Welthauptstadt der Weltkugeln

Welthauptstadt der Weltkugeln
Wie Wien und das Globenmuseum eher zufällig zum Globenkunde-Zentrum wurden.

Charlie Chaplin tanzte als der große Diktator mit der Weltkugel. Konrad Adenauer hatte einen Globus in seinem Frühstückszimmer. Und ein mehr als 300 Jahre altes Erdglobus-Prachtexemplar vom Minoritenpater Vincenzo Coronelli (1615-1718) aus Venedig, einem der bedeutendsten Vertreter barocker Globenkunst, steht im Prunksaal der österreichischen Nationalbibliothek.

Weltweit einzigartig ist das 2005 neu eingerichtete Globenmuseum in der Beletage des barocken Palais Mollard in der Wiener Herrengasse – und eine Erfolgsgeschichte. „Wir haben bereits 20.000 Besucher jährlich“, freut sich Direktor Jan Mokre, „mehr, als ich mir vor ein paar Jahren in meinen kühnsten Träumen erhofft hatte.“

Phänomen Globus

Globen stehen für Handwerkskunst, für Wissen und Bildung. Für den Museumsdirektor Mokre ist ein Globus vor allem „ein Objekt, das Freude macht. Freude, sich damit zu beschäftigen – es zu betrachten, zu erforschen, zu dokumentieren, zu bewahren“.

Man sollte annehmen, dass Seefahrer-Nationen wie England oder Spanien auch federführend auf dem Gebiet wären. Mokre: „Aber die Spanier haben überhaupt keine Sammlungen alter Globen und spielen auch keine Rolle in der Globenkunde.“

Offenbar haben andere Kontinente erobert, in Wien wurde gesammelt. Hier war der Globus im Zentrum eines großen Reiches nicht nur wissenschaftliches Instrument, sondern hauptsächlich Statussymbol und wertvoller kunstgewerblicher Gegenstand. „Sogar der Reichsapfel der Herrscher“, so Mokre im KURIER-Gespräch, „war nichts anderes als ein Globus.“

Später gab es begabte Netzwerker und enthusiastische Sammler wie den in den 1960er-Jahren verstorbenen Privatgelehrten Robert Haardt, der unermüdlich die Idee der öffentlichen Präsentation seiner Schätze propagierte.

Heute entführen im Globenmuseum mehr als 250 Erd-, Himmels-, Mond- und Planetengloben sowie Amillarsphären – Vorläufer der Plantearien – und weitere wissenschaftliche Instrumente in eine nicht alltägliche Betrachtungsweise der Welt und ihrer Gestirne.

Überraschend ist die Vielfalt der hier versammelten „Zeitzeugen“, die ein sich ständig veränderndes Weltbild zeigen und dort anknüpfen, wo Pioniere wie Kolumbus, Magellan und Sir Franzis Drake begannen, die „Weltsicht“ der Menschen zu ändern.

Der berühmte Erdglobus des Kartografen Gerard Mercator aus dem Jahr 1541 lässt sich einmal in der Vitrine rundum anschauen. Außerdem mit dem Finger drehen und im Detail betrachten kann jeder die patinierte Weltkugel auf einem großen Bildschirm davor: Da lassen sich mit dem Touchscreen auf dem digitalen 3-D-Faksimile einzelne Regionen so vergrößern, dass Städte, Flüsse, Küsten noch genauer zu sehen sind als auf dem Original.

Im letzten Raum werden Exponate bedeutender Privatsammler gezeigt. „Barocke Globen aus Italien und die wunderbaren frühen niederländischen Globen, die auch Kunstwerke sind“, begeistern Peter E. Allmayer-Beck, der durch seine Familie zu ein paar Globen kam und den Besitz mit Leidenschaft sukzessive auf rund 100 Exemplare erweiterte: „Über ein Unikat – einen Himmelsglobus aus dem Jahr 1713 – hat eine deutsche Studentin jetzt sogar eine Masterarbeit geschrieben.“

Mitunter braucht’s auch Glück, Preziosen heil durch Weltkriege zu bringen. „Die Russen haben die Wohnung meiner Eltern verwüstet, in der Bibliothek herumgeschossen und die bedeutende Schellack-Sammlung meiner Mutter mutwillig zertrümmert“, so Allmayer-Beck. „Aber die herumstehenden Globen, das ist für mich bis heute ein Wunder, haben sie nicht angerührt.“

Globenmuseum

Dauerausstellung: Vom Bestand, etwa 700 Objekten, sind ca. 250 zu sehen: wert- volle Erd- und Himmelsgloben, Globen des Erdmondes und verschiedener Planeten etc. Höhepunkt ist u. a. der Erdglobus des Niederländers Gemma Frisius, ein Unikat aus dem Jahre 1536. Seit der Neupräsentation 2005 kann man sich auch interaktiv an Computerterminals und einem virtuellen Globus mit der Materie auseinander setzen.

Wann & Wo: Palais Mollard, 1., Herrengasse 9, geöffnet Di.–So. 10 bis18 Uhr, Do. 10 bis 21 Uhr.

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