Wilde Hilde, Heldenplatz und Hawlicek

Wilde Hilde, Heldenplatz und Hawlicek
Trenklers Tratsch: Hilde Hawlicek feiert am 14. April ihren 75. Geburtstag. Von 1987 bis 1990, als sie Unterrichtsministerin war, tanzte die Kulturpolitik Boogie-Woogie.

In der Regel fällt einem sogleich Rudolf Scholten ein, wenn es um die goldene Ära sozialdemokratischer Kulturpolitik geht. Auch Wikipedia bezeichnet ihn als "prägenden Kulturpolitiker des Landes". Das mag unter anderem daran liegen, dass der feingliedrige Banker, Kulturminister von 1990 bis 1997, als kosmopolitischer Intellektueller gilt. Hilde Hawlicek hingegen, seiner unmittelbaren Vorgängerin, haftet etwas Tantenhaftes an. Was zur Folge hat, dass ihre Leistungen – wie jene von Fred Sinowatz – weniger gewürdigt werden. Ungerechterweise.

Die Wienerin, die am Freitag (14. April), ihren 75. Geburtstag feiert, engagierte sich bereits im Verband sozialistischer Mittelschüler, wo sie Heinz Fischer und Karl Blecha kennenlernte, und später im Verband Sozialistischer Studenten Österreichs (VSStÖ). Nach dem Lehramtsstudium unterrichtete sie drei Jahre lang, mit Beginn der Alleinregierung von Bruno Kreisky 1971 zog sie ins Parlament ein: zunächst als Bundesrätin, dann als Abgeordnete zum Nationalrat. Von 1987 bis 1990, in der Regierung Franz Vranitzky, war sie Ministerin für Unterricht, Kunst und Sport. Damals ließ sich viel bewegen. Und manche ihrer Entscheidungen sorgten für unglaubliche Debatten mit der ÖVP.

Hawlicek, die früher gerne Boogie-Woogie tanzte und von ihren Genossen "die wilde Hilde" gerufen wurde, kämpfte für Ganztagsschule und Chancengleichheit. Schulversuche sollten zur Regelform werden, Mädchen wurden endlich zu allen Schultypen zugelassen, das Wort "Handarbeiten" ließ Hawlicek durch "Textiles Werken" ersetzen. Zudem gelang es ihr, das Minderheitenschulgesetz zu novellieren.

Wirklich rund ging es aber in der Kultur. Denn Hilde Hawlicek bestellte nicht nur Eberhard Waechter, der früh starb, und Ioan Holender zum Leitungsduo der Staatsoper, sondern verlängerte auch den Vertrag von Burgtheaterdirektor Claus Peymann, den ihr Vorgänger Helmut Zilk auf Anraten von Ursula Pasterk nach Wien geholt hatte. Als dann "Heldenplatz" von Thomas Bernhard uraufgeführt werden sollte, gab es Kampf pur. Skurrilerweise erregten sich vor allem die Bürgerlichen – obwohl Bernhards Text hart die SPÖ kritisierte. Diverse Politiker forderten ein Aufführungsverbot, die Proto-Grünen forderten die Absetzung von Peymann, aber Hawlicek hielt dagegen: Es werde "keine Zensur" geben. Und mehrfach ermunterte sie den angefeindeten Piefke: "Peymann, Sie müssen durchhalten!"

Wenig später ließ sie sich vom Kulturmanager Hans Landesmann überzeugen – und ernannte Gerard Mortier zum Intendanten der Salzburger Festspiele: Als Nachfolger Herbert von Karajans öffnete er das Festival ab 1991 für weniger Betuchte – und er erneuerte es radikal. In der Amtszeit von Hawlicek wurde zudem das Kunstförderungsgesetz beschlossen, die Vision lautete "Kultur für alle", es ging um die Gründung von dezentralen Kulturinitiativen, und als Förderinstrument diente die Gießkanne. Denn das Kulturbudget stieg rasant an, es konnten auch all die kulturellen und künstlerischen Pflänzchen gegossen werden, die nie zu blühen beginnen sollten. Und jeder war zufrieden.

Erste Sparpakete gab es erst nach der Ära Scholten. Kunststaatssekretär Peter Wittmann überlegte daher die Abkehr vom Gießkannenprinzip, was Hawlicek als Verrat an den sozialdemokratischen Grundsätzen ansah. Die Kulturpolitik benötige keine "Macher", sondern Menschen mit Respekt gegenüber den Künstlern, sagte sie. Aber die Zeiten hatten sich unwiderruflich geändert.

Und nun schwelgt Hawlicek in Erinnerungen. Vor einer Woche fand im Parlament ein Symposion statt, das die der SPÖ nahestehende Gesellschaft für Kulturpolitik zu Ehren ihrer langjährigen Präsidentin ausgerichtet hatte. Das "erste Hawlicek-Symposion" war sehr lieb gemeint, aber – um einen Ausdruck von Hawlicek zu gebrauchen – "ein Scherzerl". Denn man lud keine andersdenkenden Menschen ein, folglich gab es auch keine Diskussionen. Und das Gros der Vereinsmitglieder ist mit Hawlicek gealtert. SPÖ-Kultursprecherin Elisabeth Hakel, die neue Präsidentin, agiert mit ihren 39 Jahren quasi als rührige Pflegerin im Pensionistenheim.

Großmutter Hawlicek aber bleibt die "wilde Hilde": Theaterbegeistert ist sie nach wie vor jede Woche auf der Piste.

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