Wie der Jugendstil nach Kroatien kam

Vlaho Bukovac: Mein Nest, 1897
Die Schau "Herausforderung Moderne" zeigt den Austausch zwischen Wien und Zagreb um 1900.

Im Fluss der Kunstgeschichtsschreibung lagern sich Epochen und Stile immer wieder an bestimmten Orten ab – die Renaissance in Florenz, der Impressionismus in Paris und eine bestimmte Spielart des Historismus und des Jugendstils eben in "Wien um 1900".

Dass die geistigen Strömungen, die diese Stile hervorbrachten, sich in Wirklichkeit durch viele Regionen bewegten und manche Orte regelrecht überfluteten, gilt es immer wieder in Erinnerung zu rufen: Im Belvedere geschieht das mit schöner Regelmäßigkeit, zuletzt etwa mit den Ausstellungen "WienBerlin" (2014), "Formkunst" (2016) und nun mit der kompakten Schau "Herausforderung Moderne – Wien und Zagreb um 1900".

Anlass war unter anderem das für 2017 ausgerufene "Kulturjahr Österreich- Kroatien" (haben Sie’s bemerkt?), in dessen Gefolge zunächst in Zagreb eine Schau mit lokalen Heroen der Kunst um 1900 gezeigt wurde: Denn die kreative Klasse Kroatiens, das einst zur ungarischen Reichshälfte der Donaumonarchie gehörte, orientierte sich in ihrem Schaffen stark nach Wien. Viele Künstler studierten hier und brachten die Einflüsse der aufkeimenden Moderne in die Heimat.

Wenn man sich aus den vielen, für das Wiener Publikum kaum geläufigen Namen einen merken sollte, dann wäre das wohl Vlaho Bukovac. Der Maler (1855 – 1922) genoss in Zagreb eine Zeit lang einen Status, der mit jenem von Hans Makart in Wien vergleichbar war: Wie der Malerfürst der Ringstraße porträtierte Bukovac die Spitzen der Gesellschaft und hielt in einem spektakulär eingerichteten Atelier Hof. 1897 präsentierte der Großkünstler –als einziger Vertreter Kroatiens – seine Werke auf der ersten Ausstellung der Wiener Secession; Im selben Jahr fungierte er als Mitbegründer einer ähnlichen Bewegung in Zagreb. 1902 zog Bukovac selbst in die Hauptstadt an der Donau, fand aber nur mit größter Mühe Ausstellungsmöglichkeiten. "In Wien haben sie lieber Wienerwurst und Geschmeide, sie machen sich über Kunst keine Sorgen", schrieb er an einen Freund. Dennoch fand der "Zuag’raste" letztendlich positives Echo, wobei der Kritiker Ludwig Hevesi, Autor des Secessions-Leitspruchs "Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit" , besonders ergriffen war. Zahlreiche Künstler sollten nach Bukovac noch ihr Glück in Wien versuchen.

Kunst ist nicht Wurst

In der dicht gehängten Schau in der Orangerie des Unteren Belvedere lässt sich das Lavieren zwischen Tradition und Moderne bei Bukovac und seinen Mitstreitern nachvollziehen: In die traditionellen Auftragsporträts und Historiengemälde mischt sich mal die atmosphärische Malweise von Impressionisten und Pointillisten, aber auch die schwülstige Atmosphäre symbolistischer Sinnbilder, etwa im monumental-süßlichen Gemälde "Die Rosenkönigin" von Robert Auer (1902). Dass Bukovac selbst seine Frau und seine zwei Kinder einmal in trauter Harmonie abbildete ("Mein Nest", 1897) und neun Jahre später die abgeschlagenen "Köpfe der Familie" in einem als "Fantasie" betitelten Gemälde (1906) makaber am Jugendstiltischchen drapierte, mag man als Symptom einer gewissen Stil-Schizophrenie deuten.

Bauen wie Wagner und Hoffmann

Aufschlussreich ist die Schau nicht zuletzt auch wegen der zahlreichen Dokumente aus dem Bereich der Architektur. Sie zeigen, wie das Zagreber Bügertum den Einfluss von Otto Wagner, Josef Hoffmann oder Joseph Maria Olbrich in den Geschäftsstraßen und Villenvierteln der kroatischen Hauptstadt zu adaptieren wusste: Das "Haus Kallina" des Architekten Vjekoslav Bastl sieht etwa aus wie ein verdichteter Nachbau des Otto-Wagner-Ensembles am Wiener Naschmarkt, anderswo sind die Adaptionen eigenständiger. Die Ausstellung kann dies freilich nur mit Fotografien und faksimilierten Plänen vermitteln: Das schürt die Lust, selbst Richtung Zagreb zu fahren und den verschütteten Kontinuitäten eines einst gemeinsamen Kulturraums nachzuspüren. Bis 18.2.2018

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