Zeitreise ins alte Ägypten

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KHM-Ausstellung "Im Schatten der Pyramiden“: Vor exakt 101 Jahren startete die österreichische Grabung gleich neben der Cheops-Pyramide.

Irgendwann um das Jahr 1912: Auf dem Felsplateau im Schatten der Cheops-Pyramide jubeln, schreien und freuen sich die Arbeiter lautstark. Über einen Fund? Mitnichten! „Sie dachten an das Bakschisch, das ich ihnen in Aussicht gestellt hatte.“ Das notierte der Archäologe Hermann Junker nach einem Statuen-Fund in seinem Grabungstagebuch.

Wissenschaftler haben Aufzeichnungen vertont, alte Fotos gescannt, das Gewicht von Sarkophagen aus Skizzenbüchern ausgewertet und ermittelt, wie vieler Helfer es zum Transport bedurfte – und lassen die Grabung vor 100 Jahren interaktiv wiedererstehen. „So gewinnt man einen recht lebhaften Eindruck, wie es damals auf der Grabung zugegangen ist, und kann sehen, wie die Objekte entdeckt wurden“, sagt Iman Kulitz. Kulitz ist Archäologin mit Spezialgebiet Virtuelle Archäologie – damals war vor 101 Jahren und die Grabung war eine österreichische.

Jeder wollte dort graben!

Anfang des 20. Jahrhunderts bestand ein reges Interesse an Grabungen in Ägypten. Die großen Nationen stritten um die besten Plätze. Und da Österreich auch noch eine große Nation war, wollte man mitspielen. Die Region im Schatten der Pyramiden war besonders begehrt und wurde 1902 zwischen Deutschen, Amerikaner und Italienern aufgeteilt. „Jeder wollte dort graben!“, sagt Regina Hölzl, Direktorin der Ägyptisch-orientalischen Sammlung des Kunsthistorischen Museums (KHM).

1912 ergatterte Österreich eine Lizenz – durch ein Tauschgeschäft: Der Wiener Archäologie-Professor Hermann Junker, ein gebürtiger Deutscher, machte einen Handel mit dem Leiter der Leipziger Grabungen in Giza: Seine Konzession in Nubien gegen die deutsche bei den Pyramiden. Ein gutes Geschäft, wie sich herausstellen sollte.

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„Schon in der ersten Grabungskampagne gab es den kapitalsten Fund. In der Mastaba(ein Privatgrab, Anmerkung)des Hemiunu wurde die lebensgroße Kalkstein-Statue des Grab-Besitzers entdeckt“, sagt Hölzl. Es sollte die tollste Entdeckung der ganzen Österreicher-Ära in Giza bleiben. Denn immerhin war Hemiunu der Neffe von Cheops und der Architekt der gleichnamigen Pyramide.

Das Los entscheidet

Nach Österreich kam die beeindruckende, gut 4500 Jahre alte, Statue nicht. Damals war die Fund-Teilung – sagen wir – spielerisch geregelt. Die Stücke wurden in möglichst gleichwertige Teile gegliedert. Die beteiligten ausländischen Institutionen erhielten Lose, und Hemiunu ging an den Sponsor der österreichischen Grabung Wilhelm Pelizaeus aus Hildesheim.

Irgendwann zu Beginn des Jahres 2013: Eine mannshohe Holzkiste wird über die Zweier-Stiege transportiert, um schließlich auf Rädern durch die Gemäldegalerie des KHM Richtung Sonderausstellung zu schweben. Drinnen: eine lebensgroße Statue. „Wir haben das große Glück, dass Hemiunu als Leihgabe des Museums Hildesheim zur Schau nach Wien kommt“, freut sich die Kuratorin Hölzl. Hemiunu wird zum letzten Mal reisen, weil sein konservatorischer Zustand es nicht mehr erlaubt. Zu sehen ist er ab heute in der Ausstellung „Im Schatten der Pyramiden“.

Durchs Grab schlendern

Nicht nur er: Eine Vielzahl an Kunstwerken aus aller Welt, Informationen zum Grabbau und zum Jenseitsglauben der alten Ägypter werden präsentiert. So will die Giza-Expertin Hölzl den Besuchern in der Schau ein Mastaba-Grab näher bringen, das 1913 ausgegraben wurde – Architektur, Funktionsweise, Grabschmuck, etc.

Irgendwann vor gut 4500 Jahren: Stiegen, Schächte, eine Kultkammer, aufwendige Wandmalereien leiten in unterirdische Grabräume. Störenfriede sollten mittels Scheintüren abgehalten werden. Heute schicken Forscher der TU Wien Eindringlinge mithilfe einer iPad-Station auf Entdeckungstour. „Man kann virtuell durch ein typisches Grab schlendern und die Objekte, die man real sieht, an ihren Originalplätzen virtuell wiederfinden“, sagt Iman Kulitz von der TU Wien, die das vorhandene Originalmaterial der österreichischen Ausgräber sondiert hat. „Wir hatten Tonnen an Daten und waren über Monate mit der Sichtung beschäftigt“. Beispielsweise wurden Pyramiden und Gräberfeld 2004 von einer österreichischen Firma gescannt. Diese 3-D-Laserscans sind in die virtuelle Zeitreise eingeflossen. Denn: „Objekte allein sagen Laien meist nichts.“

„Die Damen derGesellschaft machtenZeichenarbeiten.“

Und so berichtet Regina Hölzl von Anekdoten, die sie in den Grabungstagebüchern gefunden hat. Beispielsweise, dass Junker jede Woche an die Akademie der Wissenschaften schrieb. Einmal beschwerte er sich über die Streitereien mit den benachbarten Amerikanern, die im Revier der Österreich gewildert hätten. Skurril auch die Rolle, die die Schwester von Junker, Maria, bei der Grabung spielte. Sie war, wie sein Assistent Wilhelm Czermak und dessen Schwestern auch, immer und überall dabei. Hölzl: „Die Damen der Gesellschaft machten Zeichenarbeiten. Jene von Ada und Paula Czermak sind in der Schau zu sehen.“

„Im Schatten der Pyramiden“: Die Ausstellung über die österreichische Grabung in Giza (1912–1929) ist bis 20. Mai 2013 im Kunsthistorischen Museum Wien zu sehen.

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