Mütter, Heldinnen des Alltags

Mütter, Heldinnen des Alltags
Das Leben als Mama ist anstrengend und wundervoll zugleich. Eine Hommage an alle Frauen, die den Alltag mit Kindern meistern – oft auch ohne Partner.

Zum Muttertagsklischee gehört, dass der Papa mit den Kindern der lieben Mama das Frühstück ans Bett bringt und sie am heutigen Sonntag keine Pflichten wahrnehmen muss. Bei rund 260.000 Müttern in Österreich klappt das jedoch gar nicht: In deren Küche gibt es keinen Papa, der beim Vorbereiten hilft. Als Alleinerzieherinnen sind sie auf sich selbst gestellt. Jeden Tag, auch am Muttertag.

Diese ständige Belastung zeigt Wirkung, weiß Alexandra Widmer, Ärztin und Mutter zweier kleiner Töchter, aus eigener Erfahrung. Ihr Partner verließ sie, als die Kinder ein und drei Jahre alt waren. "Neben dem Schock und dem Schmerz über die Partnerschaft war auch mein Traum einer Familie geplatzt. Ich hatte bis dahin immer alles gut geschafft – jetzt merkte ich schnell, dass diese Situation eine ganz neue Dimension hatte." Da ging es nur noch darum, im Alltag zu funktionieren: "Nach 14 Stunden auf den Beinen, neben meinem Job, dem Einkaufen, Kochen, Aufräumen und der Betreuung meiner zwei verunsicherten und bedürftigen Kinder war ich restlos erschöpft. Mit Erschrecken stellte ich fest, was zu wenig Ruhe, hohe Mietkosten, Stress mit dem Ex-Partner und andere Belastungen aus mir machten."

Aus der Not wurde eine Tugend: Sie schrieb das Ratgeberbuch "Stark und alleinerziehend". Eine Art Wegweiser aus der Erschöpfung. Es ist ihr ein Anliegen, Alleinerzieherinnen und deren Welt sichtbar zu machen. Und ihnen Mut zu geben, sich Hilfe zu holen.

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Alexandra Widmer

Was Mütter stark macht

Mit ihren Klientinnen richtet sie den Blick nach innen: "Wenn ich als Alleinerziehende meine Kinder an erste Stelle sehe und mich irgendwo dahinter, wird dieses Modell nicht lange gut gehen. Das Motto meines Projektes ist: ‚Nur wenn es mir gut geht, geht es meinem Kind gut.‘ Das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern mit Selbstfürsorge. Nur wenn ich gut für mich sorge, kann ich für mein Kind sorgen."

Dieser Zugang würde allen Mamas guttun, betont die ärztliche Psychotherapeutin: "Es wäre schön, wären Mütter alle weniger perfektionistisch. Die Vereinbarkeit von Beruf, Kinder und Haushalt ist heutzutage schon in einer Paarbeziehung kaum möglich. Als Alleinerziehende noch viel weniger." 60 Prozent sind die neuen 100 Prozent lautet ihr Mantra. Doch Alleinerzieherinnen wird das Leben häufig auch absichtlich schwer gemacht, bedauert sie: "Die Familie, der Ex-Partner, das Gericht, das Jugendamt hinterfragen die Fähigkeiten der Mutter und deshalb wollen alleinerziehende Mütter stark sein – um nicht als Versager dazustehen. Dieser Kampf, alles allein perfekt zu schaffen, führt auf Dauer zu Erschöpfung und Isolation."

Arbeit am Abend

Wie sich das bei ihr ausgeht? "Ich bin vier Tage in der Praxis und lasse mir den Freitag für Projekte wie das Buch. Am Nachmittag bin ich mit den Kindern. Und am Abend, wenn die Kinder im Bett sind, schreibe ich meinen Blog, bereite Vorträge vor oder kümmere mich um den Podcast auf meiner Webseite (Anm.: starkundalleinerziehend.de). Das Thema ist größer als meine Erschöpfung. Ich würde am Abend ohnehin nicht am Sofa fernsehen."

Mit der beeindruckendsten Mutter, die ihr untergekommen ist, führte Alexandra Widmer ein Interview. "Die hätte eigentlich am Boden liegen können. Sie hat zwei Kinder mit Beeinträchtigungen und deren Vater zahlt nichts. Dennoch blieb diese Frau immer positiv. Sie hat diese Entscheidung bewusst für sich und ihre Kinder getroffen."

Ihre eigenen Herausforderungen haben sie selbst stärker gemacht, stellt die Ärztin fest: "Die Rolle als Mutter hat sich insofern verändert, als ich noch mehr zu einer Art Löwin für meine Kinder geworden bin. Im Alltag hängt alles an mir. Ich bin für alles verantwortlich und das lebe ich auch so gut ich kann."

