Till Lindemann über Prügel, Sex und verbrannte Haut

Wir nehmen dumme Ideen und machen etwas Schönes daraus!" So beschreibt Rammstein-Sänger Till Lindemann die Songs seines neuen Albums "Skills In Pills", das er zusammen mit Peter Tägtgren, einem Vielinstrumentalisten von der schwedischen Metal-Band Pain, aufgenommen hat.

Etwas Schönes heißt in diesem Fall: Laute Gitarren gepaart mit Orchester-Arrangements, hymnische Refrains und unverblümte Texte. Auch wenn Lindemann sich im Titelsong über die Pillen-Abhängigkeit der Gesellschaft lustig macht, oder in "Home Sweet Home" den Krebstod eines geliebten Menschen besingt, geht es auf dem Solo-Debüt doch vorwiegend um Sex. Oft – wie bei Rammstein – humorvoll aufgelöst, ein paar Mal aber doch an (und über) der Grenze zur Pornografie.

Im KURIER-Interview bestreitet Till Lindemann, dass das provozieren soll: "Es glaubt mir keiner, aber ich bezwecke damit gar nichts. Das sind einfach die Gedanken, die ich habe – die so viele Männer haben. Nur bin ich in der Lage, sie in Worte und Texte fassen zu können. Und die kommen einfach so raus . . . so wie das ist, wenn zwei Männer zusammen Spaß haben."

Ungezwungen

So schlüpft Lindemann in "Praise Abort", in die Rolle eines Vaters, den die Kinder nerven, weil sie zu viel Geld kosten, der deshalb beginnt, die Abtreibung zu befürworten. In "Fat" schwärmt der 52-Jährige von Sex mit fetten Frauen und in "Ladyboy" von der Ungezwungenheit, die schwule Männer im Bett pflegen. Zu ernst nehmen, sagt er aber, dürfe man das nicht: "Das ist Party-Musik! Auch wenn die Texte manchmal bizarr sind – man muss zwischen den Zeilen lesen und die Ironie darin erkennen können."

Musikalisch umgesetzt hat das Peter Tägtgren, mit dem Lindemann befreundet ist, seit Rammstein 1999 in Stockholm ihr Album "Mutter" abgemischt haben. Damals ersparte der Schwede Lindemann und Rammstein-Keyboarder Christian "Flake" Lorenz ein paar Knochenbrüche. "Till und Flake waren in einer Biker-Gang-Bar und haben Mädchen angebaggert. Der Ex-Freund der einen wurde eifersüchtig und wollte gerade eine Prügelei anfangen, als ich reinkam. Ich sagte, ,Stopp, das sind coole Typen!’ Da hat sich die Situation entspannt."

Etwa einen Kerzen-Wettstreit ausrufen: "Ich habe heute noch die Narbe davon", sagt Lindemann stolz. "Wir wetteten, wer von uns länger das Handgelenk über eine Kerze halten kann. Ich sagte: ,Ich schlage dich, du Weichei!’ Dann habe ich mir eine Zigarette angezündet, während mein Arm brannte und ich die verkohlte Haut riechen konnte."

Im September 2014 begann das Duo, gemeinsam Musik zu machen. Zumeist schickte Tägtgren musikalische Ideen nach Deutschland, zu denen Lindemann Texte schrieb. "Manchmal habe aber auch ich Peter Melodie-Ideen geschickt. Die hab ich mit dem iPhone in meiner Toilette aufgenommen, weil dort ein richtig guter Hall ist, und gleich per Voicemail verschickt."

Frischer Wind

Die Entscheidung, für dieses Projekt Englisch zu singen, fiel Lindemann schwer. "Ich hatte das noch nie gemacht und war unsicher. Aber Peter hat mich ermutigt. Ich habe mir dann jemanden geholt, der Grammatikfehler ausgebessert hat. Danach hat das richtig Spaß gemacht. Nach sechs Alben mit Rammstein, waren die englischen Texte wie ein frischer Wind in meinem Kopf."

Zu Rammstein kehrt Lindemann im September zurück: "Da treffe ich die Jungs im Proberaum und wir gehen in die Vorproduktion eines neuen Albums." Was aber nicht das Ende des Lindemann-Projektes bedeutet: "Ein Rammstein-Album dauert ein oder zwei Jahre. Da geht es sich dazwischen aus, dass ich mit Peter weiterarbeite. Ich will das unbedingt, das macht ja so viel Spaß."