Zusammenprall zweier Welten

Sebastian Holecek (re.) als Fürst Igor (mit Karl-Michael Ebner) im Sonnenblumen-Reich des Khans mit Volksoper
Die Wiener Volksoper landet mit Alexander Borodins großer Oper "Fürst Igor" einen Erfolg.

Eine russische Nationaloper von epischen Dimensionen in deutscher Sprache im Haus am Gürtel – kann das gut gehen? Es kann. Denn mit der Neuproduktion von Alexander Borodins "Fürst Igor" – das Werk war, von Gastspielen abgesehen, seit 1960 nicht mehr in Wien zu sehen – hat sich die Volksoper selbst übertroffen.

Aber der Reihe nach: Dramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz hat im Einklang mit Dirigent Alfred Eschwé und mit Regisseur Thomas Schulte-Michels eine Wiener Fassung des "Fürst Igor" erstellt. Man hat dabei das im Original mehr als fünfstündige Stück – Borodin konnte seine einzige Oper trotz 25-jähriger Arbeit nicht vollenden – auf zweieinhalb Stunden inklusive Pause gekürzt.

Unter dem Brennglas

Eine kluge Entscheidung. Man hört Borodin und die Ergänzungen von Nikolai Rimski-Korsakow sowie Alexander Glasunow auf die Essenz reduziert. Die "russische Seele" quasi unter dem musikalischen Brennglas – das ergibt Sinn, trägt auch viel zum Verständnis der gerafften Handlung bei.

Denn diese hat es ohnehin in sich. So zieht Fürst Igor in den Krieg gegen den Polowetzer Khan, gerät in Gefangenschaft, wird dort gut behandelt. Der Sohn verliebt sich in die Tochter des Khans; in der Heimat ergreift Igors brutaler Schwager Galitzky die Macht. Igor erfährt all dies, flieht, kehrt zurück und bereitet nach Galitzkys Sturz den nächsten Feldzug vor.

Regisseur und auch Ausstatter Thomas Schulte-Michels (für ihn gab es bei der Premiere ein paar ungerechtfertigte Buhs) zeigt zwei Welten, die nicht zueinander finden können. Hier die karge, russische Steppe, dort die von riesigen Sonnenblumen dominierte Welt des Khans. Schwarz trifft auf Bunt, Musical trifft auf ein Lehrstück in der Manier von Bert Brecht. Und mit den Wendehälsen Skula und Eroschka (Stefan Cerny, Christian Drescher) kommt sogar noch Becketts "Warten auf Godot" ins Spiel.

Fürst von Weltformat

Das wirkliche Ereignis jedoch sind die Sänger. An der Spitze Sebastian Holecek. Er ist ein Igor von Weltformat, singt diese Partie bombastisch, dabei stilistisch-kultiviert wie große Interpreten der Vergangenheit. Als sein Gegenspieler beeindruckt Sorin Coliban als stimmlich überragender Khan; Dritter im vokalen Dreigestirn ist der herrlich fiese Galitzky des fabelhaften Martin Winkler.

Melba Ramos als Igors Gattin, Annely Peebo als die Tochter des Khans, Vincent Schirrmacher als Igors Sohn und Karl-Michael Ebner als Fluchthelfer erfüllen ihre Partien ebenso souverän wie der mächtige Chor (Einstudierung: Holger Kristen).

Bleibt Dirigent Alfred Eschwé, der am Pult des sehr animierten Orchesters für die passende Stimmung sorgt und etwa bei den mit Breakdancern aufgefetteten "Polowetzer Tänzen" (Choreografie: Teresa Rotemberg) viel Verve einbringt. Jubel.

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