The 1975 live: Ambitioniert bei mittelmäßigen Songs

Matthew Healy, Frontmann und Mädchenliebling von The 1975
Die Pop-Band spielte zum Tour-Finale in der Wiener Arena.

Noch ein letztes Mal alles geben, dachten sich The 1975 wohl, als sie Samstag in der Arena in Wien zum Finale ihrer Tour zum Album "I Like It When You Sleep, For You Are So Beautiful Yet So Unaware Of It" antraten.

22 Monate, sagte Sänger Matthew Healy, seien sie jetzt schon mit dieser Show auf Achse, nach dem Konzert in der Arena kämen nur mehr ein paar Festival-Auftritte.

Das letzte Mal für eine lange Zeit als Headliner loszulegen, gab dem Quartett (und zwei Session-Musikern) offenbar einen Schub Ambition. In der Arena machten sie sich mit hörbar mehr Einsatz ans Werk, als im April 2016 im Wiener Gasometer. Wenn der Gitarrist mit funkigen Riffs loslegte und der Saxofonist darüber improvisierte, ging die Musik – bei der noch dazu alles live gespielt wurde – gut in die Beine. Zudem hat Healy in den Texten schon etwas zu sagen, geht ehrlich auf seine Drogenvergangenheit und Themen wie Depressionen und Sex ein.

Atmosphäre

Auch die Show ist ansprechend, weit entfernt von dem bunten Klamauk, den andere Acts mit einem Publikum, das vorwiegend aus weiblichen Teenagern besteht, sonst bieten. LED-Türme vor einer LED-Wand machen Atmosphäre, indem sie eine Farbe in andere Schattierungen ziehen, rosa-lila-blau oder schwarz/weiß leuchten. Nur selten fungieren die Türme als Projektionswand für Bilder, die zum Beispiel New York oder Los Angeles symbolisieren.

Doch all das löst nicht das Problem, dass The 1975 keine herausragenden Songs haben. Selbst Hits wie "Sound" und "Chocolate" sind nur Durchschnitt. Und ihr Sound klingt wie von überall zusammengeklaut, aber nirgendwo mit Eigenständigkeit durchzogen. Mal wird man an Prince, mal an INXS und dann wieder an Electro-Pop-Bands erinnert.

Es fehlt an merkbaren und merkwürdigen Melodien. Immer wieder beginnen Songs vielversprechend – "A Change Of Heart" etwa, oder "Somebody Else". Sie bauen in der Strophe Spannung auf, entwickeln sich aber nicht weiter, können sich mit emotionsschwachen und schon hundertmal anderswo gehörten Tonfolgen im Refrain nicht steigern.

"Das ist nur Pop-Musik und Eskapismus. Aber in Zeiten wie diesen ist es auch wichtig, das zu haben", sagte Healy gehen Ende der Show. Stimmt. Allerdings kann auch Eskapismus spannender klingen.

KURIER-Wertung:

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