"Unter dubiosen Umständen"

Das Weiße ist der Turm: Projektmanagerin Daniela Enzi mit dem Modell des Projekts
Trenklers Tratsch: Der Widerstand gegen das Hochhausprojekt beim Heumarkt in Wien wächst, die Grünen streiten sich.

Man muss kein Hellseher sein, wenn man den Grünen in Wien einen gewaltigen Richtungsstreit prophezeit. Denn die Basis kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum Stadträtin Maria Vassilakou dem Developer Michael Tojner nach dem Mund redet – und dessen Turm-Projekt neben dem Heumarkt befürwortet. Vielleicht gelingt es ja noch, mit Hilfe des Lobbyisten Wolfgang Rosam, der für die Magistratsabteilung 21 (Stadtteilplanung und Flächennutzung) arbeitet, die Stimmung ins Positive zu kehren. Gegenwärtig sieht es aber nicht so aus. Denn im Rathaus sind zum Flächenwidmungsverfahren des Projekts "Heumarkt Neu" rund 600 Stellungnahmen eingelangt, berichtet die APA. Das ist eine respektable Menge.

Wie viele sich davon gegen den Turm ausgesprochen haben? Die Zahl wird, auch das lässt sich prophezeien, sehr hoch sein. Selten war sich die Architektenriege – von Friedlich Achleitner bis zu Maria Auböck, Hermann Czech, Otto Kapfinger und Christian Kühn – derart einig. Auch Gerhard Ruiss hat vor Ende der Einspruchsfrist das Protestschreiben der Künstler – 500 an der Zahl – eingereicht. Hinzu kommen 3750 Unterstützer des Aufrufs "Stoppt das Hochhausprojekt".

Auch medial tut sich einiges. Am Wochenende brachte die Wiener Zeitung auf einer Doppelseite einen Kommentar des Raumplanungsexperten Reinhard Seiß, der nachvollziehbar darlegt, dass die Stadt gegen eigene Planungsvorgaben verstoßen habe.

Gelesen haben werden den Text leider nur wenige. Kaum rezipiert wurde auch ein Beitrag von Seiß, der bereits am 4. März in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien. Er hatte es allerdings in sich. Denn Seiß fasst zusammen: "Das Grundstück, das der Wiener Eislaufverein pachtet und nutzt, hatten Geschäftsfreunde des Investors 2008 von der öffentlichen Hand unter dubiosen Umständen um weniger als die Hälfte des erzielbaren Preises erworben – und 2012 Tojner übertragen. Dieser brachte noch im selben Jahr auch das benachbarte Hotel Intercontinental in seinen Besitz." Zudem stellt Seiß die Frage: "Hat dieses politische Engagement für den Investor vielleicht damit zu tun, dass Michael Tojner sein Casino-Hotel-Konzept gemeinsam mit Medienmogul Christoph Dichand verfolgt?"

Tojner soll sich, wie man hört, an die Chefredaktion der FAZ gewandt haben. Erfolglos. Seit 19. März steht der Artikel "Selbstzerstörung einer Kulturstadt" auf www.faz.net online. Er wird nun sehr gerne geteilt.

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