Von oben bis unten kahl in den Neustart

Pixies-Sänger Francis: Wien- Show am 1. 11. ist ausverkauft.
Nach dem Ausstieg von Kim Deal kommen die Pixies mit neuer EP und neuer Bassistin in den Wiener Gasometer

Als sich die Pixies wenige Tage nach dem Ausstieg von Bassistin Kim Deal im Juni entschlossen, trotzdem weiterzumachen, griff Sänger und Songwriter Black Francis vor Freude zur Klinge. „Um den Neustart zu markieren, rasierte ich mich“, erzählt er im KURIER-Interview. „Kopf, Bart – als Symbol. Und sogar die Schamhaare. Denn als sie uns das sagte, dachte ich zunächst, jetzt ist es aus mit den Pixies.“

Deshalb, sagt er, sei es ihm nicht mehr wichtig gewesen, warum Deal ausgestiegen war. Auch bei der konkreten Nachfrage, ob es an den Spannungen zwischen der Bassistin und ihm gelegen habe, bleibt Francis vage: „Das größere Problem ist, wenn eine Person mit der Situation unglücklich ist – auch wenn alle um sie herum versuchen, es ihr so angenehm wie möglich zu machen. Aber ich habe gelernt, dass das nichts mit dir zu tun hat, dass die Unzufriedenheit der Person ganz woanders herkommt. Kim kannte sich so gut, dass sie das erkannte und sagte, ich steige aus.“

Respekt

Dass er Deal dafür respektiert, dass sie es den restlichen Bandmitgliedern ins Gesicht sagen konnte, fügt er noch an: „Ich konnte das nicht, als ich 1993 ausgestiegen bin. Ich habe nur einen Brief geschrieben.“

Sein Aussteig markierte damals auch das vorläufige Ende der Band, die – gegründet 1986 von Francis, Deal, Drummer David Lovering und Gitarrist Joey Santiago – mit Hits wie „Monkey Gone To Heaven“, „Where Is My Mind“ und „Velouria“ schnell stilprägend wurde.

So, dass Kurt Cobain beim Nirvana-Klassiker „Smells Like Teen Spirit“ nach eigener Aussage nichts anderes machte, als die Pixies zu imitieren: „Wir benutzten ihre Dynamik, waren zuerst sanft und leise und dann laut und hart“, erklärte Cobain damals dem Rolling Stone. Und die Bassriffs von Kim Deal hatten keinen geringen Anteil am großen Einfluss der Pixies auf die Musikszene. Wie sehr Deal deshalb von den Fans vermisst wird, zeigt der Slogan „No Kim, no deal“, den sie nach ihrem Ausstieg prägten.

Ausverkauft

Trotzdem läuft es für die Band auch mit der neuen Bassistin Kim Shattuck sehr gut. Das Wien-Konzert am Freitag ist ausverkauft. Und mit „EP1“ gibt es jetzt sogar vier neue Songs von den Pixies.

Denn während sich das Quartett schon 2004 für Live-Konzerte wieder zusammenfand, wurde die Arbeit an neuen Songs – bis jetzt – auf die lange Bank geschoben.

Das ehemalige Markenzeichen der Pixies-Songs – explizite Texte über Gewalt, Sex, Religion und Vergewaltigung – sucht man auf „EP1“ aber vergeblich: „Ich bekam damals sehr viel Aufmerksamkeit für diese Texte“, sagt Francis. „Das war meiner Meinung nach übertrieben, denn es wurde zu dem Faktor, mit dem man die Pixies identifizierte. Deshalb habe ich das jetzt vermieden.“

KURIER: Sie haben sich schon 2004 wiedervereint, waren aber nie für neue Songs im Studio . . .

Black Francis: Es tut mir leid, wenn ich gleich unterbrechen muss, aber ich warte hier auf meinen Kaffee und der kommt nicht daher. Ich muss mal sehen, wo der bleibt. Aber reden Sie nur weiter . . .

Haben sie in all der Zeit nie darüber gesprochen, wieder ins Studio zu gehen. Und wenn ja: Warum ist es nicht passiert?

Weil wir uns nicht einigen konnten. Speziell Kim war immer dagegen. Und auch wir Typen in der Band: Wir waren sehr glücklich mit dem Erfolg der Reunion-Tour, hatten damit immer gut zu tun. Da war es sehr leicht, diese Frage immer wieder auf später zu verschieben. Aber nach sechs Jahren wurde das dann doch etwas blöd, und wir sagten: Jetzt müssen wir es angehen und eine neue Platte machen. Da hat dann sogar Kim zugestimmt. Sie hat also den Aufnahmeprozess mit uns begonnen, aber nicht fertig gemacht.

Warum hat sie die Band verlassen?

Sie kam zu uns und sagte nur, ich fliege morgen nach Hause. Als wir das hörten, war es schon nicht mehr wichtig, warum sie gehen wollte. Denn ich dachte, das ist das Ende. Ich wusste nicht, ob ich für das Weitermachen ohne Kim die Unterstützung von Joey und David haben würde. Oder auch die vom Management. Ein paar Tage später haben wir dann beschlossen, doch weiterzumachen. Das war schon eine große Erleichterung. Ich hatte damals relativ lange Haare und einen Bart, den ich nie zuvor in meinem Leben gehabt hatte. Und um den Neustart zu markieren, rasierte ich mich. Kopf, Bart - und sogar die Schamhaare und den Penis.

