Topsy Küppers: "Nimmer sich beugen, kräftig sich zeigen!"

Topsy Küppers
Die Schauspielerin, Chansonnette und Gründerin der Freien Bühne Wieden feiert heute ihren 85. Geburtstag.

Topsy Küppers, geboren am 17. August 1931 in Aachen, ist eine zierliche Person mit einem puppenhaften Gesicht – und trotzdem sehr bestimmt. Sie empfing den KURIER voll Elan mit einer Flasche Champagner zum Interview. Und die erste Frage stellte gleich einmal sie.

Topsy Küppers: Worüber wollen Sie denn mit mir reden?

KURIER: Nicht über den "Ungustl", Ihren Darmkrebs, über den Sie vor zwei Jahren ein Buch geschrieben haben.

Das ist in Ordnung. Reden wir über die Zukunft! Wir können ein bisschen die Krallen ausfahren. Ich habe ja heuer ein Dreifachjubiläum: Am 17. August werd ich 85, ich stehe 70 Jahre auf der Bühne und vor 40 Jahren hab ich in Wien die Freie Bühne Wieden gegründet, die es noch immer gibt. Ich hab mir gedacht: Da mach ich ein Programm für das Theater Akzent! "Noch einmal mit Gefühl!", denn es ist wahrscheinlich meine letzte Show. Mit ein paar Musikern. Aber das kostet Geld. Also hab ich Förderanträge eingereicht. Ich schrieb eigens dazu: "Für mich keine Gage! Honorar nur für die Musiker!" Aber sie haben das Projekt abgelehnt! Obwohl ich um keine hohe Summe angesucht habe. Jedes Buffet bei einem Bürgermeisterempfang kostet so viel.

Das Theater Akzent hat das Jubiläumsprogramm dennoch möglich gemacht: Premiere ist am 30. September. Ich aber würde gerne über die Vergangenheit reden. Sie wurden 1931 in Aachen geboren. Ihr Vater, ein Jude, verließ die Familie, als Sie zwei Jahre alt waren. Wie haben Sie die NS-Zeit überlebt?

In einem Keller. Aber ich denke, dass das die Menschen längst nicht mehr hören wollen.

Ich glaube schon.

Meine Mutter sagte: "Wir müssen uns verstecken!" Und so haben wir uns bei Freunden im Keller versteckt – in Vaals, in Holland, ungefähr eine Viertelstunde von Aachen entfernt. Dort sind wir monatelang gesessen: Mutter, Großmutter, Tante und ich. Meine Mutter war geschieden, ich bin getauft, aber sie hatte Angst um ihr Kind.

Aufgrund der Nürnberger Rassengesetze. Wie war das für Sie als Kind?

Als Kind folgt man einfach der Mutter. Man weiß nur, es herrscht Gefahr. Man hat zu tun, was die Erwachsenen sagen – und vor allen Dingen still zu sein. Ich hatte dort die Möglichkeit zu lesen. Das war wichtig. Daher kommt vielleicht auch meine Liebe zu Büchern. Das war ein Halt.

Wie lange waren Sie da?

Über ein Jahr.

Gab es brenzlige Situationen?

Ja, natürlich. Aber wenn an die Tür gepumpert wurde, konnte man durch ein Loch in einen anderen Keller fliehen.

Haben Sie damals nach dem Warum gefragt?

Nein. Anfang 1945 wurden wir befreit und kamen in ein Lager für "Displaced Persons". Da haben alle geredet, und man hat zugehört.

Sie gingen dann wieder in die Schule?

Ich bekam auch Ballettunterricht. Das ganze Ballett wurde dann für ein amerikanisches Musical engagiert. Und weil mein Englisch nicht ganz schlecht war, wurde ich auserwählt, die Hauptrolle zu spielen. Wir waren auf Tournee durch Holland und Belgien, spielten für die US-Soldaten. Es war wunderbar: Man durfte Theater spielen! Ein Traum hat sich erfüllt.

Sie wussten, dass Sie Schauspielerin werden möchten?

Ja, das wusste ich seit meiner Kindheit. Ich hab immer schon getanzt und gemacht. Es gab für mich nie einen Zweifel. Die Ballettmeisterin hat zu meiner Mutter gesagt: "Sie ist eine Begabung." Ich bekam Sprach- und Gesangsunterricht. Und dann wurde ich als Elevin ans Stadttheater Aachen engagiert. Einmal spielte ich im "Rosenkavalier" einen Pagen. Ich durfte mich die ganze Zeit nicht rühren, nur hin- und wieder eine Tür aufmachen. So hab ich immer wieder den Spruch auf dem Band im Saal gelesen: "Allen Gewalten / Zum Trutz sich erhalten, / Nimmer sich beugen, / Kräftig sich zeigen, / Rufet die Arme / Der Götter herbei!" Und dann ging es weiter. Ich habe den ganz normalen Weg gemacht – über die Provinz. Wie hieß das damals im Vertrag? "Jugendlich Naive mit musikalischer Verpflichtung".

