Der Mann hinter dem Mann

Der Film verliert sich an der Oberfläche: Laurents Kunst ist hier nicht viel mehr als Kritzeln und Schleifen-Drapieren
Dem Biopic über den Modezaren Yves Saint Laurent gehen dramaturgisch bald die Nähte auf.

Yves ist ein Genie!"

"Yves ist sooo ein Genie!"

"Yves, Du bist so genial!"

Mit Lob wird in diesem Film nicht gerade gespart. Schön wäre aber, man könnte all diese kniefälligen Dialogsätze jetzt auch auch über den Film selbst sagen. Aber nein.

Schon kurz nach Beginn platzen dem Biopic über den französischen Modekünstler die dramaturgischen Nähte. Yves Saint Laurents Mode, seine Modeschauen, die berühmten Kleider im Mondrian-Stil, seine Smokings für Frauen, sind mit Abstand das Eleganteste an diesem drehbuchmäßig uneleganten, um nicht zu sagen: missglückten Film.

Schüchtern

Der erzählt aus der Perspektive von Yves’ langjährigem Lebensgefährten: Kunsthändler Pierre Bergé.

"Du warst so jung, so schön und so schüchtern", hebt da mit einem Mal dessen patschert pathetische Off-Stimme an, "aber den ersten Kampf deines Lebens musstest du noch alleine hinter dich bringen"

Der erste Kampf wird chronologisch brav erzählt: Da zeichnet der junge Yves (wie subtil!) erstmal Kleider. In der zweiten Szene erfährt man dann, dass er nun bei Dior in Paris arbeiten wird. In der dritten arbeitet er dort und lernt dann Muse und Model Victoire kennen, die er am liebsten heiraten würde, wäre er nicht schwul.

Da ist er schon, der erste Kampf. Doch wichtige Momente des Lebens werden hier abgeklappert, ohne je emotionale Tiefe zu entwickeln: der Tod von Dior, der YSL zum Chefdesigner werden lässt. Die Einberufung in den Krieg, die seine Krankheit – er war manisch-depressiv – ausbrechen lässt. Und was das Schlimmste ist: Seine Kunst, Kleider zu entwerfen, wird im Film nie mehr sein als unsinnliches Schleifen-Drapieren. Stattdessen konzentriert man sich auf die Liebesgeschichte zu Pierre Bergé. Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eben ... ein Mann. Berger ist Liebhaber, Geschäftsmann und Organisator, er hilft ihm, die eigene Firma zu gründen, hält zu ihm in seiner Krankheit und über viele andere Liebhaber hinweg. Den beiden Schauspielern Pierre Niney und Guillaume Gallienne ist es auch zu verdanken, dass der Film sich nicht nur in Posen und Oberflächlichkeiten verliert. Niney hat zwar äußerlich wenig gemeinsam mit Yves Saint Laurent – doch mit Hornbrille und ungelenker Schüchternheit zieht er sich die Figur wie einen perfekt passenden Anzug über. "Ich bin kein netter Mensch", wird Saint Laurent seinen künftigen Lebenspartner warnen. Ein Vorbote der zerstörerischen Drogen- und Sexzesse, in die sich Laurent verstricken und in denen er untergehen wird. Zumindest das wird im Film schonungslos gezeigt und ist damit mehr als nur Denkmalpflege am Modezaren. "Mode ist keine Kunst, aber es braucht große Künstler, um sie zu erfinden"; sagt Bergé einmal zu Yves.

Das gilt grundsätzlich auch fürs Kino. Diesem Stoff hätte man allerdings größere Künstler gewünscht.

Was aber noch werden kann. Heuer steht nämlich ein weiterer Yves-Saint-Laurent-Film an: vom großartigen Regisseur Bertrand Bonello ("Haus der Sünde").

Info: YVES SAINT LAURENT. F 2014. 101 Min. Von Jalil Lespert. Mit Pierre Niney, Guillaume Gallienne.

