"Willkommen Österreich" kam nicht an Kern vorbei

"Willkommen Österreich" kam nicht an Kern vorbei
SPÖ-Kanzler Christian Kern hatte zum zehnjährigen Jubiläum einen satirischen Gastauftritt als Gag-Kontrollor. Auch ansonsten ging es bei Stermann und Grissemann höchst politisch zu.

(*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des Fernsehabends*)

Der Anfangswitz sei das Wichtigste, sagten Stermann und Grissemann am Anfang ihrer Jubiläumsshow nach zehn Jahren "Willkommen Österreich" im ORF.

Und so ging der Jubiläums-Anfangswitz, vorgetragen von Dirk Stermann: "Die ÖVP(unterbrochen von Gelächter) … Wofür steht eigentlich die ÖVP heute? Viele glauben ja, ÖVP steht inzwischen für 'Salami Pizza Österreich.'" (Kein Gelächter)

Warum sagte er nicht: SPÖ?

Den Anfangswitz haben sie also "versemmelt", wie Stermann es ausdrückt.

"Django-Türkis"

Aber es blieb politisch: Die beiden beschäftigten sich unter anderem mit dem neuen Türkis der ÖVP, "der kältesten Farbe überhaupt". Christoph Grissemann fragte sich, für welches Türkis man sich entschieden habe, es gebe ja so viele Abstufungen. Unter anderem das "Django-Türkis, das ein netter Goldketterlträger aus Tunesien geschickt hat. Danke Oida!"

Der urlaubsreife Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner weilte zwar in Sardinien, dennoch war der Gag gelungen.

Auch die "Gags, Gags, Gags" gingen also zum Teil auf Kosten der ÖVP. Aber die Sendung sei sowieso ständig unter "Rotfunk"-Verdacht, erklärte Grissemann.

Wie es im "Rotfunk" so zugehe, wurde dann in einem gewohnt satirischen Zuspielfilm erklärt, in dem auch aufgelöst wurde, warum der Anfangswitz so dermaßen schlecht geriet.

Kern nimmt Gags ab: ÖVP statt SPÖ

In dem Beitrag wurden Stermann und Grissemann nach der Redaktionssitzung "hinauf zum Chef" geschickt. Aber nicht etwa ORF-General Alexander Wrabetz war in der nächsten Einstellung zu sehen (der saß im Jubiläumspublikum), sondern: Kanzler Christian Kern.

Dieser kontrollierte und zensierte die Witze der Show - und zwar mit gespielt ernster und strenger Miene ("Pscht, hab ich g'sagt!").

Die Gags seien ja im Grunde okay. Aber: Den Witz, SPÖ bedeute "Salami Pizza Österreich" "versteh ich nicht", teilte Kern mit mit und regte an, "den doch besser mit der ÖVP zu machen". Grissemann mit gespielter Begeisterung: "Das ist brillant. Das bricht mit Erwartungshaltungen und geht am Kern vorbei."

Grissemann versuchte es dennoch mit einem alternativen Witz: Vorm Kanzleramt sei ein Pensionist niedergefallen. Als Kern ihm aufhilft und ihn auffordert, dafür doch SPÖ zu wählen, teilt dieser mit: "Ich bin auf den Rücken gefallen, nicht auf den Kopf." Mit verständnislosem Kopfschütteln drehte der Kanzler auch diesen Gag ab - und die Kabarettisten zogen mit "Danke mein Kanzler" und einem Kompliment für die "schicke Hose" ab. "Ich weiß", kommentierte Kern danach noch trocken.

Auftritt im Vor-Wahlkampf

In Vorwahlzeiten könnte der Gastauftritt des SPÖ-Kanzlers auch für Fragen beim politischen Mitbewerber sorgen, wenn Kern in einer Unterhaltungsshow etwa sagen darf: "Mir kommt eher vor, bei der ÖVP weiß keiner, wofür die stehen." Mit satirischen Grüßen war bisher nur Heinz Fischer in "Willkommen Österreich" aufgefallen, und der war zumindest als Bundespräsident parteifrei.

Jedenfalls fand das Gastspiel gerade noch rechtzeitig vor der Intensivphase des Wahlkampfs statt. Zwei Monate vor Wahlen gilt in Unterhaltungssendungen des öffentlich-rechtlichen Senders nämlich de facto ein Auftrittsverbot für wahlwerbende Politiker. "Bis bald wieder bei mir im Bundeskanzleramt!", wie Kern heute auf Facebook postete, wird es also eher nicht spielen.

Parität

Für eine gewisse Parität sorgte ohnehin der nächste Einspielfilm: Der sonst so bissige Außenreporter Peter Klien sammelte brav Grußbotschaften von Vertretern aller Parlamentsparteien (außer Team Stronach) ein. Wobei sich der Obersteirer Peter Pilz (Grüne) bei maschek über seine oststeirische Lopatka-Stimme beschwerte, Andreas Schieder (SPÖ) wollte "den Deutschen" von der Sendung ausschließen, VP-Wirtschaftsminister Harald Mahrer erkundigte sich nach den Kosten der Show, Johann Gudenus (FPÖ) lobte die "Zwischentöne" bei den Heinz-Fischer-Parodie, während sich Neos-Chef Matthias Strolz gespielt angefressen zeigte, weil er immer im "Supergeil"-Stakkato-Sprech dargestellt werde.

Sebastian Kurz wird sich jedenfalls schwertun, seine Nichtberücksichtigung zu kritisieren. Bei den bisherigen Klien-Kontakten zog es der Neo-ÖVP-Chef stets vor, das Weite zu suchen.

Erdäpfelsalat

Politik, Politik, Politik also auch bei „Willkommen Österreich“.

Als wollte "der Deutsche" jede staatspolitische Tragweite der Show abrupt abwürgen, steckte Stermann dann einfach seinen grauen Wuschelkopf in eine Schüssel voll Erdäpfelsalat.

"Willkommen Österreich" kam nicht an Kern vorbei
Gar keine schlechte Idee, so auf den Gästeteil überzuleiten, in dem diesmal quasi " Müllers Büro" gespielt wurde. Nordlicht Ina Müller und Profiler Thomas Müller drehten den Spieß um, nahmen hinter dem Schreibtisch Platz und stellten den beiden Jubilaren die Fragen.

Nach fast eineinhalb Stunden blieb nur eine Frage offen: Wie lange werden die beiden das noch durchziehen? Klaas Heufer-Umlauf hatte in einer Grußbotschaft zwischendurch darauf hingewiesen, dass Joko und Klaas ihren "Circus Halligalli" bereits nach vier Jahren eingestampft haben.

In der schnelllebigen Fernsehwelt wirkt "Willkommen Österreich" dagegen fast schon wie ein alter Ozeandampfer.

Der erste Anfangswitz

Vor exakt zehn Jahren startete man noch als eine Art düstere Nachtversion des gleichnamigen, ehemaligen ORF-Vorabendfernsehens, bevor man das Konzept von "Willkommen Österreich" nach zehn Sendungen auf knalligen Late-Night-Talk mit russischer Band umgestellt hat.

Bei der ersten Ausgabe am 31. Mai 2007 brachten die beiden übrigens folgenden Anfangswitz:

"Das Fernsehelend hat viele Gesichter – Wie finden Sie unsere?"

Wenn sie nicht so erdäpfelgelb sind, wie gerade eben jenes von Dirk Stermann, dann sind sie tasächlich immer noch relativ frisch.

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