Wiener Symphoniker: Stadtrechnungshof fordert weitere Sparmaßnahmen

Wiener Symphoniker
Musikerzahl soll reduziert und die Stundenleistung erhöht werden - mit ausführlichem Symphoniker-Statement

Der Stadtrechnungshof hat die Wiener Symphoniker geprüft und empfiehlt ihnen u.a., die Stundenverpflichtungen der Musiker zu erhöhen und die Zahl der Musiker zu verringern. Ebenso sollten nicht geleistete Dienste leichter in die Folgemonate übertragen werden können. Bei den Pensionen, die in der Vergangenheit das Orchester finanziell über die Maßen belastet haben, erkennt der Rechnungshof Reformen an; diese Zahlungen werden laut Orchester aber vorerst noch weiter steigen, da Musiker mit bestehenden Verträgen in Pension gehen werden.

Das Orchester hält dagegen: Eine Erhöhung der Arbeitsleistung einzelner Musiker über den Vergleichswert anderer Wiener Orchester hinaus wäre eine "gravierende Schlechterstellung der Wiener Symphoniker im Orchester-Wettbewerb". Es handle sich dabei - ebenso wie die Zahl der Musiker - auch nicht um eine Frage der Gebarung, sondern um eine "weitreichende künstlerische Entscheidung", die dem Kulturamt vorbehalten sein sollte. Der Stadtrechnungshof widerspricht dieser Ansicht. Und hält fest: Sollte eine Bespielung der Bregenzer Festspiele dann nicht mehr möglich sein - wie vom Orchester dargelegt -, würden auch die entsprechenden Verluste entfallen.

Der Rechnungshof legt dem Orchester nahe, über mehrere Vertragsdetails, etwa die Erschwerniszulage oder Jubiläumsgelder, Verhandlungen mit der Gewerkschaft aufzunehmen, um die Kosten künftig zu reduzieren. Ebenso soll das Orchester das eigene Label aufgeben, wenn sich das Kaufinteresse nicht steigern ließe (was aber laut Symphonikern nur knapp 5000 Euro Verlust brachte). Auch sollen von den Wiener Veranstaltern Einnahmensteigerungen ausverhandelt werden. Der Rechnungshof erkennt an, dass dem neuen Intendanten die "dringende Handlungsnotwendigkeit für die Reform des Vereins Wiener Symphoniker bewusst" war.

Das Orchester pocht auf bereits getätigte Reformen, im neuen Gehaltsschema würde das Lebenseinkommen der Musiker um 250.000 Euro sinken. 2015 wurde der Orchesterkollektivvertrag geändert. "In vier, fünf Jahren schafft man nicht alles aus der Welt, was es an Veränderungsbedarf gibt", sagte der neue Intendant, Johannes Neubert, heuer in einem KURIER-Interview. Knapp 16 Prozent der Subvention müssen die Symphoniker bereits für Pensionen ausgeben. Der Höhepunkt dürfte erst 2027 mit 3,1 Millionen Euro erreicht sein, prognostiziert Neubert. "Daran kann ich leider nichts ändern."

Die Vorgeschichte

Ende 2006 veröffentlichte das damalige Kontrollamt einen Bericht über die Wiener Symphoniker, der es in sich hatte. Denn dem kommunalen Orchester drohte ein Finanzierungskollaps – aufgrund "automatischer Gehaltserhöhungen", einer "nicht ausreichend sparsamen Gebarung" und eher erfolglosen Marketingaktivitäten. Der Bilanzverlust war 2005 auf beachtliche 46,1 Millionen Euro angewachsen. Die Symphoniker hatten es zudem – entgegen der Vereinbarung mit der Stadt – nicht geschafft, einen Eigendeckungsgrad von 25 Prozent auch nur annähernd zu erreichen. 2004 zum Beispiel lag er bei 15,1 Prozent.

Bis zum Jahr 2006 wurde jedem neu eingetretenen Musiker vertraglich eine Zusatzpension zugesichert. Damals spielte Sparsamkeit eine geringere Rolle: Bis zum Abgang von Ursula Pasterk im Jahr 1996 war der Kulturstadtrat automatisch Präsident der Symphoniker – und gewährte viele Gehaltserhöhungen.

In den letzten Jahren gelang es zumindest, das "Definitivum", eine Art Pragmatisierung, abzuschaffen. Für alle ab 2015 eingestellte Musikerinnen und Musiker wurde ein zeitgemäßes Gehaltsschema (höheres Einstiegsgehalt, geringere Steigerungen) eingeführt und die zuvor freiwillig ausbezahlte Abfertigung in der Höhe eines Jahresgehalts gestrichen.

