Was heißt hier schon böse?

Was heißt hier schon böse?
Das Teenager-Phänomen ist ab Donnerstag im Kino.

Er scheint unaufhaltsam, der Trend zu amerikanischen Superhelden in modisch riskanten Einteilern.

Schon zum fünften Mal wirft Spider-Man im Kino nun seine Netze aus. Ab nächster Woche als "The Amazing Spider-Man 2".

Es ist – um im offiziellen Filmsprech zu bleiben – "das Sequel eines Reboots der Spider-Man-Trilogie von Sam Raimi, die auf den Marvel-Comics der 1960er basiert."

Was die vornehme Art ist zu sagen: der zweite Teil der Kopie einer Kopie.

Jungspund

Nicht, dass das was Schlechtes sein muss (und tatsächlich ist). Schließlich ist Spider-Man der sexy Jungspund unter den Superhelden. Gegen ihn wirkt Batman wie ein humorloser, reicher Onkel, Hulk wie ein spargelgrüner Wüstling und Superman wie tote Hose. In Spider-Man entspinnt sich die zeitlose existenzielle Geschichte eines normalen Jugendlichen, der plötzlich von seinen aufwallenden Kräften übermannt wird und vor Zukunftsfragen steht: Will er normaler Mann sein oder Missionar? Verantwortung für die ganze Gesellschaft übernehmen oder nur für die Familie?

Das alles war in Sam Raimis Trilogie (2002–2007) schon zu sehen. Bei den Vorbereitungen zu Teil vier hatte er sich dann mit Sony Pictures überworfen und war ausgestiegen (mit ihm auch Kirsten Dunst und Toby McGuire). Der junge US-Regisseur Marc Webb, bis dahin nur mit der Romanze "500 Days of Summer" aufgefallen, übernahm und inszenierte ein Remake des ersten Teils mit neuem Star (und was für einem!), neuem Anzug und neuer Freundin. Dieses Remake binnen zehn Jahren – das ist sogar in der Ära öffentlichen Aufmerksamkeitsdefizits ziemlich kurz – hätten viele nicht gebraucht. Die Jugendlichen schon, es wurde prompt wieder zum Erfolg. Geschichtlich gesehen ist das kein Wunder: Spider-Man war bei seinem Erscheinen 1962 der erste Teenager-Superheld des Comiclabels Marvel. Stan Lee und Jack Kirby hatten damit – in einer Zeit der darniederliegenden Comic-Branche – die richtige Zielgruppe entdeckt und erobert: die Jugendlichen eben. Im Kino sollte es dann Sam Raimis Spider-Man-Adaption vorbehalten sein, die Super-Erfolge der Superhelden einzuläuten.

Seither können wir uns kaum mehr retten vor all den Herren, die die Welt retten. Und das Spannende an all den Übermenschen ist ihre Achillesferse. Iron Man ist eitel, Hulk zornig, Spider-Man ein Teenager mit Doppelleben- und Lügen, der es jedem rechtmachen will. In "The Amazing Spider-Man 2" ist er zwischen der Liebe zu Gwen und jenem Versprechen hin- und hergerissen, das er ihrem sterbenden Vater gegeben hat: auf Gwen zu verzichten. Ja, da ist er wieder, der natürliche Charme des Teenagerlebens aus Teil 1, doch diesmal fügt er sich nicht ganz in die übernatürliche Welt der Überhelden.

Unter Strom

Die setzt nämlich mehr als in Teil 1 auf Hochspannung: Es zählt wohl zu den stärksten Momenten des Films, wie aus dem kleinen netten Angestellten und Elektrotechniker Max (Jamie Foxx) der unter Strom stehende Mr. Electro wird. Ein böser Mr. 100.000 Volt. Aber was heißt hier schon böse? Es ist die große Geschichte eines kleines Mannes, der nie gesehen wird; mit dem keiner den Geburtstag feiert und der Spider-Man sklavisch verehrt. Durch einen Unfall mutiert er zu einem, der endlich gesehen wird. Einem Bösen wider Willen, einem, den die Gesellschaft dazu macht.

Ja, ja, auch die Kopie der Kopie zweiter Teil kann also noch beeindrucken. Und auch wenn man sie vielleicht auch nicht gebraucht hätte – unterhalten kann sie schon.

Info: The Amazing Spider-Man 2 – 3D.142 Min. USA 2104. Von Marc Webb. Mit Andrew Garfield, Emma Stone.

KURIER-Wertung:

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Comicverfilmungen gelten als flopsicherer Blockbuster-Stoff: Dass "The Amazing Spider-Man 2" bereits die fünfte Verfilmung der gleichnamigen Comicvorlage innerhalb von nur zwölf Jahren ist, wird das Publikum nicht mehr irritieren. Wiederholungen und Fortsetzungen haben sich geradezu zum Stilmittel dieses neuen Genres entwickelt – und für originellere Experimente fehlt ohnehin der Spielraum. Die Wirtschaftskrise, sie hat auch Hollywood fest im Griff.

Die Comic-Schmiede Marvel hat sich dabei als besonders verlässlicher Vorlagengeber erwiesen. Mehr als 40 Filme mit Marvel-Superhelden sind in den vergangenen Jahren in die Kinos gekommen. Und auch die bis dato erfolgreichste Comicverfilmung stammt aus dem im Jahr 1939 in New York gegründeten Verlag: "Marvel’s The Avengers" spielte 2012 über eine Milliarde Euro ein.

Neue Helden

Eine Erfolgsgeschichte, die entscheidend von einem Mann geprägt wurde: Stan Lee erfand Anfang der 1960er-Jahre eine neue Art von Superheld. Mit den "Fantastic Four" (1961) zeigte der heute 91-Jährige erstmals die ganz alltäglichen Probleme einer Superhelden-Familie. Seinem Spider-Man (1962), dem erfolgreichsten Marvel-Comic, verdankte der Verlag den Aufstieg zum Branchenprimus neben Ewig-Konkurrent DC-Comics. Lee wollte nicht die unantastbar strahlenden Helden zeigen, wie sie mit Superman, Wonder Woman und Batman bei DC ein Zuhause gefunden hatten. Das Superhelden-Dasein als Ausnahme von einem beschwerlichen Leben sollte zu Stan Lees Markenzeichen werden.

Dass die DC-Verfilmungen von "The Dark Knight" bis "Superman" zuletzt düsterer ausfielen als die Marvel-Adaptionen, mag auch der Übernahme durch Walt Disney im Jahr 2009 geschuldet sein. Für rund 2,9 Milliarden Euro wechselten damals auch gleich die Rechte für die 8000 Figuren aus dem Marvel-Universum ihren Besitzer. Der Stoff für Kino-Blockbuster wird also noch lange nicht ausgehen. Bis ins Jahr 2028 soll Kevin Feige, Chef der Marvel-Filmstudios, die Erweiterung seines Universums geplant haben.

Mit den "Guardians of the Galaxy" wird man Ende August den nächsten Schritt wagen und neue Figuren einführen. Und um auf Nummer sicher zu gehen, ist für April 2015 bereits die nächste Fortsetzung angekündigt. "The Avengers 2" soll wieder für Rekordwerte sorgen.

Es wird nicht der letzte Teil gewesen sein, garantiert...

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