"The Big Short": Im Schaumbad zur Finanzkrise

Wall-Street-Auskenner reden im rasenden Tempo über die kommende Finanzkrise, darunter Steve Carell (Mitte sitzend) und Ryan Gosling (re.)
Börsen-Farce mit Star-Ensemble erzählt von den Gewinnern des großen Crash.

Was Sie schon immer über die Finanzkrise 2008 wissen wollten, werden Sie auch hier nicht erfahren – aber zumindest bekommen Sie prominente Hilfe. Von Margot Robbie zum Beispiel, der weiblichen Hauptdarstellerin aus Martin Scorseses "Wolf of Wall Street": Während sich Robbie im Schaumbad wälzt und Champagner schlürft, erklärt sie uns, was eine ... äh ... "sub-prime mortgage" ist. Auch Teenie-Star Selina Gomez erweist sich als hilfreich und gibt uns zu verstehen, wie ein "synthetic CDO" funktioniert.

Doch selbst wenn man mitunter nur Bahnhof versteht: Im Fegefeuer der rapiden Wortkaskaden zwischen Bankern und sonstigen Wall-Street-Auskennern entzündet die Börsenfarce "The Big Short" ihre atemlose Energie.

Lange nicht so entgrenzt gut wie die Realsatire "The Wolf of Wall Street" und bei Weitem nicht so konzentriert wie das Finanz-Crash-Drama "Margin Calls", rappt sich Regisseur Adam McKay ("Anchorman") trotzdem einfallsreich durch die Finanz-Blödheiten der ’90er-Jahre, um schließlich den großen Banken-Downfall 2008 anzusteuern.

Ein beflügeltes Star-Ensemble – bestehend aus dem Komiker Steve Carell ("Ich bin glücklich, wenn ich unglücklich bin"), Verwandlungskünstler Christian Bale, einem schwarzhaarig gefärbten Ryan Gosling und dem altersnoblen Brad Pitt – befeuert sich gegenseitig im Dialoggefecht. Sie bilden eine kleine Gruppe an Banker-Insidern, die schon früh erkennen, dass die Weltwirtschaft auf eine enorme Krise zusteuert. Und die mit diesem Wissen große Mengen Geld scheffeln wollen.

Glasauge

Christian Bale als Hedgefond-Manager mit Glasauge verbringt seine Zeit damit, Death Metal zu hören, auf sein Schlagzeug einzudreschen und nebenher die Anleihengeschäfte großer Investmentbanken zu analysieren. Bei der Gelegenheit entdeckt er minderwertige Kredite und sieht sogar einäugig deren Kollaps vorher. Natürlich glaubt ihm kein Mensch, im Gegenteil: Die zuständigen Banker halten sich die Bäuche vor Lachen.

Auch Steve Carell als Manager mit Gewissen kann anfänglich nicht fassen, mit welcher Unverschämtheit sich Junginvestoren mit illegalen Investitionen brüsten. Er will ebenfalls das System mit dessen eigenen Waffen aushebeln. Ein wenig zu selbstberauscht treibt McKay die Handlung in schnellem Ortswechsel und rasanter Schnittfolge vor sich her. Kleine Abstecher in das Leben der Krisen-Opfer, die ihre Häuser verloren haben und in Autos wohnen, sorgen für den moralischen Unterton.

Denn eine Botschaft bleibt trotz verwirrendem Finanzjargon leicht verständlich: Die Banken sind am Ende nicht die Verlierer.

INFO: The Big Short. USA 2015. 130 Min. Von Adam McKay. Mit Christian Bale, Steve Carrell, Brad Pitt.

KURIER-Wertung:

Im Kino: "The Big Short"

Dass ein nuschelnder Schauspieler für eine Boxer-Rolle für einen Golden Globe nominiert und einen Oscar bekommen würde, das hatte 1977 niemand erwartet. Am wenigsten Sylvester Stallone selbst. Rund vier Jahrzehnte und sechs "Rocky"-Folgen später erhält er für dieselbe Rolle tatsächlich einen Golden Globe – und der nächste Oscar ist zumindest in Reichweite.

In "Creed" spielt der 69-jährige Action-Star den "Rocky" im Renten-Alter. Stallones Selbstironie macht das gut gemachte Boxer-Drama vergnüglich. War Rocky einst selbst noch der aufstrebende junge Boxer, so begleitet er nun den jungen Adonis mit Ratschlägen und Lebensweisheiten. Wegen seiner Adoptivmutter kann Adonis nur heimlich boxen, denn sie hatte ihn als Kind aus der Jugendstrafanstalt zu sich geholt, nachdem sein Vater, der berühmte Champion Apollo Creed im Ring gestorben war. Dem Sohn hat sie das Boxen verboten. Ryan Coogler inszenierte "Creed" als "Coming-of-Age-Story". Dem Boxfilm-Genre kann er zwar wenig Neues abgewinnen, aber wie Rocky – seit 40 Jahren das Idol des weißen Underdogs – für den jungen Afroamerikaner zum Ersatzvater wird, ist als gesellschaftliche Utopie berührend.