Es gibt nun keine Zulage mehr, wenn die Musiker Opern spielen; als Vordienstzeiten werden nur mehr maximal sechs Jahre angerechnet; Fototermine haben unbezahlt zu erfolgen; und durch strengere Regelungen konnten die Reiseabrechnungen der Musiker um etwa 25 Prozent reduziert werden.

Statement der Wiener Symphoniker

Der Intendant Johannes Neubert beantwortete Fragen des KURIER zum Stadtrechnungshof-Bericht.

Die Reduzierung der Musikerzahl, die im Bericht gefordert wird, würde laut Symphonikern die Auftritte in Bregenz gefährden. Ist es eine reale Möglichkeit, dass die Symphoniker dort nicht mehr spielen, oder eine Drohgebärde?

Um Missverständnissen vorzubeugen: es ging in unserer Entgegnung nicht um das Engagement bei den Bregenzer Festspielen per se, sondern um den Fakt, dass mit einer reduzierten Musikerzahl Parallelbespielungen nicht möglich sein werden. Das hieße bei den Bregenzer Festspielen, dass wir mit einer verminderten Orchesterstärke nicht gleichzeitig Haus- und Seeoper sowie Orchesterkonzerte spielen könnten. Das würde aber natürlich zu Einnahmeverlusten führen - zudem zu einer Minderauslastung der verbleibenden Musiker. Ebenso wären Parallelbespielungen in Wien nicht mehr möglich, wie z.B. heute Abend in Musikverein und Konzerthaus oder im weiteren Verlauf des Monats mit Theater an der Wien und Konzerthaus.

Ist die künstlerische Position der Symphoniker durch die Sparmaßnahmen und die weiteren Spar-Empfehlungen gefährdet?

Eine Reduzierung der Orchesterstärke würde aus unserer Sicht sicherlich zu einer Gefährdung der künstlerische Position führen. Sie hätte aber auch wie oben geschildert, finanzielle Einbußen zur Folge. Die Reduktion der Orchesterbesetzung, die ohnehin nur schrittweise erfolgen könnte, da das Verhältnis der Stimmgruppen ausgewogen bleiben muss, brächte zudem auch ausgabenseitig deutlich weniger Einsparungen für die öffentliche Hand als gemeinhin angenommen. Die Wiener Symphoniker haben einen Personalkostenanteil von über 84%; ca. 65% der Subventionen für den Orchesterbetrieb fließen in Form von Steuern, SV-Beiträgen und weiteren Abgaben an die öffentliche Hand zurück bzw. in das Sozialsystem. Darüber hinaus müsste auch die Anzahl der Auftritte in Wien reduziert werden. Dies brächte wiederum Einbußen für die Wiener Veranstalter mit sich – der durch die Subventionen an die Wiener Symphoniker abgedeckte Arbeitskosten-Transfer („Quersubvention“) beträgt jährlich ca. EUR 4,5 Mio. Weitere Einbußen ergäben sich durch eine sinkende Umweg-Rentabilität, z.B. Gastronomie und Fremdenverkehr.

Wenn die Pensionszahlungen noch, wie das Orchester selbst sagt, jahrelang steigen – ist der Verein nach wie vor finanziell gefährdet? Der Rechnungshof beharrt ja auf dem Begriff „prekär“.

Der Rechnungshof hat unsere Stellungnahme als Kritik an der Wortwahl „prekär“ missverstanden. Darum geht es jedoch nicht. Kritikpunkt unsererseits ist, dass nicht zwischen Orchesterbetrieb und Pensionsverpflichtungen unterschieden wird. Die Pensionsverpflichtungen sind ohne Zweifel ein Problem, dass kurzfristig jedoch nicht lösbar ist, sondern nur langfristig. Die entsprechenden Maßnahmen wurden gesetzt: Die Pensionsregelung wurde 2006 gekündigt; diese läuft also aus, die Zahlungen werden langfristig somit auf Null sinken. Alle seit 2006 angestellten MusikerInnen werden keine Zusatzpension erhalten. Weiters wurden 2015 bei den noch verbliebenen Berechtigten Anpassungen an die Pensionsreform der Stadt Wien vorgenommen. Die derzeitige Dynamik entsteht vor allem dadurch, dass weniger Pensionsleistungen durch Todesfall entfallen als neu durch Pensionsantritte hinzukommen. Im Ergebnis werden die Pensionszahlung weitere zehn Jahre steigen, dann stagnieren und anschließend langfristig auf Null zurückgehen. Der Stadtrechnungshof macht hingegen auch das Gehaltsschema des Orchesters für die prekäre Lage verantwortlich. Diese Feststellung halten wir für falsch. Der Orchesterbetrieb ist auch im internationalen Vergleich absolut darstellbar, sowohl hinsichtlich der Höhe der Gehälter, der Höhe der Subvention, der Eigendeckung, der Anzahl der Auftritte wie auch der Besucherzahlen.

