The Wolfer: "Ich bin wie eine Schlange"

Mustapha Ajdour alias The Wolfer.
In Amsterdam findet am 4. 11. das Weltfinale statt – mit zwei Hoffnungsträgern aus Innsbruck.

"Die Chancen sind intakt, obwohl es sehr schwer werden wird", zeigt sich Mustapha Ajdour alias The Wolfer vorsichtig optimistisch. Der B-Boy (so nennen sich die männlichen Tänzer) holte sich im April dieses Jahres beim Austrian Cypher im ausverkauften Volkstheater den Sieg und damit das Ticket für die Vorausscheidung zum Weltfinale, das am 4. November in Amsterdam über die Bühne gehen wird. Ob ihm der Einzug ins Finale gelingen wird, hängt von der Tagesverfassung ab. "Wer an diesem Tag körperlich und mental am besten drauf ist, wird das Rennen machen", sagt er im KURIER-Gespräch.

Der sympathische B-Boy ist in Casablanca (Marokko) aufgewachsen, wo er auch zum ersten Mal mit Breakdance in Berührung gekommen ist. Sein älterer Bruder habe ihn immer zum Training mitgenommen. "Anfangs habe ich immer nur zugesehen, wie er auf der Straße mit seinen Freunden trainiert hat. Mit 14 habe auch ich angefangen, auf der Straße zu tanzen."

Bronx

Diese persönliche Anekdote fügt sich perfekt in die ganze Breakdance-Geschichte ein, die in den Straßen der New Yorker Bronx ihren Ausgangspunkt nahm. Breaking wurde in den 1970er-Jahren von Teenagern mit geringen Zukunftsperspektiven erfunden. Anstatt sich als Gangster einen Namen zu machen, powerten sie sich lieber bei den zahlreichen Battles in leer stehenden Gebäuden oder im Park aus. Im Fahrwasser des weltweiten Hip-Hop-Hypes Anfang der 1980er-Jahre wurde auch Breakdance salonfähig. Die Kids von der Straße waren plötzlich gefragte Tänzer für Musikvideos und Bühnenshows bekannter Rapper.

In den 1990er-Jahre flaute das Interesse am Breaken zwar weltweit ab, aber nach einem Tief kommt oft ein Hoch – und so erlebt die Kunstform, die stark mit der Hip-Hop-Geschichte verwurzelt ist, aktuell ein Revival. Verantwortlich dafür sind unter anderem die von Red Bull ins Leben gerufenen Wettbewerbe unter dem Namen BC One.

Originalität

Mustapha Ajdour (The Wolfer) ist seit geraumer Zeit Teil dieser neuen Generation an Breakdancern. Der 24-Jährige hat mittlerweile seinen Lebensmittelpunkt nach Innsbruck verlegt. Die Tiroler Landeshauptstadt scheint auch so etwas wie ein Hotspot der heimischen Breakdance-Szene zu sein. Denn neben Ajdour hat dort auch Foad Ambelj alias Lil Zoo seine Zelte aufgeschlagen. Der ebenfalls aus Casablanca stammende B-Boy ist zurzeit das Aushängeschild der österreichischen Breakdanceszene. Sein Ticket fürs Finale in Amsterdam hat er längst in der Tasche.

The Wolfer und Lil Zoo kennen einander bereits seit mehr als zehn Jahren. Sie haben einander in Casablanca kennengelernt, waren kurzfristig Konkurrenten, sind mittlerweile gute Freunde und nehmen gemeinsam an internationalen Breakdance-Wettbewerben teil, mit denen die beiden auch ihre Brötchen verdienen. Bei aller Freundschaft und der gemeinsamen Vergangenheit sei es aber wesentlich, dass jeder seinen eigenen Tanzstil entwickelt.

