Trauer um Künstler Franz West

Trauer um Künstler Franz West
Franz West ist 65-jährig gestorben. Seine Skulpturen und "Möbel" haben oft Bastelcharme. Aber er war der gefragteste Österreicher der Kunstwelt.

Zur klassischen Kunst hatte er kein schlechtes Verhältnis. Er hatte überhaupt keines. Weil er dachte, eine Aktzeichnung nie zusammen zu bringen, begann Franz West, Collagen zu machen. Und ging dann zum Plastischen über: "Mir schwebten immer nur Formen vor. Ich wollte einfach verschiedene Gegenstände zu einer Form verbinden."  In der Nacht auf Donnerstag ist der Wiener Bildhauer mit 65 an Hepatitis verstorben.  Wien würdigt den Künstler mit einem Ehrengrab am Zentralfriedhof.

Seine wulstartigen, unfertig wirkenden, oft schlangenförmigen Skulpturen nannte der Ausstellungsmacher Harald Szeemann  "getrocknete Fragmente eines österreichischen Barocks der Seele und des Geistes".

Der 1947 geborene Sohn einer Zahnärztin und eines Kohlenhändlers hatte eine Vorliebe für die Farbe Zahnprothesengummirosa.

Seine Arbeiten waren so gut wie nie ironiefrei. Sie erzielten  Höchstpreise und wurden u. a. im New Yorker MoMA (1997), in Hamburgs Deichtorhallen (2002) ausgestellt und im Wiener MAK (2008), hinter dem auf der Stubenbrücke  weiße Lemurenköpfe aufgestellt sind. Im Vorjahr erhielt  West den "Goldenen Löwen" in Venedig für sein Lebenswerk.

Unkonventionell

Könnte man Neurosen sehen, sie sähen so aus wie seine "Passstücke" (für den menschlichen Körper), sagte West.

Die tragbaren Gebilde aus Pappmaché, Gips und und Polyester in abstrusen Formen konnten wie  Prothesen benutzt werden und brachten West in den 70er-Jahren den Durchbruch. Sie entstanden aus dem Bedürfnis, Skulpturen zum Angreifen zu produzieren, nicht nur zum Betrachten und zur Kontemplation. Ein Passstück wurde für West erst zum Kunstwerk, wenn sich ein passiver Betrachter in einen aktiven Benutzer verwandelt und das Objekt quasi zur "Partitur für Gesten" wird. Wie bei einem Bühnenbild: Das schaue man sich auch nicht als solches an, sondern mit den dazugehörigen Schauspielern.

West brach auch bei seinen "Möbeln" mit einem Naturgesetz des Museumsbetriebs, wonach Kunstwerke nie angegrapscht werden dürfen. Auf Wests Liegewiesen voller bunter Diwane und spaciger Kanapees können Besucher herumfläzen. Stühle und Liegen, aus Eisen und Industrieschrott zusammengeschweißt, luden im Kunsthistorischen zum Sitzen ein. Beim ImpulsTanz 2011 ließ er den Performer Ivo Dimchev auf seinen Sitzmöbeln tanzen und machte sie so zur praktischen Kunst.

West selbst war eher wortkarg und melancholisch. Sein Credo: Ob seine Werke Kunst, Nicht-Kunst oder gewöhnliche Alltagsgenstände sind, sollten andere entscheiden. Gelegenheit dazu ist bei einer Retrospektive im Mumok ab 22. 2. 2013.

Reaktionen: Ehrengrab für West

Franz West wird von der Stadt Wien mit einem Ehrengrab am Zentralfriedhof gewürdigt. Das Begräbnis selbst soll im kleinsten Familienkreis stattfinden. "Österreich verliert mit Franz West einen herausragenden Künstler, einen Leuchtturm zeitgenössischer Kunst mit internationaler Strahlkraft", zollte Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny dem Verstorbenen am Donnerstag Respekt: "Franz West hat mit seinen unverkennbaren Arbeiten, die das traditionelle Regelwerk hinterfragen und die Trennung zwischen Kunst und Gebrauchsobjekt aufheben, eine in Österreich einzigartige Position eingenommen."

"Ich habe Franz West vor allem wegen seines unkonventionellen Denkens und Handelns zu schätzen gelernt", bedauert Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, den Tod des Ausnahmekünstlers. "West war darauf bedacht, seine Umgebung mit immer neuen Augen zu klassifizieren und das hat sich naturgemäß auf sein Gestalten ausgewirkt", so Zinggl: "Seine wichtigste Neuerung bestand darin, Passstücke und Möbel als Gebrauchsskulpturen und nicht als unberührbare Heiligtümer zu verstehen."

ÖVP-Kultursprecherin Silvia Fuhrmann hob in ihrer Würdigung Wests "enorme Schaffensenergie" hervor, die sich in Grafiken, Skulpturen, Möbel oder raumbezogenen Installationen sowie Bilderwänden ausdrückte. "Sein Tod hinterlässt eine große Lücke in der Kunstwelt", so Fuhrmann.

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