Ist es realistisch, bei den Wiener Veranstaltern höhere Gagen herausverhandeln zu können? Oder sonst wo höhere Einnahmen zu erhalten?

Dies wird nur in sehr eingeschränktem Maße möglich. Mit dem Konzerthaus konnten wir im Rahmen einer vertieften Kooperation bereits Verbesserungen erzielen. Allerdings mussten die Wiener Veranstalter in den vergangenen Jahren teils massive Subventionskürzungen hinnehmen und werden sich daher vehement gegen eine Erhöhung unserer sehr geringen Honorartarife wehren. Das Wiener Modell ist ja auch kulturpolitisch so gewollt, wie der Rechnungshof im Bericht vermerkt, man muss die Situation des Wiener Konzertbetriebs also ganzheitlich sehen. Hinzuweisen ist aber darauf, dass der Eigendeckungsgrad unseres Orchesterbetriebs von mehr als 31% in 2016 bereits jetzt ein international erstklassiger Wert ist. Aber natürlich bemühen wir uns ständig um weitere Einnahmesteigerungen, auch über Spenden und Sponsoring.

Arbeitet man mit der Wiener Politik an einer Option zur Bereinigung der Situation, sprich: nicht einer Garantie im Konkursfall, sondern an einer Schuldentilgung?

Leider erweckt der Bericht den Eindruck, die Wiener Symphoniker hätten Schulden. Das Orchester hat keinerlei Schulden im Sinne von Krediten oder sonstigen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten. Dies wird oft mit dem sog. Bilanzverlust verwechselt. Dieser entsteht, da das Orchester in der Bilanz Personalrückstellungen bilden muss, davon entfallen 90% auf zukünftige Pensionsverpflichtungen. Dem steht die Garantieerklärung der Stadt Wien aus dem Jahr 2005 gegenüber, die in der Bilanz allerdings nicht dargestellt werden kann. Daher der ausgewiesene Bilanzverlust. Aus unserer Sicht hat die Gemeinde Wien aus nachvollziehbaren Gründen entschieden, eine Garantie abzugeben, anstatt das Orchester mit Finanzmitteln auszustatten, die dann in Wertpapieren angelegt werden um ausgeglichen bilanzieren zu können. Das war sicher auch im Interesse des Steuerzahlers. Man wird die Konstruktion vermutlich noch einmal hinterfragen, da sich erneut zeigt, dass die dadurch entstehende Bilanzoptik schwer vermittelbar ist. Die Steigerung des Bilanzverlusts 2012 zu 2015 erklärt sich übrigens durch die zweimalige Absenkung des Zinssatzes in der Berechnung der Pensionsrückstellungen (2013 und 2015). Hierzu wird es in den kommenden Jahren, bei wieder steigendem Zinsniveau, auch gegenläufige Entwicklungen geben. Auf den Subventionsbedarf des Orchesters, der ausschließlich nach unmittelbar zahlungswirksamen Gesichtspunkten ermittelt wird, hat dies keinen Einfluss.

In vielen Punkten fordert der Rechnungshof Gespräche mit der Gewerkschaft. Gibt es die schon?

Prinzipiell steht die Geschäftsführung in ständigen Austausch mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft. Konkret wurde auch bereits ein Verhandlungstermin vereinbart.

Fühlen Sie sich durch die Prüfung fair behandelt? Wie ist es mit der Diskrepanz zwischen der Rechnungshof-Sicht und künstlerischen Fragen, setzt sich da das Kulturamt durch?

Grundsätzlich ist ein Prüfbericht zu akzeptieren. Die Kollegen des Stadtrechnungshofs haben ihren Job gemacht. Daran gibt es nichts zu kritisieren. Der Bericht stellt in vieler Hinsicht ein für uns wichtiges Korrektivum dar mit einer ganzen Reihe von Empfehlungen, die wir schnell umsetzen können. Einige Empfehlungen sind zudem nicht nur berechtigt sondern bestätigen auch unsere Sichtweise. Wir sehen im Bericht allerdings auch Widersprüchlichkeiten. Und es gibt schon auch Empfehlungen, die sich aus unserer Sicht eigentlich bereits erübrigt haben, da bereits vor der Prüfung gehandelt worden war. Allein sechs Empfehlungen beziehen sich auf Probleme mit dem bereits abgeschafften Eigenticketing. Nicht immer wurde auf unsere Einwände und Vorschläge - bspw. die Auswirkungen der eingeleiteten Reformschritte mit der Situation internationaler Orchester zu vergleichen - eingegangen. Aufgestoßen ist uns auch der erweckte Eindruck, dass die finanziellen Herausforderungen auf das Gehaltsschema zurückzuführen seien. Dem müssen wir vehement widersprechen.

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