Trump als (ermordeter) Caesar: Zu empört für Shakespeare

Kommentar: Ein Theater zeigt Donald Trump als Julius Caesar, und verliert nach Online-Empörung Sponsoren.

Wenn man das, was derzeit in den USA so passiert, in Literatur verpacken wollte und dafür einen Autor suchte, man käme (allzu) rasch auf George Orwell, Margaret Atwood und, ein bisschen, Monty Python (für die Abteilung für eigenartiges Händeschütteln).

Aber eigentlich braucht man über Trumps Amerika nichts Neues zu schreiben – Shakespeares Werk ist auch hier ein perfekter Fieberthermometer jeder Gesellschaft und jedes Gemütszustandes.

Denn ausgerechnet eines seiner – mehr als 400 Jahre alten – Stücke führt derzeit vor, wie fragil die heutige Demokratie, wie dünn die Nerven sind. Und wie ungeeignet die Sozialen Medien, um auch nur einen halben Gedanken zu Ende zu formulieren, bevor schon die Empörung losbricht.

Shakespeare in the Park in New York zeigt Julius Caesar als aktuellen Blick auf die USA. So ist Caesar optisch ganz klar an Donald Trump angelehnt.

Was dazu führt, dass eine Figur, die aussieht wie Trump und sich aufführt wie Trump, auf der Bühne brutal ermordet wird. Was (wer nicht die letzten zehn Jahre offline hinterm Kasten verbracht hat, wird nicht überrascht sein) zu einem Onlinesturm der Empörung führte, bei Trump-Anhängern und jenen Webseiten, die allen anderen so gerne vorwerfen, Fake News zu verbreiten. Die extrempopulistische Plattform Breitbart weiß jetzt auch, wer Shakespeare ist. Und Donald Trumps Sohn setzte auf Twitter Kunst unter Anführungszeichen – eines der sichersten Zeichen für jene, die Kultur verachten und sie gerne in ihre Schranken weisen wollen.

So weit, so egal: Wer Online-Empörung noch ernst nimmt, sollte an seinem Koordinatensystem arbeiten.

Nur ist noch etwas passiert, und da dürfen ruhig die Alarmglocken schrillen: Zwei namhafte Sponsoren, Delta Airlines und die Bank of America, haben wegen der Produktion der Theatertruppe die Förderung gestrichen. Und das ist ein fatales Signal. Denn wer sich auch nur auf die alleroberflächlichste Art mit "Julius Caesar" auseinandersetzt, weiß: Shakespeare beschrieb den Mord an Caesar als Katastrophe. Er wusste schon, dass man einen vom Volk erkorenen Machthaber – so undemokratisch er dann auch agiert – nicht mit undemokratischen Mitteln entfernen kann, ohne der Demokratie massivsten Schaden zuzufügen.

So viel Zeit, diesen einen erklärenden Satz zu sagen, haben aber Fluglinie und die Bank nicht: Sie stehen im Onlinesturm – und knicken ein. Ein Trauerspiel. Denn wenn wir nicht einmal mehr im Theater einen kritischen Blick auf uns werfen können, ohne hysterisch zu werden, dann steht es schlecht um uns.

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