Oper im Oman: "Erotische Szenen sind nicht erlaubt"

Aida Garifullina auf der Bühne im Oman
Sängerin Aida Garifullina über das aufwendige Gastspiel, neues Publikum und künftige Rollen.

Nicht nur die Kunstmuseen – mit u. a. dem neuen Guggenheim in Abu Dhabi – suchen Standbeine im Nahen Osten. Auch die Opernwelt richtet den Blick auf jene Länder, die mit Öl reich geworden sind – und die sich nun mit Tourismus und Kultur auf die Zeit nach dem Versiegen dieser Geldquelle rüsten.

So ist im Oman ein prächtiges Opernhaus mit 1100 Sitzplätzen entstanden. Die Staatsoper gastierte heuer (nach 2013) zum zweiten Mal dort. Mit auf Reisen: Sopranistin Aida Garifullina, die in Massenets "Werther" die Sophie sang.

KURIER: Wie war es im Oman?

Aida Garifullina: Das Land, die Stadt Muscat sind sehr positiv, falls man das über eine Stadt sagen kann. Die Menschen dort sind gläubig und sehr offen. Es ist ein wunderschönes Opernhaus. Wir waren alle verwundert, wie schön das ist, so orientalisch. So ein Opernhaus habe ich noch nie gesehen. Es war sehr angenehm, dort zu singen. Und es war voll. Es hat uns gefreut, dass die Menschen im Nahen Osten auch Opern lieben.

KURIER: Das ist ja etwas Neues: Dass dort ein neues Zentrum für Oper entsteht. Ist das Publikum dort anders? Man würde annehmen, dass die Werke des westlichen Repertoires dort noch nicht so bekannt sind wie hier.

Das merkt man schon. Aber das macht nichts. Es ist schön, dass die Menschen Interesse haben. Sie möchten sich bekannt machen mit der Musik. Es ist sehr schwer, das Publikum mit europäischem oder speziell mit dem Wiener Publikum zu vergleichen. Das Wiener Publikum kennt alle Stücke, es weiß, nach welcher Arie man klatschen soll. Das muslimische Publikum ist ein bisschen zurückhaltender. Und ein bisschen weniger emotionell. Sie schreien nicht "Bravi", es ist eher alles dezent. Aber wir haben schöne Energie zurückbekommen. Es sah so aus, dass das Publikum das gemocht hat. Es war eine schöne Zeit.

Das Gastspiel war sicher ein gewaltiger Aufwand.

Ja! Das ganze Orchester, der Kinderchor, die technische Mannschaft – alle aus Wien. Das ist ein großes Projekt. Aber es ist schön, dass die Wiener Staatsoper solche Gastspiele macht und auch ihre Solisten aus dem Ensemble präsentiert.

Jetzt geht es ja in den Opern oft um ganz arge Sachen – Mord, Betrug, Erotik. Ist das eine Frage, mit welchen Stücken man solche Gastspiele überhaupt machen kann? Es wird im Oman nicht alles möglich sein.

Natürlich wird man sich überlegen, welche Produktionen in Ländern wie Saudi-Arabien oder den Emiraten überhaupt infrage kommen. Und es kommt vor, dass man etwas ändern muss. Die Frauen müssen sich bedecken, wir dürfen keine kurzen Kleider tragen. Die Regeln sind sehr streng, aber dort normal. Im Oman ist es wohl strenger als etwa in Dubai, das schon sehr europäisch ist. Man darf dort fast alles, im Oman nicht. Die Mordszene im "Werther" am Ende war beispielsweise okay. Ich musste auch auf der Bühne meine Arme bedecken. Liebesszenen müssen weniger offen sein, erotische Szenen sind nicht erlaubt.

Empfinden Sie das als Problem?

Das ist eine Entscheidung. Der Sultan hat dieses Opernhaus für die eigenen Menschen gebaut. Für Menschen aus Saudi-Arabien, dem Oman, die Oper mögen oder kennenlernen wollen. Es ist kein weltbekanntes Opernhaus. Es ist normal, dass diese Menschen ihre eigenen Regeln behalten, sie müssen es nicht machen wie der Rest der Welt. Wenn sie etwas Offeneres sehen wollen, fliegen sie einfach nach Europa. Es gibt keine Grenzen.

Glauben Sie, das wird einmal ein weltbekanntes Opernhaus?

Auch die Metropolitan Opera hat viele Jahre gebraucht, um weltberühmt zu werden. Das Opernhaus im Oman ist noch ziemlich jung. Es wird von den Menschen abhängen, ob das Haus berühmter wird. Es muss eine Kompanie aufgebaut werden, ein Repertoire entstehen. Aber alles ist möglich – es kann sein, dass das Haus berühmt wird. Das wäre schön.

Sie haben in Wien zuletzt die "Tri sestri"-Premiere gesungen. Wie geht es denn bei Ihnen weiter?

Im Juni singe ich die Norina im "Don Pasquale". Im Juli haben wir ein großes Konzert mit Juan Diego Flórez unter dem Eiffelturm in Paris – am 14. Juli. In der nächsten Saison kommen große Rollen! An der Wiener Staatsoper die Gilda im "Rigoletto" (Juni 2017) und im Jänner und Februar "Roméo et Juliette" mit bekannten Kollegen. Ich werde eine Premiere in Paris an der Opera de Bastille singen, "Schneeflöckchen" von Rimski-Korsakow. Es sind fast alle Rollen für mich neu, große Rollen. Ich bin sehr gespannt! Ich werde auch die Mimi singen – aber ich darf noch nicht sagen, wo. Da werde ich so früh wie möglich anfangen, mich vorzubereiten. Und das "Schneeflöckchen" wollte ich immer singen: Die erste Arie war immer mein Liebling und hat mir gute Erfolge gebracht.

Ist man da sehr unter Druck, wenn man so viele Rollen so schnell lernen muss?

Bis jetzt hatte ich keine Probleme. Am Anfang hatte ich zwei Monate Zeit für eine Rolle, jetzt habe ich viel weniger. Man hat immer Zeit – außer man fängt im letzten Moment an, aber dann ist man selber schuld (lacht). Und man lernt, sich Rollen schneller anzueignen. Anfangs brauchte ich einen Monat Zeit, um eine Inszenierung zu lernen. Jetzt geht das in maximal fünf Tagen.

Müssen Sie im Alltag sehr auf die Stimme aufpassen?

Das dachte ich früher, ich habe mir viele Gedanken gemacht – was man nicht darf. Aber das ist sehr individuell. Ich weiß, was mir guttut. Und damit versuche ich zu leben.

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