Die Beichten der Präsidentinnen

Frida-Lovisa Hamann und Sylvie Rohrer (Frau aus Österreich)
"Europäisches Abendmahl" im Akademietheater.

Für Kriegs- wie Wirtschaftsflüchtlinge ist Europa noch immer ein gelobtes Land; doch vom ehemaligen Glanz ist nicht mehr viel übrig geblieben. Denn der von Leonardo da Vinci zentralperspektivisch gemalte Raum, in dem Jesus mit seinen Jüngern das Letzte Abendmahl feiert, ist im Akademietheater zur Ruine verkommen. Schutt überall. Und dann tauchen im ungemein wuchtigen Bühnenbild von Martin Zehetgruber die Trümmerfrauen einer neuen Generation auf. Sie stöckeln im Nerz umher – und schleppen ziellos eine lange Tischplatte.

Aber sie finden sich nicht zum gemeinsamen "Europäischen Abendmahl". Der Monolog der Mari, den Terézia Mora zur Uraufführung beigesteuerte, hätte eine Art Treffen eigentlich nahegelegt. Denn die ältere Frau bedankt sich gleich einmal bei den Menschen, denen sie ihre Geschichte erzählen darf.

In der präzisen wie pointierten Inszenierung von Barbara Frey sitzt Kirsten Dene ganz allein auf der Bühne – und sie spricht direkt zum Publikum. Ihre Mari hat Außenhandel studiert, sagt kluge Sätze und engagiert sich, nicht ganz freiwillig, in der Flüchtlingshilfe. Einmal in der Woche macht sie mit Hamid Konversation. Doch mit dessen Übergriff – er will sie heiraten – kommt Mari nicht klar: Sie verbarrikadiert sich in ihrer Wohnung.

Mit diesem Monolog voll bitterem Witz, von Dene beiläufig interpretiert, spricht Mora viele Probleme an – darunter die Taktik mancher, den Pass verschwinden zu lassen, um sich als Minderjährige ausgeben zu können. Zudem fungiert der Text in der von Frey kurzfristig umgestellten Abfolge als Wegweiser. Denn auch der Beitrag von Nino Haratischwili thematisiert die Schattenseiten der Willkommenskultur.

Billiges Glitzer-Outfit

In diesem Monolog hadert Marusja, vor Jahrzehnten in den Westen geflüchtet, mit ihrem Schicksal. Sie tat alles, um sich zu integrieren. Und sie wollte besser Deutsch sprechen als die Deutschen – ein Phänomen der Überanpassung, das Julya Rabinowich im Roman "Spaltkopf" beschreibt. Aber niemand reichte ihr Decken. Und nun, wie zum Hohn, muss sie den Dreck dieser "Barbaren" und "Hammelfleischfresser" putzen. Maria Happel sprüht im grenzgenialen Glitzer-Outfit (von Esther Geremus) eifrig Gift, sie erinnert an Werner Schwabs Klofrau Mariedl in "Die Präsidentinnen" – und berührt als gebrochene Frau.

In die thematisch gleiche Kerbe schlägt der nicht eigens geschriebene Text von Elfriede Jelinek: Sylvie Rohrer, als ultrakonservative Autorin hergerichtet, rümpft die Nase über den angespülten Abschaum. Und im schwachen, arg gekürzten Beitrag von Jenny Erpenbeck verschwindet Frida-Lovisa Hamann als Frau mit Angstneurose im körperfarbenen Kleidchen.

Ein Fremdkörper ist Sofi Oksanens Dramolett über eine ukrainische Eizellenspenderin (Katharina Lorenz) und eine Britin mit Kinderwunsch (Catrin Striebeck): Der Stoff hätte, da viele Fragen offen blieben, einen eigenen Abend ergeben können.

Leider fehlt der Perlenkette eine Schließe. Nur beim Schlussbild sitzen die sechs Frauen zusammen am Tisch – und genehmigen sich tratschend einen Schluck.

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