WestLicht: "Extrem hart" und doch skurril

WestLicht: "Extrem hart" und doch skurril
Zwischen dem 9. September und 9. Oktober werden in der Wiener Galerie WestLicht 171 der besten internationalen Pressefotos gezeigt.

Ein nachdenklich wirkender WikiLeaks-Gründer Julian Assange, skurrile Porträts von Menschen auf irischen Jahrmärkten, Resultate blutiger Auseinandersetzungen auf der ganzen Welt: Die "World Press Photo 11" versammelt erneut die besten Pressefotos des vergangenen Jahres und macht von morgen, Freitag, bis 9. Oktober Halt in der Wiener Galerie WestLicht. 171 Bilder von 54 Fotografen wurden von der unabhängigen Jury ausgewählt und lassen das Jahr 2010 mit ebenso aufwühlenden wie amüsanten Motiven Revue passieren.

In letztere Kategorie fallen beispielsweise Porträts von Menschen, die ihre Profilfotos für die Internetplattform MySpace nachstellen. Auch eine Serie bolivianischer Frauen, die mit Eifer dem Freistilringen nachgehen, regt zum schmunzeln an. Doch die überwiegende Mehrzahl besteht erneut aus "extrem harten Fotos", wie es Erik de Kruijf von der World Press Photo (WPP) Foundation bei der heutigen Presseführung ausdrückte. Die Auswahl des 54. Wettbewerbs ruft teils beinahe schon vergessene Ereignisse wieder ins Gedächtnis, beleuchtet dabei aber nicht nur globale Themen, sondern bietet auch Raum für ruhige und umso berührendere Schicksale.

So hat die US-amerikanische Fotografin Darcy Padilla 18 Jahre lang das Leben einer HIV-positiven Frau begleitet. Die ästhetischen schwarz-weiß Aufnahmen zeugen von ihrem Kampf, den sie schließlich im Alter von 36 Jahren verlor. "Ein extremes Beispiel für eine engagierte Fotografin, die sich über Jahre hinweg mit einem Thema auseinandersetzt", konstatierte de Kruijf. Wie nahe Nachrichtenfotographie und Ästhetik beieinander liegen, bezeuge auch Marco Di Lauros Bild von im Niger auf Bäumen hängenden Tierkadavern. "Hier werden Fotografie und Malerei einander näher gebracht", erklärte der Projektmanager von WPP, den die Tierüberreste an "Dalis schmelzende Uhren" erinnern.

World Press Photo of the Year

WestLicht: "Extrem hart" und doch skurril

Das beste Pressefotos des vergangenen Jahres stammt von der südafrikanischen Fotografin Jodi Bieber. Es zeigt das Porträt der 18-jährigen Bibi Aisha, der beide Ohren und ihre Nase abgeschnitten wurden, weil sie ihren Ehemann verlassen hatte. Heute lebt die junge Afghanin in Queens, wie Bieber erzählte, und ist sich ihrer Berühmtheit kaum bewusst. "Ich sehe mich nicht als Nachrichtenfotographin", erklärte Bieber. "Nie dachte ich daran, dass dieses Bild einen Preis gewinnen könnte." Die selbstbewusste Darstellung der jungen Frau konterkariert beinahe die ihr angetanen Gräuel, was auch für weltweite Diskussionen gesorgt hat. "Ich wollte ihre innere Schönheit und Kraft hervorbringen", so Bieber. "Und Reaktionen, egal ob positiv oder negativ, sind besser, als keine Reaktionen."

Wie schnell sich Wertigkeiten und die internationale Aufmerksamkeit verschieben, veranschaulichte de Kruijf anhand des Auswahlmodus. Als im Frühjahr 2011 die besten Bilder gekürt wurden, brach nur wenige Wochen später ein Tsunami und die Atom-Katastrophe über Japan herein. Dennoch sei es seiner Meinung nach wichtig, sich die Ereignisse von 2010 wieder ins Gedächtnis zu rufen. So begegnet man Opfern des Erdbebens auf Haiti, einer panischen Menschenmasse beim Unglück bei der Love Parade in Duisburg oder Eindrücken von Protesten zwischen Regierungstruppen und Rothemden in Thailand.

Als Gegenstück werden im Rahmen der Doppelausstellung auch die besten heimischen Pressebilder gezeigt. Die sechs Sieger des "Objektiv 11"-Wettbewerbs bilden laut Johannes Loreck von Canon Österreich einen "genialen Brückenschlag von internationaler zu lokaler Pressefotographie". Am Ende strich de Kruijf hervor, dass die WPP Foundation vor allem für Pressefreiheit stehe und dies auch mit der Ausstellung verfolgt werde. So gab es schon mehrmals Beispiele dafür, dass in gewissen Ländern einige Fotos der Wanderschau nicht hätten gezeigt werden dürfen. "Das tolerieren wir nicht." Entweder alle Bilder oder gar keine Ausstellung lautet also die Maxime. "Es muss uns bewusst sein, dass es nicht so selbstverständlich ist, diese Fotos zu sehen."

Kommentare