"Twin Peaks": Zeitlupen-Dauerfeuer der Verwirrung

"Twin Peaks" ist wieder da. Die erste Folge hinterlässt nur Rätselraten. Und das ist auch gut so in Zeiten der übererklärten Popkultur.

"Ich verstehe", sagt Agent Dale Cooper, und da muss man ob des Schalks von Regisseur David Lynch ordentlich kichern. Denn man versteht nichts. Nichts! Die erste Doppelfolge der Neuauflage ist ein Zeitlupen-Dauerfeuer an Verwirrungen, an neuen Orten und Nichtigkeiten, die bedeutungsschwer aufgesagt werden; zugleich mythisch und absurd und lustig und ein bisserl grauslich. Und der Auftakt ist damit also in dem, was er im Seher anrichtet, genau so schwindelerregend wie die Original-Folgen, die vor einem Vierteljahrhundert den Anstoß dazu gaben, die Fiktion im Fernsehen zu entblöden.

Man kann im Blick in den TV-Rückspiegel gar nicht mehr so richtig begreifen, wie anders Twin Peaks damals war als das, was man sonst im Fernsehen gesehen hat. Bei Kirschkuchen und Kaffee versammelte sich eine große, aber randseitige Publikumsschicht in einer Nische, die "Twin Peaks" neu schuf, und die dann mit ein bisschen Schockverzögerung von dem hochwertigen Fernsehen der Streaming- und Pay-TV-Dienste weiterbedient wurde.

Was einst der Kinofilm tat – im Vergleich zum Fernsehen mit langem Atem zu erzählen – machte "Twin Peaks" nun auf einmal im Fernsehen. Jetzt präsentiert Lynch die neuen Folgen auch bei den Filmfestspielen in Cannes, nicht zur Freude aller Filmschaffenden. Jedenfalls: Es heißt festhalten. "Ist es die Zukunft oder die Vergangenheit?", wird Cooper in der Black Lodge gefragt, man ist ratlos. Laura Palmer spricht und löst sich in Licht auf. Im Keller eines Wolkenkratzers in New York ist ein Loch, das ein Student bewachen soll, und wie so etwas ausgeht, das ist das Einzige, was man beim neuen "Twin Peaks" vorhersagen kann. Der böse Doppelgänger von Cooper schaut aus wie ein abgehalfterter Rocker mit Bräunungsspray-Fetisch. Die Log Lady spricht in Rätseln, im Hotel in Twin Peaks müssen zwei Nächte rückerstattet werden, und man will nicht wissen, was die Gäste erlebt haben. Man verliert sich zwischen den Dimensionen und den Zeiten, und das einzige, was ein bisschen hilft, ist, dass die Charaktere immer noch so passen wie früher.

Man hangelt sich in wohliger Ratlosigkeit von Sager zu Sager ("Ich bin tot", sagt jemand, und zwar in diesem Zeitlupenton der anderen Dimension) – und es fängt das Interpretationsspiel an, was das alles heißt und wie es zusammenhängt. Das ist das Schöne an "Twin Peaks": Es lässt, im Gegensatz zum dauererklärenden Serienfernsehen, Fragen offen. Es ist nichts, was es scheint.

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