Über die Wilden Kerle in uns
Immer wieder hat man ihn gefragt, woher er denn seine verrückten, gruseligen Buchideen nehme. Sein ausweichendes "Aus meinem Kopf" hat allerdings nie den Wissensdurst jener gestillt, die wissen wollten, wie Maurice Sendak auf seine "Wilden Kerle " gekommen ist.
1963 erschienen, preisgekrönt und 2006 von Spike Jonze genial verfilmt, wurde das Buch des 1928 in New York City geborenen Autors zunächst mit einem gewissen Vorbehalt aufgenommen. Dass die kindliche Angst vor dem Alleinsein bedrohlich werden kann, dass Kinder gewalttätig und rücksichtlos sein können, wie der tagträumende Max, der König der "Wilden Kerle" sein möchte, das war nicht allen geheuer.
Gegen den Strich
Sendak war der Meinung, seine "Wilden Kerle" seien ohnehin nicht dazu angelegt, es jedem jedem recht zu machen. Max aber blieb seine "liebste Schöpfung" unter all den dickköpfigen Helden seiner späteren Bücher.
Dass Liebe immer mit Bedrohung einhergeht, dass ein sicherer Hafen, wenn überhaupt, erst nach der Überwindung vieler Abenteuer erreicht werden kann, war eines der häufigsten Themen Sendaks. Seine Kinderbücher waren nie streichelweich. Und er hat die klassischen Beziehungsthemen Liebe, Hass, Einsamkeit stets gegen den Strich gebürstet.
Sein vor Kurzem erschienenes letztes Buch ist eine Hommage nicht nur an seinen verstorbenen Bruder Jack, mit dem er als Kind seine ersten Geschichten entwarf, sondern auch an seinen langjährigen Partner, den Psychoanalytiker Eugene Glynn (1926–2007), mit dem er bis zu dessen Tod zusammengelebt hatte.
Sendak beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit Weltliteratur. Er veröffentlichte eine Adaption der in Theresienstadt uraufgeführten Kinderoper Brundibár und schrieb Aufsätze über Hans Christian Andersen und Adalbert Stifter, aber auch über Walt Disney (dessen Zeichentrickfilm "Fantasia" ihn inspirierte, Kinderbuchillustrator zu werden), ebenso wie über den Künstler Tomi Ungerer, mit dem er befreundet war. (Nachzulesen in Caldecott & Co. Gedanken zu Büchern und Bildern. Aladin, 23,60 €)
Maurice Sendak hat Kinder nie idealisiert. Aber er hat sie für die besten Kritiker gehalten. Sie seien direkter, schreibt er in "Caldecott & Co". Wenn sie ein Buch mögen, heißt es: "Ich liebe dein Buch, vielen Dank. Wenn ich groß bin, möchte ich dich heiraten." Weniger begeisterte Kritik wird so geäußert: "Lieber Herr Sendak, ich hasse Ihr Buch. Ich hoffe, Sie sterben bald. Herzliche Grüße."
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