Wrabetz: "Es geht um Gebührenwahrheit"

Wrabetz: "Es geht um Gebührenwahrheit"
Er will sich nicht unbedingt im Stadtbild verewigen und denkt über eine Haushaltsabgabe nach: ORF-General Alexander Wrabetz.

Noch befindet sich Alexander Wrabetz’ Büro im baufälligen ORF-Zentrum am Küniglberg – einmal springt er während des Interviews auf und zeigt, wo es hineingeregnet hat.

Wann waren Sie das letzte Mal in St. Marx?
Bei der 5-Jahres-Feier von "Willkommen Österreich" im Juni, das wir schon jetzt dort produzieren.

Sie fahren nicht ab und zu hin, um sich die Gegend näher anzuschauen, in der ein neuer ORF entstehen könnte?
Ich habe genug anderes zu tun, was wichtig ist für den ORF.

Sie müssen dem Stiftungsrat bis September Ihre Entscheidung über den künftigen ORF-Standort vorlegen. Was tun Sie derzeit dafür?
Es werden die Berechnungen und Überlegungen – für einen neuen Standort bzw. für die Neugestaltung der alten Standorte – weiter vorangetrieben. Dazwischen sind wir mit der Sanierung beschäftigt, die am Küniglberg angelaufen ist. Es ist arg, was wir wegen des Denkmalschutzes auf uns nehmen müssen. Dazu ist die Gefahr der Verpolitisierung der Standortfrage gegeben – wir sind in einem Vorwahljahr. So eine weitreichende Entscheidungen kann man aber nur mit breiter Unterstützung treffen.

Wie sehr brennen Sie eigentlich für den Standort St. Marx?
Ich brenne für den ORF, für sein Programm, seine Mitarbeiter und die Möglichkeiten, Zusehern Freude zu machen und das Land weiterzubringen. Räumliche Fragen sind da nachgeordnet. Ich habe nicht den Drang, mich im Stadtbild zu verewigen.

Es ist also kein Beinbruch, wenn St. Marx nicht kommt?
Es ist eine Sachentscheidung. Beide Standort-Varianten haben Vorteile und Nachteile, Chancen und Risken. Eine Neuaufstellung hat tendenziell mehr Vorteile, aber wenn es nicht geht, dann muss man das Beste aus dem Bestehenden machen.

Personalabbau

Wrabetz: "Es geht um Gebührenwahrheit"

Ein Neubau würde wohl mit Personalabbau einher gehen. Zudem will die ORF-Führung für neue Mitarbeiter einen schlechteren Kollektivvertrag und auch in bestehende Verträge eingreifen. Und sie sieht sich mit Protesten freier Mitarbeiter konfrontiert, die für bessere Honorare kämpfen.
Wir sind in den schwarzen Zahlen und wir bleiben in den schwarzen Zahlen. Das ist ein ganz wichtiges Ziel. Auf der anderen Seite sind wir mit steigenden Rechte-Kosten konfrontiert, es sollen mehr Eigenproduktionen produziert werden usw. Daraus resultiert, dass wir weiter sparen und da und dort die Zahl der Mitarbeiter reduzieren müssen. Das passiert aber unabhängig vom Standort.

Haben Sie Verständnis für die Situation der freien Radio-Mitarbeiter, die zuletzt immer wieder auf ihre problematischen Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht haben?
Wichtig ist, dass es einen Dialog gibt mit den freien Mitarbeitern. Freie Mitarbeit ist für ein Unternehmen wie unseres wichtig und ich sehe durchaus ein, dass man sagt, in bestimmten Honorar-Kategorien haben sich die Zeiten geändert. Ich bin optimistisch, dass wir zu Lösungen kommen.

Beim Kollektivvertrag ist der Ton rauer. Dort hieß es seitens der Geschäftsführung, entweder spricht der Betriebsrat über Verschlechterungen oder wir schmeißen Leute raus.
Beim Kollektivvertrag für dann Neueintretende signalisiert der Betriebsrat Gesprächsbereitschaft. Da werden wir nach dem Sommer die Verhandlungen beginnen. Dissens gibt es bei der Anpassung bestehender Vertragsverhältnisse. Da müssen wir noch einen Weg finden, wie wir an den Verhandlungstisch zurückkommen.

Sie haben öfter betont, dass es bei der Standort-Frage auch um Zukunftsstrategien geht. Wohin geht die Reise?
Die Medienwelt ändert sich gerade dramatisch. Das wirft viele Fragen auf: Wie sieht die Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen nach 2015 aus? Wie reagieren wir auf Smart-TV, dem Zusammenwachsen von TV und Internet? Und vieles mehr. Wir arbeiten intensiv an Strategien für einen ORF 2020 und wollen da auch den Stiftungsrat einbeziehen.

Wollen Sie z. B. weitere Spartenkanäle gründen?
Traditionelle TV-Sender werden wir nicht gründen. Das Zukunftsthema schlechthin ist Smart-TV. Hier müssen wir es schaffen, die Kontrolle über unsere Inhalte und den direkten Zugang zu unseren Kunden zu behalten. Ich will nicht, dass unsere Seher in vier, fünf Jahren nur über eine Apple-TV-Oberfläche zum ORF gelangen. Betroffen ist auch das Thema Social Media. Es geht nicht so sehr um das heutige Facebook. Wenn aber auch beim Medien-Konsum künftig sehr viel über soziale Netzwerke abläuft – zum Beispiel über "Recommend"-Funktionen etc. – dann muss der ORF die Möglichkeit haben, diese Netzwerke als Kommunikations-Plattformen zu nützen. Sonst geraten wir ins Hintertreffen.

