Winehouse-Regisseur: "Sie war kein Pop-Star"

„But I said no, no, no“: Amy Winehouse erhielt für ihr Album „Back to Black“ als erste britische Künstlerin insgesamt fünf Grammy-Awards.
Das tragische Leben von Amy Winehouse erzählt Asif Kapadia in seiner mitreißenden Doku "Amy".

Sie sei einfach nur ein Mädchen, das singen möchte, sagt Amy Winehouse in einem Interview. Und sie glaube nicht, dass sie jemals ein Star sein würde. Das war, bevor ihre Platte "Back to Black" 2006 einschlug wie ein Komet. Aus dem talentierten Mädchen aus North London mit der großartigen Soul-Stimme wurde ein globaler Superstar. Songs wie "Rehab" liefen auf jeder Firmenfeier.

Begleitend dazu trieb der (britische) Boulevard Amy Winhouse mit sensationalistischen Meldungen über Drogenexzesse und Abmagerungskuren vor sich her. Am 23. Juli 2011 erfüllten sich die lüsternen Prophezeiungen: Amy Winehouse starb im Alter von nur 27 an Alkoholvergiftung. All dies und noch viel mehr erzählt die mitreißende, sehr gestylte Doku "Amy" (Kinostart: Freitag) des Briten Asif Kapadia ("Senna"). Und sie versucht, ein anderes Bild von Amy Winehouse zu zeichnen.

KURIER: Was hat Sie an der Person Amy Winehouse am meisten fasziniert und überrascht?

Winehouse-Regisseur: "Sie war kein Pop-Star"
Asif Kapadia, Regisseur der Musikdoku "Amy"
Asif Kapadia: Zwei Dinge haben mir ganz entscheidend die Augen geöffnet: erstens, ihre Lyrics. Natürlich kannte ich ihre Songs, aber offensichtlich hatte ich bis dahin nie richtig hingehört. Und das Zweite waren die Privataufnahmen von ihr als junges Mädchen: Da ist sie so witzig und intelligent und cool – sie zeigt eine völlig neue, unbekannte Seite von sich. Ich fand sie unglaublich sympathisch, und das war mir für meine Doku ganz wichtig: Eine andere Amy zu zeigen, als die, die wir aus den Boulevard-Blättern kennen.

Wie sind Sie an all diese Privataufnahmen herangekommen?

Ich habe unglaublich viele Interviews mit Menschen aus Amys engstem Umfeld gemacht. Anfangs war es schwierig, deren Vertrauen zu gewinnen, weil sie immer noch wütend und verletzt über Amys Tod waren. Aber ich habe diese spezielle Interview-Technik entwickelt: Ich setze mich mit meinen Gesprächspartnern in einen abgedunkelten Raum – nur mit Mikrofon, ohne Kamera – und beginne mein Interview. Nach und nach wurde mein Gegenüber immer offener – wollte Wut oder Trauer oder Schuldgefühle loswerden. Die Gespräche wurden immer länger, Menschen begannen zu weinen – es war wie in einer Therapiestunde. Am Ende des Interviews geschah es dann oft, dass jemand sagte, er oder sie habe noch ein paar Privataufnahmen oder ein Home-Movie oder eine Nachricht von Amy auf dem Anrufbeantworter – und so bekam ich sehr viel Privatmaterial. Aber natürlich verwende ich auch Bilder von YouTube und Aufzeichnungen, die schon bekannt sind.

Mitch Winehouse, Amys Vater, gab Ihnen auch Interviews. Als die Doku herauskam, fühlte er sich jedoch diffamiert und distanzierte sich.

Ich habe mich mehrmals mit Mitch Winehouse getroffen, und meine Absicht lag klar auf dem Tisch: Ich fange bei null an. Ich kenne niemanden der Beteiligten. Ich habe Amy niemals persönlich getroffen. Ich möchte einfach nur Interviews machen, mir das Bildmaterial ansehen und eine Geschichte erzählen. Der Film ist ein Beleg dafür, was ich herausgefunden habe: Dass das Leben von Amy Winehouse zu einem bestimmten Zeitpunkt sehr kompliziert wurde und eine Menge Leute Entscheidungen trafen, die für Amy nicht die besten waren.

Der Vorwurf war, Sie hätten Zitate aus dem Kontext gerissen.

Alle Hinweise auf die Ereignisse finden sich direkt in Amys Songzeilen. Jedes Lied von ihr erzählt, was sich in ihrem Leben abspielt. Ich mache nichts anderes, als das zu bebildern. Lesen Sie den Text von "Rehab" – da finden Sie alles. Sie ist diejenige, die es erzählt, nicht ich.

Haben Sie diese heftigen Reaktionen erwartet?

Ich habe mir eigentlich nichts erwartet, ich wollte einfach meinen Film machen. Für mich entstand der Eindruck, dass Amy stark zwischen vielen Menschen hin- und hergerissen wurde. Und wenn du selbst instabil bist, kann dich das sehr krank machen. Ich wollte einen Film machen, der den Zusehern ein Gefühl davon vermittelt, was es heißt, Amy Winehouse zu sein. Und das war, glaube ich, eine ziemliche Herausforderung.

Sie prangern die Rolle des Boulevards an, verwenden aber selbst auch viele Tabloid-Bilder. Ist das nicht ein Widerspruch?

Das war mir bewusst. Ich hätte natürlich entscheiden könne, ich zeige diese Bilder nicht. Andererseits: Wie hätte ich dann diesen Film machen können? Die Wahrheit ist, dass Amy ab einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens im Boulevard "lebte". So gesehen muss man auch dieses Material verwenden, um ihre Geschichte zu erzählen. Es wäre verrückt gewesen, es nicht zu tun.

Ihr persönliches Fazit?

Ich glaube, wenn Amy Winehouse beim Jazz und Hip-Hop geblieben wäre und vor einem kleinen, intimen Publikum von 50 Leuten gespielt hätte, wäre sie glücklicher geworden. Sie war kein Pop-Star.

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