The Beatles: It was fifty years ago today (tatsächlich)

Die Pilzköpfe als Figuren für den Setzkasten.
Am 1. Juni 1967 erschien die bis heute berühmteste Platte der Welt: "Sgt. Pepper" von den Beatles.

Vor 50 Jahren kam das Beatles-Album "Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band" heraus. Die Ehrfurcht, mit der dieser Anlass weltweit begangen und kommentiert wird, zeigt, wo die Popmusik heute angekommen ist: im Museum. Sie ist ein Ausstellungsstück geworden. Sie ist jetzt Hochkultur.

Museumsstück

Was macht "Sgt. Pepper" so einzigartig? Die Musik ist es, wenn man näher hinhört, nicht unbedingt. George Harrison äußerte später, er habe sich bei den Aufnahmen gelangweilt und bei "Rubber Soul" und "Revolver" mehr Spaß gehabt. Und John Lennon sagte: "Was ist sonst noch auf dem Album, außer, dass die Nummern ineinander übergehen?".

Die besten Songs von "Sgt. Pepper" sind jedenfalls gar nicht auf "Sgt. Pepper" drauf: "Penny Lane" und "Strawberry Fields Forever". Sie entstanden bei den selben Sessions, wurden aber, damals nicht unüblich, nur als Single herausgebracht.

Ohr-Gasmus

Natürlich ist da "A Day In The Life", aber auch dieser oft als "wichtigster Beatles-Song" genannte Titel wäre ohne den orchestral vorgetäuschten Orgasmus am Ende nur halb so spektakulär (formal besteht "A Day In The Life" aus einem Lennon- und einem McCartney-Fragment, die reichlich rüde zusammengepickt wurden).

Natürlich ist da auch "Lucy In The Sky With Diamonds", ein geradezu klassischer Lennon-Titel mit introvertierter Strophe und Kinderlied-Refrain und der stets geleugneten LSD-Anspielung. Und natürlich ist da auch "She’s Leaving Home", eine typische, tieftraurige McCartney-Ballade über familiäre Entfremdung mit einer wunderschönen Melodie. Und auch Lennons überdrehte Rummelplatz-Studie "For The Benefit Of Mr. Kite" ist bemerkenswert, wenn auch nicht unanstrengend. Und ja, "When I’m Sixty-Four" ist ein ganz allerliebster Song, auf dem McCartney wieder einmal so tut, als wäre er ein alter Schlagersänger (es fehlt nur das Schellack-Knistern).

Konzept?

Aber es findet sich für Beatles-Verhältnisse auch erstaunlich viel zweitklassige Ware auf dem Album. "Getting Better", "Fixing A Hole", "Lovely Rita" oder "Good Morning Good Morning" kann man schwerlich als Höhepunkte im Schaffen von Lennon/McCartney bezeichnen, und auch George Harrison hatte zwingendere Momente als seine Sitar-Etüde "Within You Without You".

Ist es das Konzept des Albums? Auch das kann es nicht sein, denn Paul McCartneys Idee vom durchgehenden Konzert einer fiktiven Band wird zwei Songs lang durchgehalten (der Titeltrack und das wunderbar traurige "With A Little Help From My Friends" mit Ringo am Mikro) und dann einfach unterwegs vergessen. John Lennon sagte 1980: "Sgt. Pepper gilt als das erste Konzeptalbum, aber es führt nirgendwo hin."

Ist es der Sound? Auch da hatten die Beatles schon Radikaleres geliefert, etwa auf "Revolver". Tatsache ist: Produzent George Martin machte einen hervorragenden Job, die spontanen Ideen der Beatles in Klang umzusetzen. Ringo Starr später: "Er wurde ein Teil der Band."

Ist es das Cover (mehr dazu im Text unter diesem Artikel)?

Schnurrbart

Vermutlich war es all das, aber vor allem: "Sgt. Pepper" traf den Moment perfekt: Sommer 1967, "the summer of love", alles erscheint möglich, Frieden, Kreativität, ein anderes Leben. Die Welt träumte einen kurzen, schönen Traum, und die Beatles sangen dazu.

Und warum hat die Platte bis heute diese ungewöhnliche Wirkung, die sie immer noch jede Umfrage nach dem wichtigsten Album aller Zeiten gewinnen lässt?

Vielleicht, weil sie so viele Fragen beantwortet.

Wie waren die Sechzigerjahre? Wer waren die Beatles? Was war Rockmusik? Was war Flower Power? Was war ein Album? Was war ein Cover? Wie fühlte sich Freiheit an, Mut, Liebe? Und was war eigentlich ein Schnurrbart?

Als Antwort reicht es, einfach auf "Sgt. Pepper" zu zeigen.

Luxus

Wer sich in dieses Lebensgefühl einkaufen will: Zum Jubiläum kommen diverse Luxus-, Superluxus- und Vollegurke-Luxus-Varianten mit Spezial-Mixes, Work-in-progress-Aufnahmen und Rundherum-Material heraus.

Die fiktive Musikkapelle hat ein Konzert beendet und wartet mit Freunden in einem Park darauf, dass der Bürgermeister ihnen eine Auszeichnung verleiht: Dieses Szenario hatte Paul McCartney für das Cover von "Sgt. Pepper" im Sinn. Mit der Umsetzung beauftragte er Peter Blake, einen prominenten Vertreter der britischen Pop-Art. Das Arrangement der Figuren, die die Fab Four auf dem Albumcover umringen, war aber eine Gemeinschaftsarbeit, alle Beatles (außer Ringo) lieferten Vorschläge.

Das Resultat war nicht nur eine oft imitierte Ikone der Pop-Geschichte (Frank Zappas "Mothers" reagierten schon 1968 mit dem Album "We’re only in it for the Money"). Das Cover ist auch ein symbolisch vielschichtiges Statement, wie der Kunsthistoriker Walter Grasskamp in seinem Essay "Das Cover von Sgt. Pepper" (Wagenbach Verlag, 2004) argumentiert. Denn die Beatles nehmen in dem Bild eine Mehrfach-Funktion ein: Die "neue" Gruppe mit Fantasieuniformen steht in der Collage neben den "Pilzköpfen" aus Madame Tussaud’s Wachsfigurenkabinett; dahinter reihen sich Ahnenfiguren von Marlon Brando und Bob Dylan bis Marilyn Monroe und Edgar Allan Poe.

Die Beatles als Idole zahlloser Fans gaben sich also selbst als Fans zu erkennen – und stellten sich zugleich in eine Ahnenreihe, wie sie etwa auch schon Raffael in der "Schule von Athen" (1509/’10) malte. Das Cover brach so mit der verbreiteten Vorstellung, dass der Pop-Personenkult ein Zeichen besonderer Kulturlosigkeit sei. Im Handy-Zeitalter, in dem die Menschheit ständig vor berühmten Vor-Bildern posiert, ist das Cover noch immer überraschend aktuell.

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