Sie sind auch im Executive Board der Vereinigung europäischer Öffentlich-Rechtlicher, der EBU. Was leistet die im Zusammenhang mit diesen Zukunftsfragen?
Vor allem sehr viel Informationsarbeit auf europäischer Ebene. Da geht es etwa um den freien Zugang zum Endkunden, es geht ums Urheberrecht oder auch um das Thema Netzneutralität. Der TV-Sektor ist einer der am stärksten regulierten in Europa. Es gibt - zu Recht - Bestimmungen zum Jugendschutz, zu Lizenzen oder zur Werbung. Nun sind aber Internetanbieter entstanden, die ohne jede Regulierung agieren. Man braucht Regeln. Die müssten aber auch für die neuen Konkurrenten im Internet gelten.

Gebührenwahrheit

Wrabetz: "Es geht um Gebührenwahrheit"

Das ORF-Gesetz wird reformiert. Ein Experten-Gremium berät über Stiftungsrat und Co. Welche Anregungen hätte der ORF-Chef?
Als Management sucht man sich den Aufsichtsrat nicht aus. Ich finde es aber gut, dass europäisches Know-how hier einbezogen wird. Dieser Prozess wird aber noch dauern. Was drängt, sind drei Dinge: Dass wir auf ORF III in den ORF-Sendern nicht in üblicher Form hinweisen dürfen, hilft niemandem. Dann wird man sehen, wie der Verwaltungsgerichtshof zu den ORF-Aktivitäten im Social-Media-Bereich entscheidet. Hier wäre eine gesetzliche Klarstellung auch im Einvernehmen mit den Zeitungsherausgebern wünschenswert. Das dritte ist ein neues Finanzierungsmodell. Das wird 2015/’16 für die Öffentlich-Rechtlichen in Europa kommen. Ob es eine Haushaltsabgabe wird, schauen wir uns gerade an.

Sie plädieren also für eine ORF-Steuer, die jeder zahlt?
Das soll eben keine Steuer sein, sondern möglichst staatsfern organisiert werden. Bis dahin stellt sich die Frage, wie man mit der Refundierung der Gebührenbefreiungen aus dem Budget umgeht, die 2013 ausläuft. Wichtig ist – weil ja alle ein Mehr an Eigenproduktionen unterstützen – ihre Verlängerung.

Wenn der ORF drei Millionen Euro in eine Programm-Offensive im Herbst investiert, aber 30 Millionen Euro als Refundierung bekommt, dann stimmt die Rechnung nicht?
Das hat nichts miteinander zu tun. Die gesamten 30 Millionen gehen zur Gänze in Programmaktivitäten, in die Filmwirtschaft, ORF III, Barrierefreiheit, Orchester ...

... Fußball-Rechte ...
Nein. Die KommAustria hat bestätigt, dass jeder Cent so investiert wurde, wie es der Gesetzgeber vorgesehen hat.

Das heißt aber auch, dass der ORF ohne Budget-Mittel keine Programminnovationen mehr setzen kann.
Es geht hier nicht um Steuermittel, sondern um jene Millionen, die die Österreicher unter dem Titel Rundfunkgebühren an den Bund zahlen, die aber nicht voll dem Rundfunk zugute kommen. Es geht also um Gebührenwahrheit.

Fernsehdirektorin Kathrin Zechner ist sehr umtriebig bei Programmneuerungen. Was ist Ihre Quotenvorgabe?
Die Ausgangsposition ist schwierig: Allein durch die Digitalisierung des Kabels wird der ORF ohne Gegenmaßnahmen in den nächsten zwei Jahren eineinhalb Prozent an Marktanteilen verlieren. Also wäre die Stabilisierung des Programms ein echter Erfolg.

Für Ihre Wünsche beim Gesetz brauchen Sie die Politik, die im ersten Halbjahr eine große Rolle gespielt hat. Stichworte sind Niko Pelinka und die Standortfrage. Was sind Sie diesmal bereit zu geben – den TV-Innenpolitik-Chef Hans Bürger, wie es gerüchteweise heißt?
Es hat lediglich in den ersten beiden Wochen des Jahres eine politische Diskussion gegeben, seitdem ist Ruhe. Der Politik geben wir gar nichts, der österreichischen Gesellschaft allerdings sehr viel. Beim Standort sehe ich keine große politische Diskussion. Und die TV-Innenpolitik macht einen hervorragenden Job, ich sehe von daher keinen Grund für Änderungen.

Alexander Wrabetz: Seit 2007 Generaldirektor des ORF

Wrabetz: "Es geht um Gebührenwahrheit"

Werdegang: Alexander Wrabetz (52) – früher Kaufmännischer Direktor des ORF – ist seit 2007 ORF-Generaldirektor. Im Sommer 2011 wurde er vom Stiftungsrat wiedergewählt.

Themen: Der Beginn von Wrabetz’ zweiter Amtszeit im Jänner 2012 stand im Schatten der Diskussionen über Niko Pelinka und parteipolitischen Einfluss. In den letzten Woche dominierte die Debatte über den ORF-Standort: Wrabetz hatte Präferenzen für einen Umzug nach St. Marx (Wien Erdberg) geäußert, konnte den Stiftungsrat aber nicht überzeugen. Am 17. September muss er dem Aufsichtsgremium seine endgültige Entscheidung vorlegen. Im Raum steht auch die Einführung einer Haushaltsabgabe: Statt der bisherigen gerätebezogenen Gebühr müsste dann jeder Haushalt für den ORF zahlen.

Kommentare