Inzwischen sammelt sie neue Erfahrungen, mit denen viele Frauen ebenfalls konfrontiert sind. Über ihre neue Partnerschaft will sie nur so viel sagen: "In einer Patchwork-Familie ist sehr viel Toleranz nötig."

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Bloggerin Lena

Power-Mama auf Reisen: Einmal Asien und zurück

Abenteuerlich, bereichernd und manchmal auch echt anstrengend" – mit diesen Worten fasst die Wiener Unternehmerin Lena Kratz das Muttersein zusammen. Die mühevollen Aspekte des Lebens mit Kind verbindet die 30-Jährige nicht zuletzt mit ihrer Rolle als Alleinerzieherin: "Als alleinerziehende Mutter, aber auch als Mutter oder Vater mit Partner, hat man es nicht immer leicht. Es wird einem oft das Gefühl gegeben, dass man nichts richtig machen kann", beschreibt Kratz, deren berufliche Laufbahn über Tätigkeiten im PR-Bereich 2012 im Lifestyle-Blog mit Handkuss mündete.

Irritieren lässt sich die in der Schweiz geborene Österreicherin von der Meinung anderer nicht, im Gegenteil: Vor knapp zweieinhalb Jahren beschloss sie, ihren damals zweijährigen Sohn Emilian und ihre Siebensachen zu packen, um die Welt zu entdecken. Die Idee für das Abenteuer kam der Vollblutmama während eines einmonatigen Roadtrips durch Europa, den sie ebenfalls mit ihrem Sohn bestritt. Nachdem sie auf der Fahrt durch 13 Städte Reiseluft schnupperte, fasste sie im Dezember 2015 den Entschluss, es nicht bei der Reise auf vier Rädern zu belassen. Die Destinationen waren schnell gefunden, einen Monat später ging es ab nach Japan, Thailand und Indonesien.

Keine Zeit für Zweifel

Eine lange Phase des Nachdenkens blieb da nicht: "Ich hatte keine Zeit mir Sorgen zu machen, und das war gut so", weiß die 30-Jährige heute. Ihre Bauchentscheidung verstanden nicht alle. Von Familienmitgliedern und aus dem Freundeskreis kam der Neo-Mama Kritik zu Ohren. Ihr Vorhaben sei "unverantwortlich und nachlässig", so der Tenor. Auch von der Blog-Leserschaft strömte ihr Unverständnis entgegen. Von ihren Plänen ließ sie sich nicht abbringen. Zu Recht, denn der Tapetenwechsel tat der jungen Frau gut. Nach der Geburt ihres Sohnes und einer privat schwierigen Phase hatte sie sich auf der Suche nach Ausgeglichenheit schnell ins Berufsleben gestürzt. Statt innere Balance zu finden, litt sie unter dem frühen Wiedereinstieg in den Joballtag: "Ich war massiv unter Druck, alles unter einen Hut zu bekommen und allen gerecht zu werden", erinnert sich Kratz. Mit dem Besteigen des Fliegers – das Duo reiste mit nur 13 Kilogramm Gepäck – verwandelte sich die Krisenstimmung in Lebensfreude. Nachdem Mutter und Sohn in Japan urbane Sinneneindrücke gesammelt hatten, ging es weiter nach Thailand zum Inselhopping. Auf Bali blieben sie schließlich hängen. Zwei Monate verbrachten sie dort, ließen sich treiben, genossen das Leben fernab von Luxus und übertriebenem Komfort. Die einfache Lebensart, die sie dort pflegen und lieben lernte, hat das Konsumverhalten der Wienerin geprägt: "Wir schaffen Kindern allerhand Zeug an, weil wir glauben, dass sie es brauchen. In Wahrheit kommen sie aber mit sehr wenig sehr gut aus."

Neue Perspektiven

Was nach der Rückkehr nach Österreich blieb? Zufriedenheit und die Erkenntnis, dass jeder sein Leben nach seinen Vorstellungen gestalten und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten bestmöglich nutzen sollte. Ihren Alltag strukturiert Kratz deshalb mit mehr Bedacht. Dabei investiert sie zum Beispiel in ein Kindermädchen, um sich eine Auszeit zu gönnen. Ihre persönliche Entwicklung zeigt sich auch in beruflichen Projekten: Neben ihrem Blog, mit dem sie andere Mütter und Väter inspirieren will, betreibt die PR-Fachfrau eine Agentur, die in den kommenden Jahren wachsen soll. Aus Bali mitgenommen hat sie eine Modelinie, die sie mit einer indonesischen Schneiderin auf die Beine gestellt hat. Was ihre Stärken als Mutter ausmacht? "Mut und Durchhaltevermögen, davon habe ich reichlich", sagt sie. Energie für neue Projekte schöpft sie aus der Freude am Schaffen – "sowie aus gelegentlichen Kinobesuchen und einem guten Glas Wein".