Sie betonen immer wieder, dass es eine freundschaftliche Trennung war. Es gab aber während der ganzen Karriere der Pixies immer wieder Berichte über große Probleme zwischen Ihnen und Kim. Hatten sie die zu diesem Zeitpunkt schon überwunden, oder lag es doch auch daran?

Solche Streitereien in einer Band sind ganz normal. Ich glaube, dass es gar nicht darum ging. Ich glaube, das größere Problem ist, wenn eine Person mit einer Situation unglücklich ist, keinen Spaß mehr hat und sich nichts Positives mehr rausziehen kann - auch wenn alle um sie herum versuchen, es ihr so angenehm wie möglich zu machen. Aber das liegt dann daran, dass diese Person prinzipiell unglücklich ist, das hat nichts mit dir zu tun. Natürlich macht das Probleme, weil du anfangs denkst, dass es mit dir zu tun hat. Und weil auch diese Person denkt, dass es mit dir zu tun hat. Ich bin nicht alt, aber auch nicht mehr ganz jung, und ich habe in all den Jahren gelernt, dass diese Unzufriedenheit von woanders her kommt. Und ich schätze es sehr, dass Kim sich selbst so gut kannte, dass sie das erkannt hat und schlussendlich sagte, ich steige aus. Und sie hat uns das sogar persönlich gesagt. Das ist etwas, das ich nicht konnte, als ich die Band 1993 verließ. Ich habe einen Brief geschrieben. Und ich weiß auch nicht, ob ich das heute nicht auch noch genauso machen würde. Ich glaube, ich könnte ihnen das noch immer nicht pesönlich sagen.

Wie, glauben Sie, hat sich Ihre Art, Texte zu schreiben . . .

Entschuldigung, jetzt ist der Kaffee da. Ah, das Koffein in meinem System . . . jetzt kriegen Sie gleich viel bessere Antworten.

Sehr schön. Ich wollte Sie zu den neuen Texten fragen. Stimmt mein Eindruck, dass die weniger gewalttätig sind?

Vielleicht sind sie das, ja. Das liegt möglicherweise daran, dass ich früher sehr viel Aufmerksamkeit dafür bekommen habe, dass ich in meinen Texten sehr viele sexuelle und gewalttätige Bilder verwendet habe. Meiner Meinung nach war das ein bisschen übertrieben, denn es wurde zu dem Faktor, mit dem die Pixies identifiziert wurden. Deshalb habe ich das jetzt vermieden. Denn jetzt - als wir mit der alten Band neue Songs eingespielt haben, hatten wir diese schwierige Situation . . . na ja, Sie wissen schon: Sei genauso gut wie damals, aber kopiere dich nicht selbst! Diese eigenartige Anforderung, zur selben Zeit so wie früher, aber doch anders zu sein.

Der erste neue Song, den Sie veröffentlicht haben, war „Bagboy“. Was hat Sie dazu inspiriert?

Das ist ein sehr persönlicher Song über eine Person, mit der wir einmal zusammengearbeitet haben. Ich denke, dass ich mich intellektuell mit dieser Person ausgesöhnt habe, dass ich aber emotional immer noch einen Groll mit mir herumtrage. Also entschied ich mich, dass ich die Chance nütze, in dem Song zu sagen, was für ein verdammtes Arschloch diese Person ist - um diesen Ärger loszu werden.

Sprechen Sie da von Kim Deal?

Ich werde den Namen dieser Person nie in einem Interview preisgeben. Ich habe ihn deshalb auch nicht in den Song geschrieben. Es geht nur darum, diesen Rest-Ärger, den ich dieser Person gegenüber habe, für etwas meiner Meinung nach Positives zu nützen – einerseits, um den Song zu schreiben und andererseits, um darüber hinweg zu kommen.

Der Titel „EP1“ bedeutet doch sicher, dass noch mindestens eine zweite EP kommt. Wann können wir damit rechnen?

Ich kann Ihnen nicht sagen, wann was kommt, weil ich die Überraschung nicht vorwegnehmen will. Und ehrlich gesagt, ich habe die Daten jetzt auch gar nicht im Kopf. Aber ja, es wird weitere EPs geben - so viele, wie ich die Typen in der Band überreden kann, zu machen.

Warum müssen Sie die dazu überreden?

Wir haben schon sehr viele neue Songs aufgenommen. Aber mein Ziel ist nicht so sehr, das zu veröffentlichen, was wir schon aufgenommen haben, sondern neue Songs einzuspielen. Denn die Songs, die jetzt veröffentlicht werden, habe ich vor eineinhalb Jahren geschrieben. Die sind für mich schon wieder vorbei und ich bin bereit, den nächsten Schritt zu gehen. Aber ich weiß noch nicht, wie die anderen dazu stehen.

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