"Würgeengel": Ein Drei-Stunden-Fest

"Würgeengel": Ein Drei-Stunden-Fest
Kritik: Martin Wuttke zeigt im Burg-Kasino seine Version von Buñuels "Würgeengel". Eine Herausforderung, die man annehmen muss.

Keine Frage: Martin Wuttke hat ein Meisterwerk geschaffen. Eine Abstraktion des Abstrakten, eine traumhafte Überhöhung des ohnehin schon Surrealen. Aber wie’s halt so sein kann mit Meisterwerken, erschließt sich auch dieses nur unter Anleitung.

Heißt: Voraussetzung für den Besuch von "Nach der Oper. Würgeengel", der so genannten "masochistischen Komödie", die der Burgstar selbst schrieb und im Kasino des Hauses in Szene setzte, ist im Grunde eine "Spezialführung" durch die eigene Audio- und Videothek.

Wuttke nahm sich "Der Würgeengel", den 1962 entstandenen Film von Luis Buñuel, als Folie für seine Fantasien – und verknüpfte ihn mit Wagners Oper "Tristan und Isolde" und Schönbergs "Erwartung". Wer weder Ersteren noch Zweitere kennt, wird sich mit dem neu entstandenen Dritten schwer tun. Für "Auskenner" freilich war der Abend ein Drei-Stunden-Fest, visuell wie darstellerisch. Geprägt von Martin Wuttkes signifikanter Regiehandschrift.

Denkanstrengung

In Interviews beklagte der Theatermacher die Verweigerung von Denkanstrengung beim Publikum. Nun spaltete er das seine in zwei Gruppen: die schleichenden Abgeher und die tosenden Applaudierer. Nicht weniger als siebzehn Schauspieler, vier Sänger und ein zwölfköpfiges Kammerorchester (die Sänger und die Violoncellistin haben an der Handlung teil) braucht Wuttke für seine "Würgeengel"-Version.

Auch in dieser kann eine illustre Abendgesellschaft, die sich nach der Oper zum Souper im Salon Nóbile trifft, diesen aus unerfindlichen Gründen nicht mehr verlassen. Fadesse oblige. Also beginnt man – Buñuels Politkritik außen vor lassend – einen Diskurs über Oper.

Kunst-Salon

Über Realität und Spiel, über Wahrheit und Lüge, und Lüge, die zur Wahrheit wird. Der Salon wird dieser Gemeinschaft zur Kunstwelt, in die man sich vor der Wirklichkeit flüchtet. Zum Kunst-Salon.

Aus der Kultur gibt’s kein Entrinnen. Großartige u. a. Ignaz Kirchner, Catrin Striebeck, Oliver Masucci, Peter Matić, Maria Happel und Bibiana Zeller stellen das dar.

Sie sind auch die Protagonisten der wunderbaren Hintergrund-Videos im Buñuel-Stil. Eine schwarzweiße Hommage. Ein Zitatefriedhof, wiederbelebt.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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