KURIER-Wertung:

Zwei Männer fahren Rad und rezitieren Molière. Genauer: den "Menschenfeind", Weshalb der Film im Original auch "Alceste auf dem Fahrrad" heißt. Man titelte um, weil so viel Interesse an französischer Literatur hierzulande offenbar nicht zumutbar ist. Dasselbe gälte dann aber auch für den Film selbst. Denn hier dreht sich alles um Alceste, den Menschenfeind. Diesen will Valence, erfolgreicher TV-Serien-Arzt, auf die Bühne bringen. In der Hauptrolle sieht sich er natürlich sich selbst. In der Nebenrolle seinen alten Freund und Schauspielkollegen Serge. Doch der hat mit der prätentiösen Kunstwelt abgeschlossen, Anfragen landen bei ihm im Kamin. Es sei denn, er bekäme die Hauptrolle ...

Im Streit um die Frage, wer der bessere "Menschenfeind" ist, übertrumpfen sich nun zwei Schauspieler in Narzissmus und Egoismus und schnell beginnen Stück und Wirklichkeit zu kollidieren. Man muss Molière schon kennen, um Vergnügen am langwierig intellektuellen Spiel zu finden, dessen Humor wenig humorig ist.

Ein ausführliches Interview mit Philippe Le Guay finden Sie hier.

Info: Molière auf dem Fahrrad. Literaturverfilmung. F 2013. 105 Min. Von Philippe Le Guay. Mit Lambert Wilson und Fabrice Luchini.

KURIER-Wertung:

So gut waren Kamele im Film selten (das ist die gute Nachricht). Betörend, würdevoll und mit großen, fast erstaunten Augen staksen sie gemächlich durch die Wüste. Ihnen voraus trottet die junge Australierin Robyn Davidson. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, von Alice Springs zum Indischen Ozean zu gehen, zu Fuß also 3000 Kilometer durch die heißeste, härteste Gegend der Welt zu hatschen. Sie ahnen es schon: Es ist eine wahre Geschichte, die hier erzählt wird. 1977 hat sie stattgefunden, Robyn Davidson hat darüber im National Geographic geschrieben, und später aus ihren Erfahrungen einen Bestseller gemacht. Der allerdings kann nicht so langwierig und um sich selbst drehend sein wie John Currants Film anzuschauen ist.

"Spuren", diese Selbstfindungsgeschichte einer jungen Frau, wandert meist ohne Kompass umher, ohne tieferen Sinn und ohne Spuren zu hinterlassen. Hauptsächlich ist sie dazu da, die Aussicht zu genießen. Die ist tatsächlich groß: betörende Landschaft in endlosen Kreisen. Wem’s genügt.

Info: Spuren. Drama. Australien 2013. 112 Min. Von John Currant. Mit Mia Wasikowska, Adam Driver.

KURIER-Wertung:

The Amazing Spider-Man 2 – 3D

Schon zum fünften Mal binnen 12 Jahren wirft Spider-Man seine Netze im Kino aus. Sam Raimis Trilogie setzte den Anfang der Superhelden-Erfolge im Kino, jetzt erfährt sein Dreiteiler bereits ein Remake durch Regisseur Marc Webb. Der machte Spider-Man menschennäher und teenagerhafter (vor allem mit der süßen Emma Stone und dem charismatischen Andrew Garfield) und punktet in Teil 2 seines Reboots auch noch mit einem großartig tragischen Bösen: Jamie Foxx als Mr. Electro, einem kleinen Angestellten, der zu einem gruseligen Mr. 100.000 Volt wird. (Eine ausführliche Rezension finden Sie hier.)

KURIER-Wertung:

Die schwarzen Brüder

Verfilmung des gleichnamigen Kinderbuchklassikers, auf historischen Tatsachen beruhend: Schweizer Buben wurden Mitte des 18. Jahrhunderts ihren Eltern abgekauft, um in Italien für Rauchfangkehrer durch Kamine zu klettern. Kindernot und -tod im familienfreundlichen Weichspülgang des 1971er- Oscarpreisträgers Xavier Koller.

KURIER-Wertung:

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