"Wir suchen alle das Ereignishafte"

Regisseur Sven-Eric Bechtolf über die "Ariadne"-Premiere in Wien, den Neuanfang in Salzburg und die Event-Kultur.

Es war ein Triumph bei den Salzburger Festspielen 2012: Sven-Eric Bechtolfs Inszenierung der Strauss-Oper „Ariadne auf Naxos“. Nun führt Bechtolf auch an der Wiener Staatsoper bei diesem Werk Regie. Allerdings wird die Wiener Fassung gespielt, mit komponiertem Vorspiel anstelle eines Stückes von Molière. Premiere ist am 19. Dezember, Franz Welser-Möst dirigiert. Der Regisseur im Interview.

KURIER: Herr Bechtolf, Sie hatten in Salzburg mit der Urfassung der „Ariadne“, für die Sie selbst das Schauspiel „Der Bürger als Edelmann“ als neues Vorspiel bearbeiteten, großen Erfolg. Was, außer der neuen Fassung und der Besetzung, wird sich nun für Wien ändern?
Sven-Eric Bechtolf:
Im Wesentlichen sind das Änderungen dramaturgisch-inhaltlicher Natur. Dadurch ergeben sich natürlich auch eine Fülle neuer szenischer Details. Durch meinen Kunstgriff in Salzburg, Ottonie von Degenfeld-Schonburg und Hugo von Hofmannsthal höchstpersönlich auf die Bühne zu bringen, konnte ich das Thema des „Theaters auf dem Theater“ in einer Pirandello-haften Weise besser legitimieren. Hier, in der Fassung von 1916, ist der Konflikt der Antagonisten Zerbinetta und Komponist das Thema – und das verändert einiges.

Was hat sich, bei der zweiten Erarbeitung des Stoffes in so kurzer Zeit, für Sie selbst geändert?
Für mich selbst ändert sich unentwegt alles. Selbst wenn ich die gleiche Inszenierung aufgenommen hätte, würden sich Perspektivwechsel eingestellt haben.

Welchen Sinn, außer der Kostenersparnis aufgrund des Bühnenbildes, hat eine solche Koproduktion?
Wir haben in Salzburg etwas Schönes erschaffen. Das sang- und klanglos verschwinden zu sehen, wäre doch schade. Nach nur sechs Vorstellungen! Außerdem ist es für mich außerordentlich reizvoll, nun auch die Fassung von 1916 zu inszenieren. Meinen Blick auf die Gesamtheit des Stoffes hat dieses Abenteuer vertieft. Und sicher wird es auch denen Spaß machen, die die Salzburger Fassung gesehen haben. In meinen Augen spricht alles für solch eine Koproduktion. Es ist eine gewisse Verschwendung verhindert worden und zugleich doch eine, durch das komponierte Vorspiel und die eingangs erwähnten Veränderungen, neue Inszenierung zu sehen.

"Wir suchen alle das Ereignishafte"
Ariadne Naxos - Wiener Staatsoper/Michael Poehn - honorarfrei!!!
"Ariadne“ an der Staatsoper: Stephen Gould (li.,) ist der Bacchus, Daniela Fally (re.) die Zerbinetta. Krassimira Stoyanova singt die Ariadne, Christine Schäfer den Komponisten

 

Wird man die Salzburger Fassung noch einmal, etwa in Wien, erleben können?
Ich höre, dass es diesen Plan gibt.

Sie arbeiten nun in Wien mit Dirigent Franz Welser-Möst zusammen. Laut Salzburgs Festspiel-Intendant Alexander Pereira haben Sie auf Welser-Mösts Absage des Mozart-Da-Ponte-Zyklus in Salzburg, den Sie inszenieren werden, mit großer Enttäuschung reagiert. Stimmt das? Und trübt das die jetzige Zusammenarbeit?
Wenn ich nicht enttäuscht wäre, müsste ich ein seltsamer Charakter sein. Die Arbeit trübt das nicht.

Ist die Absage von Welser-Möst für Sie nachvollziehbar?
Ich habe zu diesem Thema alles, was ich zu sagen hatte, gesagt. Allerdings den Menschen, die es anging. Solcherlei Dinge in der Zeitung darzulegen, entspricht mir nicht. Ich verstehe Ihre Frage, ich hoffe, Sie verstehen mein Beharren auf Diskretion.

Ein Projekt wie ein derartiger Zyklus muss ja lange vorbereitet sein. Wie schwierig ist es für Sie, wenn nun mit Christoph Eschenbach kurzfristig ein anderer Dirigent einspringt?
Ich bin mit Christoph Eschenbach seit über 30 Jahren befreundet. Er ist ein wunderbarer Künstler und ein wunderbarer Mensch. Dass er nun die musikalische Leitung übernimmt, ist für mich ein gutes Omen für einen Neuanfang.

Pereira nannte als „wahren Grund“ für die Absage von Welser-Möst, dass sich „zwei Menschen auseinandergelebt haben“. Nun sind Sie Schauspielchef der Salzburger Festspiele. Wie ist Ihr Zusammenleben mit Pereira?
Wie heißt es im Liede: „Die Unbequemen sind den Unbequemen stets bequem!“Oder einfacher ausgedrückt: gut!

Wie lautet Ihr Kommentar zum Vorwurf der Eventisierung in Salzburg?
Mir ist etwas derartiges nicht vorgeworfen worden. Das Wort „Event“ wird wohl am besten mit „Ereignis“ übersetzt. Wobei ein „Ereignis“ meistens zum Event, ein Event selten zum „Ereignis“ wird. In Wahrheit suchen wir ja alle das Ereignishafte – auf die Gefahr hin, dass es zum Event wird. Die Salzburger Festspiele haben viele Ereignisse hervorgebracht – und damit sind sie selber ein Event geworden. Das gleiche gilt für das Burgtheater und die Staatsoper. Wie sind – speziell in der Musikbranche – da noch harte Trennungslinien zu ziehen? War zum Beispiel die Eröffnung der Scala mit „Lohengrin“ ein Event? Vermutlich. Trotzdem war Jonas Kaufmann ein Ereignis. Also: Hier Richter zu spielen, wird nicht ganz einfach sein. Aber wie gesagt, mir hat meiner Kenntnis nach niemand diesen Vorwurf gemacht.

Sie produzieren in Salzburg 2013 einen neuen „Jedermann“ mit Cornelius Obonya in der Titelpartie und Brigitte Hobmeier als Buhlschaft. Zuletzt war noch offen, wer die Rollen von Tod und Teufel gestaltet. Wer ist es geworden?
Der Tod ist ja immer schon da! Der Teufel naht sich uns in versteckter Gestalt! Der Tod ist Peter Lohmeyer, der Teufel hat sich uns – noch nicht – zu erkennen gegeben!

Es gab Gerüchte, dass Andrea Breth in Salzburg „Wallenstein“ mit Ihnen in der Titelrolle inszenieren wolle. Ist das konkret?
Davon habe ich auch schon gehört, wissen Sie Näheres?

Leider nicht. Was sind Ihre nächsten Pläne als Schauspieler? Und welche als Regisseur?
Als Regisseur mache ich als nächstes „La Cenerentola“ an der Wiener Staatsoper (Premiere am 26. 1., Anm.), und als Schauspieler hoffe ich auf Angebote. Es gibt Gerüchte, dass ich Wallenstein in Salzburg spielen soll. Aber leider höre ich von den Herrschaften nichts! Nada! Null! Zustände sind das!

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