Supancic: Udo Jürgens im Bahnhofs-Resti

Supancic: Udo Jürgens im Bahnhofs-Resti
Kritik: Musikkabarettist Mike Supancic liefert mit "Traumschiff Supancic" eine fulminante Tour de Force im Kabarett Niedermair ab.

Dass Mike Supancic Musikkabarett (ein gefährliches Genre) auf hohem Niveau abliefert, ist dem interessierten Kleinkunst-Publikum schon seit längerem bekannt. Was der gebürtige Steirer aber am Dienstag bei der Wien-Premiere seines zwölften Programms "Traumschiff Supancic" im Kabarett Niedermair abgeliefert hat, übertraf alle Erwartungen. Selten hat man ein Publikum dermaßen enthemmt lachen gehört und gesehen.
Wie hat "Käpt'n Mike" das gemacht? Die köstlichen Musikparodien, für die der Vollblut-Kabarettist bekannt ist, sind in "Traumschiff Supancic" kaum abzuzählen. Schwer zu sagen, ob Supancic hier nicht sogar mehr als hundert Stücke durch den Kakao zieht. Seinen Musikkanon hat der Mann an der Gitarre deutlich erweitert: Da gibt's neben den bewährten Satire-Opfern Pop- und Schlagermusik nun auch deutschen Ghetto-Rap, Thrash Metal und Free Jazz-Anklänge.

Keine Kohle in Athen

Aber wozu fährt Supancic dieses aufwändige maritime, musikalische Menü auf? Um kleine und große Geschichten vom Scheitern und Weiterwursteln zu erzählen. Anlässe dazu boten sich dem Kabarettisten in den letzten zwei Jahren genug: Die Nachwehen nach dem Tod Haiders, Finanzkrisen, drohende Staatspleiten ("Keine Kohle in Athen") und natürlich: Albert Fortell. Um diese Geschichten miteinander zu verbinden, hat Supancic einen losen roten Faden geknüpft, der sich rund um Kreuzfahrten, TV-Traumschiffe und sinkende Kähne dreht.

Käpt'n Mike heuert auf der "MS Titanitsch" an, um sein Salär aufzubessern. Zwischen den Fan-Gruppen von Manuel Ortega, Pfarrer Brei ("So grausam scherzt das Leben"), Sulmtaler Nierndln und Hansi Hinterseer sucht er seine eigene - mit wenig Erfolg. Es muss also eine neue Geschäftsidee her, denn das Leben an Bord ist teuer. Selbst für den Zugang zur eigenen Kajüte ist ein 1-Euro-Jeton nötig, der sinnigerweise 3 Euro kostet. Es folgt ein Lamento über die Finanzkrise mit Parodien wie "DAX - das war sein letztes Wort" oder "Meine Boni sind over the Ocean".

Metallica, Mekka der B-Promis und Mini-Udo-Musical

Supancic: Udo Jürgens im Bahnhofs-Resti

Käpt'n Mike versucht zunächst, seine eigene "Traumschiff"-Serie zu schreiben. Als musikalisches Landprogramm gibt es dabei für die 40-Plus "Bergwandern mit Metallica", für die 70-Plus Bob Dylan - in einer von Supancic herrlich hingerotzten Version. Zunächst holt sich "Herr Suppensitz" bei einem gelangweilten ORF-Programmplaner, dem nur im WC nie die "Linie" fehlt, eine blutige Nase. Dann werden ATV ("das Mekka der B-Promis") und Puls4 abgeklappert. Einige Parodien (z.B. Rapper Bushido als ödipaler Prolo) und böse Bashings der Grassers, Elsners und Mensdorff-Pouillys später ist Supancic schließlich bei der heruntergefallenen Sonne angelangt: Abstrusere Verschwörungstheorien und Haider-Sichtungen wurden wohl selbst in Kärnten noch nicht aufgetischt.

Aber er kann noch böser: die Regensburger Domspatzen werden von Supancic zum Jungscharlieder-Singen herbeizitiert ("Der Prälat kommt heut Nacht", "Tausendmal berührt"). Kindesmissbrauch als Musikrevue - auch eine Art von Bewältigung des Skandals.

Mutmaßt man in der Pause, Supancic habe sein Pulver nun verschossen und befürchtet man daher, dass der typische Knick in der zweiten Hälfte erfolgt, so liegt man total falsch: Supancic schwingt sich zu einem Mini-Udo-Jürgens-Musical auf (wieder so eine Geschäftsidee), welches das Publikum zum Johlen bringt. Der Titel: "Ich war noch nie in Mariazell". Alles beginnt, als im Bahnhofs-Resti von Mürzzuschlag der Kalbsschedl Fredl und der Leistentritt-Peda aufeinandertreffen. Einer der beiden wird von einer Friseuse in das Double von Albert Fortell verwandelt und der begehrte Christoph Waltz muss hier natürlich ebenfalls mitmischen.

Zawinul-Hommage und Ozeanriese

Supancic: Udo Jürgens im Bahnhofs-Resti

Ziemlich freakig wird's, als Supancic dem "Synthesizer von Joe Zawinul" - dem er leibhaftig begegnet - eine herzzerreißende Hommage widmet - und alle musikalischen Phasen des Erdberger Jazz-Genies bis zur Ethno-Schiene durchdekliniert. Stellenweise befürchtet man, dass Supancic nun sämtliche Gäule durchgehen, aber es herrscht niemals totale Panitsch auf der Titanitsch. Auch wenn bisweilen die konkrete Message und Tiefgang abgehen mögen - Einfallsreichtum, Wortwitz und die Präzision, mit der Supancic seine Gags setzt, sind beeindruckend.
Als er etwa zu einem Kauderwelsch-Monolog im Steirer-Slang ansetzt, den "Pepi von BP" besingt, als Zugabe noch der ÖBB ordentlich einheizt (heutzutage Kabarettistenpflicht) und das ganze mit Herbert-Prohaska-Stimme noch einmal zusammenfasst, liegt das Publikum längst vor Lachen am Boden. Dieses Programm ist der neue Ozeanriese in der musikalischen Kleinkunst.

(Peter Temel)

INFO: "Traumschiff Supancic", 7.-9. Oktober. Dann jeden Dienstag und 28.-30. Dezember. Ausverkauft bis einschließlich 16. November. Kabarett Niedermair, Lenaugasse 1a, 1080 Wien, Tel. 01 / 408 44 92

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