William Kentridge in Salzburg: Bilder, die durch die Zeit reisen
Irgendwann glaubt man, das Vokabular von William Kentridge zu kennen. Megaphone, Schreibmaschinen, Stative, Espressokannen und Flaggen tauchen im Werk des Südafrikaners immer wieder auf; häufig bilden Landkarten und Seiten historischer Bücher den Hintergrund für bewegte Zeichnungen, geben den Eindruck eines Daumenkinos: Kentridge erkennt man sofort.
Anders als bei vielen Markenzeichen-Künstlern ist es aber unmöglich, die Ästhetik irgendwann als durchschaut abzuheften: Denn während der Stapel der Werke beständig wächst, beharrt der Künstler auf der Unabgeschlossenheit. Ein Windstoß kann alles verblasen, und es wird wieder neu gezeichnet, gefilmt, collagiert.
Inmitten der Kulissen
Die Werkschau im Salzburger Museum der Moderne (MdM) am Mönchsberg unterstreicht diesen Charakter, indem sie eine Situation "hinter der Bühne" erzeugt. Sabine Theunissen – sie zeichnet auch für das Bühnenbild von Kentridges "Wozzeck"-Inszenierung in Salzburg verantwortlich – schuf separate Räume für sechs Installationen, ließ aber die Rückseiten der Stellwände blank. Manche Objekte, wie das aus einem Stativ und Fahrradteilen zusammengesetzte "Bicycle Wheel II" (2012), erscheinen nur halb ausgepackt, es stehen Transportkisten herum: Die Werkstatt, die in Kentridges wundersamer Filmreihe "7 Fragments for Georges Meliès" (2003) zum Hauptdarsteller wird, ist so auf die ganze Ausstellung ausgedehnt.
Kentridges Verdienst ist nicht zuletzt, im Rahmen einer durchaus monumentalen Bildkunst die Zeit als formbare Masse einzusetzen: Sprünge, Vor- und Rückblenden, die Aufschichtung historischer Dokumente und Objekte ergeben bei ihm eine Eigen-Zeit, die dazu beiträgt, dass man sich als Betrachter bereitwillig in seiner Welt verliert.
Kraftquelle Theater
Ab 1992 arbeitete Kentridge im Bereich des Puppentheaters, die "Zauberflöte" war 2004/’05 seine erste Operninszenierung. Die Schau bereitet diese Werkteile mithilfe von Requisiten, Modellen und Videos umfassend auf, einige Objekte weisen auf den Salzburger "Wozzeck" voraus: Auf das, was der wohl vollendetste Gesamtkünstler unserer Zeit für diese Produktion vorbereitet hat, darf man in jedem Fall gespannt sein.
INFO: Museum und Musik
Alban Bergs „Wozzeck“ in der Regie von William Kentridge hat am 8.8.2017 bei den Salzburger Festspielen Premiere. 2015 hatte Kentridge Bergs „Lulu“ in Amsterdam und New York inszeniert. 2014 visualisierte er Schuberts „Winterreise“ bei den Wiener Festwochen mit Markus Hinterhäuser am Klavier.
MdM-Werkschau: Bis 5.11. „Thick Time – Installationen und Inszenierungen“ ist im Museum der Moderne am Mönchsberg sowie im Rupertinum zu sehen. Eine Reihe von Schattenfiguren verbleibt dort ein Jahr im Atrium.
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