"Three Kingdoms" im Theater an der Wien
Ein Frauenkopf wird ans Ufer der Londoner Themse gespült. Scotland Yard identifiziert ihn als zu einer (nun toten) Pornodarstellerin gehörend. Und weil deren letzter Film in einem Bordell an einer deutsch-osteuropäischen Grenze gedreht wurde, brechen zwei britische Kommissare, bald in Begleitung eines dritten aus Dresden, Richtung Estland auf.
Eine Abenteuerreise ins Rotlichtmilieu. Eigentlich: Eine aberwitzige Parabel über den Zustand Europas.
So etwas entsteht, wenn Erfolgsdramatiker Simon Stephens Lust hat, einen Krimi zu schreiben. Natürlich fürs Theater. "Three Kingdoms" heißt die Produktion, die am 12. Juni im Rahmen der Wiener Festwochen im Theater an der Wien Österreich-Premiere hat. Sebastian Nübling hat inszeniert. Es ist sein fünfter Stephens.
Sein Flugstunden-intensivster. Einer musste ja das Theater NO99 aus Tallinn, Nick Tennant und Ferdy Roberts vom Lyric Hammersmith Theatre London und Steven Scharf von den Münchner Kammerspielen zusammenbringen.
Kurvige Strecke
Nübling lacht. "Wir haben von England bis Estland eine ziemlich kurvige Strecke genommen. Aber Simon wollte unbedingt etwas für ein gemischtes Ensemble schreiben. Ihn interessierte die Reibungsfläche der unterschiedlichen Theaterauffassungen, mich die Sprachmischung." Gespielt wird in Englisch, Deutsch, Estnisch.
Babylonische Sprachverwirrung bei den Proben? Gab es keine. Auch Klischeefallen wurden elegant umschifft: "Die Schauspieler haben Nationalstereotype geschickt konterkariert." Gut, die Briten sind für ihre an Shakespeare geschulte Texttreue bekannt, das Theater NO99 für seine körperbetonten, stets das Absurde ins Spiel bringenden Arbeiten. Die Deutschen – irgendwo in der Mitte. Wo man sich schließlich traf.
An den Produktionsstätten wurde die Arbeit schon gezeigt. Die Publikumsreaktionen? "In den Sälen waren schon sehr unterschiedliche Atmosphären zu spüren. Die Esten nahmen regen Anteil an der Repräsentation ihres Landes. Das Münchner Publikum amüsierte sich darüber, wie die britischen Polizisten mehr und mehr in die Klemme geraten, in London zündete der Sprachwitz."
Sein Fazit: "Es brauchte von allen Seiten viel guten Willen, das zu organisieren", so Nübling. " Ich habe jedenfalls Erfahrungen gesammelt. Etwa darüber, was für mich selbstverständlich, für andere aber befremdlich ist."
Und er weiß nun, wo Europa funktioniert. Am Theater.
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