler sind
Nur in Zusammenhang mit dem Film "Was hat uns bloß so ruiniert?"
„Wir wissen heute viel mehr über Erziehung, über die Entwicklung von Kindern, über effizientes Lernen – und das macht es uns so schwer, uns auf uns selbst zu verlassen“, fasst es Susanne, Mutter von zwei Buben im Alter von 9 und 7, zusammen. Das fängt schon in der Schwangerschaft an, erinnert sie sich: „Wenn alles vorgeplant ist, kann es auch enttäuschend sein, dass es nicht richtig gelaufen ist. Ich war pragmatisch: Ich bin zu meiner Ärztin ins Spital gegangen. Heute muss man mindestens die perfekte Hebamme mitbringen, damit man als gut vorbereitet gilt.“ Jede Studie darüber, wie der IQ durch Muttermilch steigt, verstärke den Druck auf Mütter – „für mich war das Nicht-stillen-Können enorm schwierig“.

Susi – sie hat eine Tochter im Gymnasium und einen Sohn in der Volksschule – sagt heute auch: „Ich war nicht vorbereitet auf das Muttersein. Ich habe mir gedacht: Vielleicht schaffe ich es nicht?“ Es fehle die Erfahrung im Umgang mit Kindern, aus der Familie oder von einem Au-pair-Aufenthalt. Viele Mütter seien anfangs überfordert.

Dazu kommen die Erwartungen der anderen. In jedem Umfeld, fast in jedem Kindergarten und jeder Schule gibt es andere, gemeinsame Werte der Eltern, stellen die Mütter fest. Kleidung, Bildung, Erziehung, Statussysmbole. Bei den hippen Großstadt-Menschen des Films, den Bobo-Eltern, lautet das oberste Gebot: „Du musst alternativ sein.“

Nur das Beste ist gut genug

Susanne beobachtet, dass Mütter schnell in die Defensive geraten: „Man muss sich alles genau überlegt haben und jede Entscheidung begründen können. Wenn Eltern ihr Kind in die Schule ums Eck schicken, glauben die anderen, sie kümmern sich nicht genug.“

In der Schule gehe der soziale Druck unter den Müttern weiter, beobachtet sie: „Man wird schief angeschaut, wenn man sagt: ,Vertrauen wir doch einfach der Lehrerin, dass sie ihren Job gut macht.‘ Ich bin froh, wenn die Lehrerin sagt: ,Alles ist okay, bis ich Ihnen sage, dass etwas nicht passt.‘ Nein: Eine gute Mutter muss sich immer einbringen oder zu Hause weiterlernen.“ Man brauche viel Selbstvertrauen, um die eigenen Erziehungswerte gegenüber anderen zu verteidigen: „Wenn ich meinen Sohn bis zur Klasse begleiten möchte, weil er das so will, gibt es fünf Mütter, die ihm ganz süßlich sagen: ,Das kannst du doch schon alleine!‘“

Alle drei stimmen überein, dass oft das Vertrauen fehlt, in die anderen Eltern, in die Lehrer, in die Schule. Mimis Kinder gehen in eine Montessori-Schule, wo es, wie sie erklärt, mehr klare Regeln gibt, als allgemein angenommen. Sie ist verwundert, dass Eltern in einer öffentlichen Volksschule über verbale Beurteilung oder Benotung abstimmen können. „Man sollte als Eltern akzeptieren, dass Pädagogen Experten sind und Entscheidungen treffen.“
Viele Filmsituationen kommen Mimi bekannt vor, auch viele Elterntypen. „Wir haben in der Gesellschaft einen allgemeinen Grundkonsens, dass man Kinder nicht schlagen darf. Für mache Eltern ist es ähnlich verwerflich, wenn man seinem Kind Zucker gibt. Die verstehen gar nicht, dass anderen Eltern andere Themen wichtiger sind, dass die einen anderen Referenzrahmen haben. Und können das ganz schwer akzeptieren.“ Im Film heißt das dann: „Du bist eine nervige Bio-Faschistin!“
Jede der drei kennt etwa eine Öko-Mutter, die ihr Kind ohne Wegwerf-Windeln aufziehen wollte. Susi: „Ihr Boden hatte überall Flecken, wo das Kind mal hingemacht hatte.“

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