Was eine Linzerin als Lehrerin in Kenia erlebt
Ihre Frage war gut gemeint: "War jemand von euch schon einmal Opfer von Gewalt in seiner Familie?" Die Schüler der 7. Klasse brachen in Gelächter aus. Nach dem Motto: Was für eine blöde Frage? Wo lebt unsere Lehrerin? "Nicht einer von uns wird geschlagen. Sondern alle!"
Daniela Riess wirkt heute noch betroffen, wenn sie darüber erzählt. Seit vier Monaten arbeitet die 24-jährige Linzerin ehrenamtlich in der Albstadt Helping Hands Community School, die unweit der keniatischen Hafentstadt Mombasa eingerichtet wurde (siehe Grafik) und sich aus privaten Spenden erhält.
Kurz vor der Matura
Die Schule wird von ihrer ebenfalls aus Linz stammenden Landsfrau Sonja Horsewood-Jemc geleitet. 600 junge Leute zwischen vier und 19 Jahren, die sonst keinen Zugang zu Bildung hätten, werden hier unterrichtet. Sie beginnen im Kindergarten und sollen am Ende auch maturieren. In diesem Schuljahr wird die erste Klasse zur Matura antreten. "Alle sind schon sehr aufgeregt", weiß Daniela Riess, die auch einen Blog über ihre Erfahrungen in Kenia schreibt.
Sie selbst wollte sich schon kurz nach ihrer eigenen Matura für einen Hilfseinsatz im Ausland melden. "Aber ich habe damals kein Projekt gefunden, das mich wirklich überzeugt hat."
Zusätzlich hilft sie beim Verteilen von Kleiderspenden und Berichte-Schreiben für die Paten der Schützlinge. "Zur Zeit bastle ich mit den Kleinsten Weihnachtskarten, die ihre Paten dann als Dankeschön bekommen."
Öfters begleitet Riess die schuleigene Sozialarbeiterin zu armen Familien , um deren Wohn- und Lebenssituation zu dokumentieren. Arm bedeutet in Kenia: "Kinder, die vor Hunger weinend durch die Straßen laufen. Familien, die in kleinen Lehmhütten zwischen Spinnen und Kakerlaken auf dem Boden schlafen. Viele können ihre Kinder nicht zur Schule schicken. Denn sie brauchen sie für die Haus- und Hofarbeit oder können sich das Schulgeld nicht leisten."
Außerhalb der Schule hat sie zum ersten Mal in ihrem Leben offenen Rassismus hautnah erlebt. Nicht als Beobachterin, sondern als Betroffene: "Ich werde regelmäßig belogen, auch ausgelacht. Immer wieder wird mir das Gefühl gegeben, anders zu sein." Auch wenn ihr die meisten Kenianer warmherzig begegnen, "hinterlassen diese Erfahrungen doch einen Riss in meinem Herz".
Viele kleine Schritte
In der Schule erlebt sie wiederum die Folgen fehlender Frühförderung: "Die meisten Kindergartenkinder sind völlig überfordert, sobald sie einen Stift und ein Blatt Papier in die Hand gedrückt bekommen. Sie warten auf Anweisungen und wissen nicht, wie sie ihrer Kreativität Ausdruck verleihen sollen."
Sobald die Kinder jedoch merken, dass sie hier nichts falsch machen können, blühen sie richtig auf. Daniela Riess zeigt sich ergriffen: "Diese Freude mitansehen zu dürfen, ist in der Tat sehr berührend." Zudem sei zu beobachten: "Dass im Denken unserer Schüler bereits deutliche Veränderungen festzustellen sind." In etlichen Gesprächen hat sie erfahren: "Sie wollen ein anderes Leben als ihre Eltern führen."
Das Schulprojekt in Kenia:
Mehr über die Albstadt Helping Hands Community School unter: www.kenia-kinder.at
Allgemeine Informationen:
Sozialdienst, Friedensdienst, Gedenkdienst. Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich im Ausland persönlich zu engagieren. Mehr Infos finden Sie hier:
www.bmi.gv.at/cms/zivildienst/zugang/freiwilligendienste.aspx
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