Sie drehten etliche Filme – und kamen nach München, wo Sie Georg Kreisler kennenlernten.

Das war 1958. Sascha kam 1960 zur Welt, Sandi (die Schauspielerin Sandra Kreisler, Anm.) 1961.

Er muss eine ziemlich schwierige Person gewesen sein.

Ja. Mit zwei Sorten von Männern sollte man nie verheiratet sein: mit schweren Neurotikern und mit Alkoholikern.

Sie haben es aber lange mit ihm ausgehalten.

Es war am Anfang eine tolle, kreative Zeit. Ich arbeitete damals mit Erich Kästner an den Münchner Kammerspielen zusammen. Dort gab es auch das Werkraumtheater. Ich bat Direktor August Everding, in diesem ein Programm mit Georg Kreisler machen zu dürfen. Das ist sehr gut angekommen. Von dort aus ging es richtig los: Berlin, Hamburg, Zürich, Basel und so weiter.

Ihr größter gemeinsamer Erfolg war "Heute Abend: Lola Blau": Sie haben dieses Programm mehr als 1000-mal gespielt.

Ja. Es gab allein 680 ausverkaufte Vorstellungen in den Kammerspielen hier in Wien. Vor zwei, drei Jahren wäre ich gerne wieder einmal dort aufgetreten – mit dem Programm "Jüdische Brillanten". Ich schrieb Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger. Er antwortete, er habe keinen Termin frei. Das hat mich schon ein wenig gekränkt. Aber so kam ich ins Theater Akzent. Dort geht es mir wunderbar.

Sie kamen 1962 mit Kreisler nach Wien. Warum eigentlich?

Georgs Vater übersiedelte von Los Angeles zurück nach Wien. Er war ein wunderbarer Opa, er brachte Sandi Lesen und Schreiben bei. Er ist hier gestorben. Und ich bin in Wien hängen geblieben.

Im Dezember 1976 eröffneten Sie die Freie Bühne Wieden. Ohne Kreisler.

Zuerst wollte er mittun, plötzlich aber nicht mehr. Also hab ich es allein durchgezogen.

Warum wollte er nicht?

Er duldete nie jemanden neben sich, der stark ist. Gerhard Bronner war stark, Peter Wehle, Herbert Prikopa und Helmut Qualtinger waren es. Und vielleicht war auch ich ein bisschen zu stark.

Bronner und ihn verband eine tiefe Feindschaft.

Ja. Kreisler sagte über ihn, er könne besser schlechte Lieder schreiben. Er fühlte sich immer benachteiligt. Wenn er in einem gemeinsamen Abend zehn Lieder gesungen hat, durfte ich maximal sechs singen. Er war der "schwierige Zerrissene", wie Hans Weigel das treffend gesagt hat. Aber es sind tolle Chansons entstanden!

Er äußerte dann linksextremes Gedankengut und unterstützte die RAF.

Ich habe so gelitten! Ich sagte: "Warum machst du das? Das geht in die falsche Richtung!" Wir haben furchtbar gestritten. Unsere Beziehung ist wirklich durch seine linksradikalen Ansichten und seine menschenverachtende Art in die Brüche gegangen.

Kreisler ging dann nach Berlin.

Das war eine schwere Zeit – für die Kinder. Und später hatten wir diesen furchtbaren Urheberrechtsstreit wegen "Heute Abend: Lola Blau". Aber es war sehr beglückend, in der Freien Bühne Wieden meine eigenen Sachen machen zu können. Von Emmy Werner bis Christiane Hörbiger und Andrea Jonasson sind alle aufgetreten. Und auch die großen jüdischen Entertainer, zum Beispiel Fredy Durra.

2001 haben Sie das Theater Gerald Szyszkowitz übergeben.

25 Jahre sind genug, hab ich gesagt.

Sie wollten doch die Krallen ausfahren. Wie sehen Sie die Situation heute?

Das literarische Chanson hat in Österreich leider nicht den Stellenwert wie in Deutschland oder in der Schweiz. Das ist traurig. Und jeder, der das Wort "Nebbich" richtig aussprechen kann, glaubt, ein jüdisches Programm machen zu können. Dem ist leider nicht so. Mehr kann ich Ihnen nicht erzählen. Mein geliebter Erich Kästner hat gesagt: "Die Erinnerung ist eine mysteriöse Macht und bildet den Menschen um. Wer das, was schön war, vergisst, wird böse. Wer das, was schlimm war, vergisst, wird dumm!" Daher: "Noch einmal mit Gefühl!"

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