Text: Gabriele Flossmann

INFO: CreedRocky’s Legacy. USA 2015. 133 Min. Von Ryan Coogler. Mit Sylvester Stallone, Michael B. Jordan.

KURIER-Wertung:

"The Big Short": Im Schaumbad zur Finanzkrise
Sylvester Stallone erhielt seinen zweiten Globe für Rocky Balboa

Im digitalen Zeitalter sind persönliche Daten das neue Öl, nach dem global operierende Firmen schürfen. Und wenn Daten das neue Öl sind, ist Datenschutz der neue Umweltschutz.

Unter dieser Prämisse verfolgt der Schweizer Dokumentarist David Bernet das mühselige Ringen um ein EU-weites Datenschutzgesetz, das die Weitergabe persönlicher Infos zu Werbezwecken erschweren soll. Seit 2012 kämpft in Brüssel eine Kommission um einen Entwurf, doch die Fronten sind verhärtet: Die Interessen von Lobbyisten prallen auf Bürgerrechtsaktivisten. Erst die Enthüllungen Edward Snowdens bringen neuen Zund in den mühseligen Verhandlungsprozess zwischen EU-Parlament und Ministerrat.

Regisseur Bernet folgt vor allem Jan Philipp Albrecht, einem jungen Grün-Abgeordneten, der sich mit dem Entwerfen eines konsensualen Gesetzesentwurf herumplagt. Beinahe mit Thriller-Spannung entrollt Bernet in seiner glasklaren, schön fotografierten Schwarz-Weiß-Doku die Strategien jener Player, die auf Brüssels diplomatischen Parkett umherschleichen und ihre Interessen vertreten. Kleine Teilsiege werden erzielt, bis heute kein Gesetz verabschiedet. Die Einblicke sind faszinierend – und deprimierend zugleich.

Text: Alexandra Seibel

INFO: Democracy – Im Rausch der Daten. D 2015. 105 Min. Von David Bernet. Mit Jan Philipp Albrecht, Viviane Reding.

KURIER-Wertung:

"The Big Short": Im Schaumbad zur Finanzkrise
Mühseliger Kampf um Datenschutz: Jan Philipp Albrecht

In Frankreich konnte der Mythos von der Nation, in der sich alle Klassen zum Widerstand gegen die deutschen Besatzer vereinigt hatten, lange halten. Als Sensation wurde deshalb auch das Romanfragment „Suite française“ von Irène Némirovsky gefeiert, das erst 2004, lange nach Tod der Autorin, veröffentlicht wurde. Die aus Kiew stammende und im französischen Exil lebende jüdische Bankierstochter berichtete in Briefen und Notizen aus dem Leben im besetzten Frankreich von 1940 bis zu ihrer Deportation nach Auschwitz, wo sie 1942 ermordet wurde. Posthum wurde Irène Némirovsky dafür ein hoher französischer Literaturpreis zuerkannt und es war nur eine Frage der Zeit, bis ihre Aufzeichnungen auch das Licht der Kino-Leinwand erblickten.

Kompakter als die literarische Vorlage erzählt der Film vom Leben in einem französischen Dorf während der deutschen Besatzung. Im Mittelpunkt die junge und schöne Lucile (Michelle Williams), die von ihrer dominanten Schwiegermutter (Kristin Scott Thomas) bewacht. Ihr Ehemann ist im Krieg und beide Frauen warten auf Nachricht von ihm. Als ein deutsches Regiment im Dorf stationiert und dessen Offizier (Matthias Schoenaerts) bei ihnen einquartiert wird, gerät das Leben der beiden Frauen aus den Fugen – vor allem, weil Lucile und der gutaussehende Offizier ihre Leidenschaft nicht nur für das gemeinsame Klavierspiel teilen.

Wie alle Bewohner des Dorfes steht Lucille vor dem moralischen Dilemma zwischen Liebe und Verzicht, Kollaboration und Widerstand, Hoffnung und Illusion, Lebensgier und Aufopferung. Der englische Regisseur Saul Dibb hat Némirovskys hochdramatische Romanvorlage allzu glatt als hochkarätig besetztes Hochglanzprodukt der europäischen Filmförderung inszeniert, in dem eine US-Amerikanerin und eine Engländerin Französinnen spielen und ein Belgier einen Deutschen. Das multikulturelle Ergebnis wirkt leider eher gut gemeint, als wirklich gut.

Text: Gabriele Flossmann

INFO: GB/F/CA/BE 2015. 107 Min. Von Saul Dibb. Mit Michelle Williams, Matthias Schoenaerts.

KURIER-Wertung:

"The Big Short": Im Schaumbad zur Finanzkrise
Michelle Williams in "Suite Francaise"

Kommentare