Suppe gegen Kunst: Klimaaktivisten haben das falsche Ziel

Suppe gegen Kunst: Klimaaktivisten haben das falsche Ziel
Die Klimakrise ist eine Herausforderung für die Menschheit - und Kunst könnte ein Modell für die gemeinsame Anstrengung sein
Michael Huber

Michael Huber

Themenausstellungen, Diskussionen, Workshops, konkrete Maßnahmen zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks bei Ausstellungsaufbau und Transport: Museen haben in den vergangenen Jahren viel getan, um Bewusstsein für die Klimakrise zu schaffen.

Die Herausforderungen, die der drohende Kollaps für die Bewahrung des Erbes der Menschheit bringt, sind wenigen Leuten stärker bewusst als jenen, die sich tagtäglich um die Bewahrung und Vermittlung dieses Erbes bemühen.

Breite Aufmerksamkeit erlangen die Aktivitäten der Museen aber nur schwer. Wer Suppe auf ein Gemälde schüttet oder sich an einem Bilderrahmen festklebt, wie es zuletzt in London, Florenz oder Berlin mehrfach geschah, erzeugt diese Aufmerksamkeit dagegen mit großer Zuverlässigkeit – die Dynamik der Medien macht es so gut wie unmöglich, diese Inszenierungen zu ignorieren.

Dass die Aktivisten damit große Teile der Bevölkerung und viele potenzielle Verbündete im kulturellen Feld verprellen, scheint egal. Was zählt, ist die Lautstärke, die mit Schulstreiks oder Straßenblockaden offenbar nicht mehr zu erzielen ist – auch die Aufmerksamkeitsökonomie spürt die Inflation.

Vonseiten der Initiatoren der Proteste heißt es, moderate Maßnahmen würden eben nichts bewirken. Zudem lassen sich weitere Extrem-Aktivisten nicht mit freundlichen Maßnahmen rekrutieren. Und es gibt Erhebungen, die belegen, dass bei extremen Aktionen zwar die Protestierenden, nicht aber die Anliegen selbst an Unterstützung verlieren. Und was ist schon ein Gemälde, das vielleicht sogar hinter Glas im Museum hängt, gegen den Verlust unserer Lebensgrundlage auf dem Planeten?

Suppe gegen Kunst: Klimaaktivisten haben das falsche Ziel

Es geht um Werte

Diese Gegenüberstellung aber ist zutiefst falsch. Denn die Verletzlichkeit eines Kunstwerks ändert sich nicht durch einen Glassturz, sondern nur durch den Konsens, den eine Gesellschaft darüber erzielt. Lange Zeit konnten wir uns darauf einigen, dass außergewöhnliche Kunstwerke Errungenschaften der Menschheit als solcher darstellen: Auch wenn wir uns nicht mit der Religion oder den Machthabern identifizieren, in deren Auftrag ein Kunst- oder Bauwerk einst entstand, ist der Umstand, dass Menschen zur Schaffung eines solchen Werks fähig sind, eine Bestätigung unserer selbst. Wir gehen in Museen und unternehmen Reisen, um uns dieses Umstandes immer wieder zu versichern.

Das Aufsichtspersonal und die Restauratoren in Museen, die eigentlichen Leidtragenden der Suppenproteste, konnten lange hoffen, dass dieser Konsens ihre Arbeit nicht vergeblich macht. Nun scheint dieser Zusammenhalt zu bröseln – das Museumspublikum wird es wohl bald in Form verschärfter Sicherheitsmaßnahmen zu spüren bekommen.

Die Botschaft, dass gerade zur Bewältigung der Klimakrise die Menschheit als Ganzes gefordert ist – und dass Kunst, bei all ihren Problemen, ein Beispiel für das sein kann, was die Menschheit zu leisten imstande ist – will die Gemeinschaft der Suppenwerfer nicht hören.

Dabei hat die Kunstszene ihre stärkste Waffe schon mehrfach gezückt, indem sie Personen ächtete, die nicht am humanitären Zukunftsprojekt teilhaben: Klimawandelleugner, Ölkonzerne oder Waffenfabrikanten sollen sich nicht mehr via Kultursponsoring reinwaschen können. Die Kunstwelt ist hier durchaus eine effektive Arena des Protests. Nur lasst bitte endlich die Werke in Ruhe.

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