William Friedkin inszeniert in Wien

Das Düstere, Dämonische soll auch im Bühnenbild sichtbar werden: Michael Curry hat die Bühne geschaffen, die in dieser sehr filmisch angelegten Produktion wichtige Lichtregie stammt von Mark Jonathan.
Oscar-Preisträger William Friedkin inszeniert im Theater an der Wien "Les contes d’ Hoffmann". Eine Annäherung.

Wenn sich Filmregisseure an Opern versuchen, muss das nicht zwangsläufig auch gut gehen. Doch Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Und William Friedkin ist so eine Ausnahme. Im Theater an der Wien inszeniert der Oscar-Preisträger (für "French Connection") und Filmemacher (u. a. "Der Exorzist") Jacques Offenbachs "Les contes d’ Hoffmann". Premiere hat Friedkins Deutung von "Hoffmanns Erzählungen" morgen, Montag. Für Friedkin ist diese Oper auch "eine Reise zur Schattenseite der menschlichen Seele".

"Wir alle haben das Gute, aber auch das Dunkle in uns", sagt Friedkin. "Genau darum geht es auch in dieser Oper", meint der musikalisch Spätberufene. "Jacques Offenbach hat Champagner komponiert. E. T. A. Hoffmann aber war viel düsterer. Wenn man ,Die Elixiere des Teufels‘ liest, wird das klar", meint er. Und: "In meiner Interpretation steht Hoffmann zwischen zwei Welten. Hier die Muse, das Gute, das göttlich Gewollte. Dort das Böse, Vernichtende. Jeder Mensch hat das Böse ja in sich. Jeder von uns könnte auch ein Mörder sein. Die Frage ist nur: Lassen wir das Böse in uns zu oder nicht?"

Essen mit Folgen

William Friedkin inszeniert in Wien

Wie aber kam Friedkin überhaupt zur Oper? "Ich wurde kalt erwischt", sagt der Regisseur lachend. "Ich bin mit Dirigent Zubin Mehta befreundet. Eines Tages waren wir Abendessen. Plötzlich sagte Zubin: ,Willst du nicht einmal eine Oper inszenieren?‘ Ich wollte schnell abwehren und sagte: ,Wenn, dann nur Bergs ,Wozzeck‘ oder seine ,Lulu‘. Ich dachte, das Thema wäre damit durch. Aber Zubin verließ den Raum, kam kurz danach wieder und sagte: ,Okay. In zwei Jahren machen wir gemeinsam in Florenz den Wozzeck.‘ Dabei hatte ich vorher noch nie ein Opernhaus betreten."

Erfolg mit Folgen

Friedkins erste Inszenierung wurde 1998 in Florenz ein Hit. Seitdem schätzt der Amerikaner die Oper noch mehr. "Musik hat in meinem Leben immer schon eine große Rolle gespielt. Ich liebe es, mir Aufnahmen der großen Dirigenten anzuhören und zu vergleichen. Carlos Kleiber etwa war ein absoluter Gott."

Vieles hat Friedkin auf der Opernbühne schon inszeniert. Was noch fehlt? "Ein ,Don Giovanni‘ würde mich reizen. Oder Wagners ,Ring des Nibelungen‘. Ob ich dem aber gewachsen wäre?"

Konkrete Pläne hat der in vierter Ehe mit US-Produzentin Sherry Lansing verheiratete Künstler in Sachen Oper aber keine. "Ich muss nach ,Hoffmann‘ meine Memoiren fertigschreiben. Ich bin da in Verzug, und mein Verleger sitzt mir im Nacken. Außerdem präsentiere ich meinen neuen Film ,Killer Joe‘. Wie fast alle meine Filme haben ihn die Amerikaner schon wieder auf den Erwachsenen-Index gesetzt."

Friedkin weiter: "Hollywood hat überhaupt ein Problem. Früher hat ein Studio um 200 Millionen Dollar 40 bis 50 Filme pro Jahr produziert, heute steckt man die 200 Millionen in einen einzigen Film. Der muss dann natürlich massentauglich sein. Aber ganz ehrlich: Massentauglichkeit interessiert mich gar nicht."

Kurt Streit: Handwerker mit toller Stimme

Er ist der Hoffmann in Jacques Offenbachs Oper und er zählt zu den wesentlichen Sängern des Theater an der Wien: Der amerikanische Tenor Kurt Streit. "Mein erster Hoffmann", sagt Streit, der um seine Verantwortung weiß. "Die Rolle ist nicht unbedingt einfach, aber stimmlich machbar. Außerdem bin ich mit 52 für den Hoffmann jetzt im richtigen Alter. Einen Romeo würde ich jetzt nicht mehr machen", sagt Streit lachend. Denn: "Das wäre doch einfach lächerlich."

GetriebenAlso Hoffmann, der für Streit "ein Getriebener, ein Liebessuchender" ist. "Hoffmann durchläuft einen psychologischen Prozess, er macht eine Entwicklung durch. Jede neue Liebe ist zum Scheitern verurteilt. Am Ende muss er erkennen, dass er zum Schreiben geboren ist."

Die Arbeit mit William Friedkin und seinen Kollegen (u. a. Mari Eriksmoen, Juanita Lascarro, Angel Blu, Roxana Constantinescu und Aris Agiris) sei ein "großes Erlebnis". Wie das Theater an der Wien "ja meine künstlerische Heimat ist." Im Dezember wird Kurt Streit an der Wien Paul Hindemiths "Mathis der Maler" singen, wieder eine neue Rolle. "An die 200 oder 300 Partien habe ich im Repertoire. Neu ist auch der Loge im ,Rheingold‘."

GeerdetWie Streit das alles schafft? "Man sollte immer wissen, was im jeweiligen Moment gut für die Stimme ist und was nicht. Dann kann man auch ein Repertoire vom Barock bis in die Gegenwart bewältigen. Außerdem sollte man auf dem Boden bleiben, geerdet sein", sagt der mit der Sopranistin Jane Archibald verheiratete Familienvater.

Wie aber bleibt man am Boden, wenn man sich in so viele Operncharaktere hineinversetzen muss? "Ich habe ein ganz großes Hobby. Ich liebe das Handwerk. Ich baue Tische, Regale, Möbel, alles Mögliche, immer selbst. Das bringt mich auf andere Gedanken und ist noch dazu praktisch. Man spart Geld", sagt der österreichische Staatsbürger lachend.

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