Artgerechtes Essen, nicht nur für Sportler

Artgerechtes Essen, nicht nur für Sportler
Was Lebensmittel im Körper auslösen, kann ihm guttun oder ihn krank machen. Das ist mess- und kontrollierbar.

Vor einigen Jahren hielt Leo Pruimboom in Hamburg einen Vortrag über die sinnvolle Ernährung für Profisportler. Der niederländische Wissenschafter und Psycho-Neuroimmunologe von der Universität Girona/Spanien dürfte Eindruck gemacht haben, schrieb die deutsche Zeitung Die Welt damals. Denn: Der HSV stellte daraufhin das Essensangebot für seine Fußballer radikal um.

Raffinierte Kohlenhydrate wie Getreide? Gestrichen! Rind, Schwein, Kalb? Gestrichen! Cola und Alkohol? Ebenfalls gestrichen! Denn: "Ernährung ist mess- und kontrollierbar. Wenn ich sie verändere, kann ich das Vorher und das Nachher messen", sagt Martin Rinderer. Der diplomierte Sport-Physiotherapeut und Psycho-Neuro-Immunologe hat gemeinsam mit seinem Vorarlberger Kollegen Daniel Reheis und dem eingangs erwähnten Leo Pruimboom das "Wirkkochbuch" herausgebracht, damit nicht nur Spitzensportler von der von ihnen propagierten artgerechten Ernährung profitieren können. Damit führen die Autoren einen Begriff, den man sonst nur aus der Tierhaltung kennt auch für den Menschen ein: So essen, wie es die Evolution für uns vorgesehen und für gut befunden hat.

Artgerechtes Essen, nicht nur für Sportler
Wirkkochbuch: Leo Pruimboom, Daniel Rehais, Martin Rinderer

Was wie wirkt

Klingt ähnlich wie die Paleo-Diät? Stimmt! Die artgerechte Ernährung – Pruimboom sagt auch Ursprungsnahrung – ist aber in Details anders. Außerdem haben die Autoren nicht einfach eine Diät und Rezepte erfunden, sondern erklären in ihrem Wirkkochbuch genau, was Lebensmittel in unserem Körper bewirken. Sie beschreiben, wer von welchen Nahrungsmitteln lieber die Finger lassen sollte, und warum das so ist. Weil sie zum Beispiel den Darm angreifen, zu viel Energie brauchen, bis der Körper sie verstoffwechselt hat oder ein Inhaltsstoff als Feind angesehen wird, was zu Allergien und Entzündungen führen kann. Medizinisches Fachwissen ist also von Vorteil.

Die HSV-Spieler beispielsweise stiegen auf Süßkartoffel und diverse Gemüsesorten wie Pastinaken um. Anstelle von Nudeln gab es vermehrt Reis oder Polenta. Empfohlen wurden auch Hühnchen, Ente oder Fisch. Weiters auf der Liste der positiven Lebensmittel: Südfrüchte wie Mango, Papaya und Ananas, aber auch Trockenfrüchte. Und frisch gepresste Säfte sowie natürlich Wasser.

Weiterer wichtiger Punkt: Ein neuer Essenszyklus. Nachdem Pruimboom deutlich gemacht hatte, dass der Körper bei schlecht getakteten Verdauungsprozessen viel zu viel Energie verliert, wurde den Spielern empfohlen, nur zwei, drei Mahlzeiten pro Tag zu sich zu nehmen.

"Die Nahrungshäufigkeit spielt eine große Rolle", sagt auch Rinderer und erinnert daran, dass der Mensch im Laufe der Evolution seltener, dann aber meist ausgiebig gegessen hat. "Das ist physiologisch ein riesiger Unterschied. Denn jedes Mal essen löst eine Entzündung im Körper aus. Auch jedes Mal trinken. Wenn ich jetzt zehn Mal am Tag esse – und wenn es nur ein offiziell gesunder Apfel ist – macht das was im Körper."

Artgerechtes Essen, nicht nur für Sportler
Wirkkochbuch

Was, erfährt man im Buch: Zwölf Kapitel – jedes einem Thema (die Autoren nennen es Wirkmechanismus) zugeordnet – befassen sich unter anderem mit Energieverteilung, Essen und Entzündungen, dem undichten Darm, Insulin, Cortisol oder der Schilddrüse. Mithilfe von mehr als 70 Rezepten soll man diese Problemstellungen regelrecht wegessen können. Rinderer: "Die Reihenfolge im Buch richtet sich nach der Dringlichkeit und Häufigkeit der Probleme, die Menschen haben. Die ersten vier Abschnitte treffen auf praktisch alle Leute zu. Da haben alle Probleme: Darm, Energie und Immunsystem sind die zentralen Probleme bei acht von zehn Menschen", meint der Autor, der als diplomierter Sport-Physiotherapeut im Olympiazentrum in Dornbirn mit den besten Ski- und Tennissportlern, Judokas und Fußballern arbeitet. Sie alle greifen auf sein Wissen und die artgerechte Ernährung zurück: "Es gibt physiologische Grundsätze. Die sind nicht verrückbar. Wir brauchen zum Beispiel essenzielle Mikronährstoffe, Omega-3. Und ich kann Bewegung nicht ohne Essen sehen und Essen nicht ohne Bewegung", predigt der Sport-Physiotherapeut.

Leo Pruimboom ist der Meinung, dass Menschen nur jene Nahrung zu sich nehmen sollten, die schon vor der Einführung von Viehzucht und Ackerbau zur Verfügung stand. Also unter anderem Pilze, Wurzeln, Beeren, Schalentiere und Meeresfrüchte. Er nennt das Ursprungsnahrung. Wer sich jetzt an die Paleo-Diät erinnert fühlt, hat nicht unrecht. Allerdings wird bei der Ursprungsdiät rotes Fleisch gemieden, da es mit Neu5Gc belastet ist. Diese Sialinsäure wird vom Immunsystem als Feind betrachtet. Auch Getreide wird wegen verschiedener Inhaltsstoffe abgelehnt, z. B. wegen der sogenannten Lektine, die den Darm angreifen. Milch und Milchprodukte sind tabu. Ebenso setzen die Vertreter der Ursprungsdiät auf frische und unverarbeitete Lebensmittel. Wer es genau wissen will:

Buchtipp Pruimboom, Reheis, Rinderer: Wirkkochbuch. Bucher-Verlag. 39,90 Euro. www.wirkkochbuch.com

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