Umzingelter Mahler, bezwungener Beethoven

Jubel für Welser-Möst und Cleveland
Originelles Konzertprogramm bei den Salzburger Festspielen. Mahler stand im Zentrum - ohne dass auch nur eines seiner Werke gespielt wurde.

Kritik - Erneut ein originelles Konzertprogramm bei den Salzburger Festspielen: Mahler stand Donnerstagmittag im Zentrum - ohne dass die Wiener Philharmoniker auch nur eines seiner Werke spielten.

Zum Auftakt gab es im Festspielhaus Mahlers Orchesterfassung von Schuberts Streichquartett d-Moll "Der Tod und das Mädchen". Man muss sie nicht mögen, die vielen Ausrufezeichen, mit denen Mahler Schubert dabei versehen hat. Aber wenn man die semivollendet anmutende Bearbeitung aufführt, dann so, wie die Philharmoniker unter der Leitung von Franz Welser-Möst : in transparenter, niederschwelliger Ausdrucksstärke, die die so verschiedenen Tonsprachen in höchstem Maße geglückt zusammenbringt.

Bei Alexander Zemlinskys "Lyrischer Symphonie" wiederum ist Mahler nicht Bearbeiter, sondern Inspiration: Die Liedsymphonie dockt bei Mahlers "Lied von der Erde" an, verwandt im Orchesterklang, in der originellen Verwendung der Liedform, in der Schwermut. Die Verflochtenheit reicht bis hin zur beiderseitigen Verbundenheit Mahlers und Zemlinskys mit Alma Mahler-Werfel. Und hier wurden die Philharmoniker ihrer Sonderstellung in vollstem Ausmaß gerecht: Tief tauchten Orchester und Sänger (Christine Schäfer und Michael Volle) in den emotionalen Aufruhr des frühen 20. Jahrhunderts ein. Für die exemplarische Interpretation gab es (lediglich) zufriedenen Applaus, der sich nur langsam mit den hochverdienten Bravo-Rufen anreicherte.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Bezwungener Beethoven

In der Festspiel-Zielgeraden kam zuvor am Mittwochabend ein wichtiger Fixbestandteil im Konzertkosmos des Intendanten Markus Hinterhäuser zu Ehren. Klavierstar Maurizio Pollini widmete sich vier Beethoven-Klaviersonaten: F-Dur (op.54), C-Dur (op. 53) und Fis-Dur (op. 78), gruppiert um die "Appassionata" (f-moll, op. 57). Daraus machte er einen
schlüssigen Gesamtentwurf zwischen dankbarem Effekt und für sich stehender Klavierkunst.
Pollini bezwingt mühelos einen musikalischen Achttausender nach dem anderen, führt das Publikum an Klippen und Überhänge, wo er - zuweilen fast neckisch - nur kurz verharrt, um sich dann mit dem typischen Summen und Schnauben aufzumachen zum nächsten frenetischen Aufstieg. Es gab alles im wünschenswerten Übermaß: irrwitzig übersprudelnde Läufe und romantisch-herzerweichende Ruhemomente.

Zum Finale erstrahlte ein pianistischer Mehrfach-Salto, so einleuchtend wie überraschend, dass es für die Gehirnwindungen nur noch einen Ausweg gab: Staunen.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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