"Es ist wichtig, sich von anderen Breakdancern abzugrenzen. Jemanden nachzuahmen ist tabu und total peinlich. Originalität ist wichtig. Man muss unverwechselbar sein, seinen eigenen Stil, seinen eigenen Look entwickeln. Dabei spielt die eigene Vergangenheit und die eigene Geschichte eine große Rolle: Wo bin ich aufgewachsen, was hat mich geprägt und was will ich verkörpern? Am besten ist es, seinen Charakter beim Tanzen zu präsentieren", sagt Mustapha Ajdour. Für einen Laien ist es aber schwer, die unterschiedlichen Stile mit freiem Auge zu erkennen. Was unterscheidet also The Wolfer von Lil Zoo? "Lil Zoo ist viel verrückter als ich. Er ist viel stärker, kann dadurch mehr Power in seine Bewegungen legen. Ich bin eher wie eine Schlange, bin dehnbarer, gelenkiger und schneller. Müsste man es mit Superhelden vergleichen, wäre Lil Zoo Superman und ich Spiderman (lacht). Was uns verbindet sind die marokkanischen Wurzeln, die sich auch auf unsere Performance auswirkt", sagt The Wolfer.

The Wolfer: "Ich bin wie eine Schlange"
Breakdance

Auch das Outfit kann den Unterschied ausmachen. Denn mit einem außergewöhnlichen Stil hebt man sich aus der Masse ab und kann damit die Jury positiv beeinflussen. "Die Kleidung soll dann nicht nur außergewöhnlich aussehen, sondern darf natürlich beim Tanzen nicht einengen. Alles muss luftig-locker und komfortabel sein, die nötige Bein- und Bewegungsfreiheit gewährleisten." Apropos Outfit: Ajdours Ehefrau Sina, die übrigens zu den besten B-Girls des Landes zählt, betreibt in Innsbruck ihr eigenes Modelabel. Es nennt sich From The Soul und kombiniert Street-Fashion mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit. Soll heißen: Es werden Secondhand-Kleidungsstücke repariert, neu aufbereitet und unter anderem Breakdancern zur Verfügung gestellt. Tanzen wird The Wolfer in Amsterdam aber in einem speziellen Outfit – und zwar in einem Eishockey-Trikot, das ihm die Spieler von RB Salzburg geschenkt haben.

Regeln

Die Breakdance-Kultur begreift sich als (fast) frei von Regeln, kennt keine Diskriminierung, keinen Rassismus und keine Geschlechtertrennung: Tanzen als Brückenbauer zwischen den Kulturen. Natürlich will jeder B-Boy und jedes B-Girl der/die Beste sein, gewinnen, aber es gibt untereinander keine Rivalitäten. Bei den Wettkämpfen darf man sein Gegenüber zwar provozieren, ihm zeigen, dass man von seiner Darbietung gelangweilt ist, aber anfassen ist verboten. Damals wie heute dienen die Battles Jugendlichen zum Stress- und Aggressionsabbau. "Man kann seine negative Energie durch Breakdance loswerden", sagt Mustapha Ajdour.

Breakdance: Kunst oder Sport?

Breakdance ist Kunst und Sport zugleich. Viele Tänzer wollen aber nicht als Sportler, sondern als Künstler bezeichnet werden. Denn sie entwickeln neue Figuren, Moves und drücken sich mit ihrem Körper zur Musik künstlerisch aus.

Finale in Amsterdam: Das Red Bull BC One ist eine seit 2004 jährlich stattfindende Veranstaltung. Das Weltfinale findet jedes Jahr in einem anderen Land statt. 2017 ist Amsterdam an der Reihe. Die 16 besten Breakdancer treten am Samstag, den 4. 11., ab 21 Uhr in einem K.-o.-System gegenein- ander an. Österreich bzw. Marokko wird im Finale, für das sich auch noch The Wolfer qualifizieren kann, von Lil Zoo vertreten. Der KURIER wird auf Einladung von Red Bull aus Amsterdam berichten. Das Weltfinale wird live auf Red Bull TV (redbull.tv) übertragen und ist danach auch als Video on demand verfügbar.

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