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"Ich stelle alles auf den Kopf, damit es gut klappt"

Wenn die sechsjährige Inka ihrer Mama Sigrid den Arm um die Schulter legt und ihr ein Bussi auf die Wange gibt, geht einem das Herz auf. Und die Kommunikations- und Yoga-Trainerin Sigrid Buchhas-Lampinen spürt, dass sich ihre Anstrengungen als Mama gelohnt haben. Ihr Alltag ist eine Logistik-Herausforderung: "Es gibt einen fixen Plan. Vormittag habe ich Yoga-Stunden und Coaching-Termine, am Nachmittag bin ich bei meiner Tochter. Wenn ich abends Yoga-Stunden gebe, passt meine Mutter auf. Mein Yoga-Studio Taoday ist im selben Haus wie die Wohnung, sonst würde ich es nicht schaffen. Ich stelle alles auf den Kopf, damit es gut klappt."

Die Zeit mit ihrer Tochter nützt sie bewusst. Sie holt sie vom Kindergarten ab und verbringt den Nachmittag mit ihr. "Ich bin eine späte Mama, habe meine Tochter mit 41 bekommen. Ich wollte Zeit haben, mich um sie zu kümmern. Vorher habe ich in einem IT-Unternehmen als Führungskraft gearbeitet und viel Zeit im Büro verbracht. Also habe ich mich als Trainerin selbstständig gemacht", erzählt sie. "Es war sicher ein Vorteil, dass ich schon viel Berufserfahrung hatte. Da tun sich jüngere Frauen schwerer."

Die Beziehung mit dem Vater brach auseinander. Jedes zweite Wochenende ist die Kleine bei ihm, jeweils Donnerstag bis Sonntag. "Diese Zeit nütze ich, um meine ganztätigen Seminare über Kommunikation und Führung abzuhalten. Da setze ich mich nach dem Yoga-Kurs in Wien ins Auto, damit ich am nächsten Morgen um acht Uhr in Salzburg im Seminarraum stehen kann. Manche sagen zu mir: ‚Wenn deine Tochter beim Papa ist, hast du frei.‘ Aber da erledige ich alles, was sonst zu kurz kommt."

Gleichgesinnte finden

In ihrem Umfeld gibt es wenige Alleinerzieherinnen, und ihre Tochter erlebt lauter intakte Familien. Von 25 Kindern in der Kindergruppe leben 23 mit beiden Eltern, beobachtet Buchhas-Lampinen: "Dann fragt sie mich: ‚Kannst du dich mit dem Papa wieder vertragen?’"

Gemeinsam mit einer befreundeten Krankenschwester gründete sie daher kürzlich die Facebook-Gruppe "Alleinerziehende Alltagsheldinnen": "Es tut gut, sich mit anderen auszutauschen, denen es ähnlich geht. Manchmal reicht es, dass jemand schreibt: ‚Ich verstehe dich.‘ Manche brauchen eine günstigere Wohnung. Oder der Vater taucht plötzlich wieder auf. Manchmal merke ich, dass es für andere viel schlimmer ist, und sie denken trotzdem positiv. Inzwischen treffen wir uns auch im echten Leben, nur wir Mütter oder mit den Kindern."

Auch Themen wie Urlaub sind für Alleinerzieherinnen schwierig: "Ich fahre im Sommer mit meiner Schwester und ihren Kindern eine Woche weg, sonst gerne mit einer Freundin. Mit einer intakten Familie ist es nicht so angenehm, vor allem am Abend." Für manche Mütter ist Urlaub ein Wunschtraum: Eine postete glücklich in der wachsenden Facebook-Gruppe, dass sie zum ersten Mal seit Jahren mit ihrem Kind wegfährt.

Statistik

15,5 Prozent der Familien sind Ein-Eltern-Familien. 93 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen.

Sie arbeiten öfter ganztägig als Frauen in Partnerschaften. Kinder und Jugendliche von Allein- erziehenden sind mehr als doppelt so oft von Armut betroffen wie Kinder aus Zweielternfamilien.

Unterhalt

Fast jedes fünfte Kind erhält gar keinen Unterhalt, jedes zweite Kind bekommt zu wenig. Die Regelbedarfssätze, die für Kinder als durchschnittlicher Aufwand im Monat gelten, liegen zwischen 200 und 500 Euro, sind aber nicht verbindlich. Väter können den Unterhalt heruntersetzen lassen. Maria Stern vom Forum Kindesunterhalt fordert, dass die Regelungen zum Unterhalts- vorschuss geändert werden, der Staat die Differenz zwischen den Alimenten und dem Bedarfssatz zahlt sowie eine Kinderkosten- Analyse durchgeführt wird. Bei den 15 Forderungen des geplanten Frauenvolksbegehrens, dessen Sprecherin sie ist, wird auch der Unterhalt angeführt.

Plattformen & Service

www.forumkindesunterhalt.at

www.frauenvolksbegehren.at

www.alleinerziehende.org

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