Steven Spielberg: "Die Helden des Films sind Journalisten"

Der Starregisseur im Interview über Trump, Medien und warum er lieber weibliche Chefs hat.

Eine legendäre Story. Zwei legendäre Stars. Ein legendärer Regisseur. Mit "The Post" (deutsch: "Die Verlegerin", Filmstart am 22. Februar) hat Steven Spielberg einen der besten Filme seiner mega-erfolgreichen Karriere gemacht. Lange vor Watergate deckte die Washington Post eine Vertuschung der Regierung über den Vietnamkrieg auf und druckte die geheimen Pentagon-Papiere.

Meryl Streep und Tom Hanks spielen Herausgeberin Katherine Graham und Chefredakteur Ben Bradlee. Das Drehbuch schrieb eine 31-jährige Erstlingsautorin. Als Spielberg das Skript bekam, verschob er zwei geplante Filme auf 2018.

KURIER: Trump beschimpft die Medien und wird beschuldigt, in einen Vertuschungsskandal involviert zu sein. Sie machten einen Film über einen Vertuschungsskandal, in den mehrere US-Präsidenten verwickelt waren und in dem einer – Nixon – die Medien heftig angriff. Glauben Sie an Synergie?

Steven Spielberg: Und wie! Mein ganzes Leben, meine ganze Karriere ist von Synergie bestimmt. Und als ich dieses Drehbuch in die Hand bekam, konnte ich das Timing nicht fassen. Und ich wusste, dass die Geschichte, die Fakten sofort erzählt werden mussten, nicht erst 2018, wenn ich zufällig wieder Zeit für ein neues Projekt habe.

Sehen Sie die Parallelen zu heute?

Die Parallelen sind offensichtlich. Nixon hielt es mit der Wahrheit nicht so, wie die Wahrheit das verdient. Erinnert uns an wen? Ich habe hier einen patriotischen Film gemacht, keinen parteipolitischen. Nicht als Demokrat, sondern als jemand, der an die Pressefreiheit glaubt, an Journalismus. Und auch als Gegenmittel zu diesem entsetzlichen Begriff "Fake News". Die Helden meines Films sind Journalisten, und sie sind wahre Helden.

Warum hat es 40 Jahre gedauert bis Sie endlich mit Meryl Streep gedreht haben?

Ich konnte ja gar nicht glauben, dass Tom Hanks und Meryl noch nie einen Film miteinander gemacht hatten! Das ist mein fünfter mit Tom, aber ich konnte noch nie etwas Passendes für Meryl finden. Sie war nicht die Richtige für "War Horse" (lacht) und es gab keinen guten Part für sie in "Lincoln", obwohl Daniel Day-Lewis in seiner Oscar-Dankrede meinte, sie wäre meine erste Wahl für seine Rolle gewesen. Ich kannte Meryl privat, wir waren beide sehr eng mit Carrie Fisher befreundet, und wir haben immer davon fantasiert miteinander zu arbeiten. Und ich kannte Katherine Graham. Als ich also das Skript sah, wusste ich sofort, dass niemand anderer diese Rolle spielen könnte. Und so konnten Meryl Streep und Tom Hanks endlich miteinander drehen. Ich bin so froh und dankbar, dass ich der Regisseur des Debüts dieser zwei großartigen Schauspieler sein durfte.

Katherine Graham war eine sehr mächtige Frau, die ihren Job aber nur dem Umstand verdankte, dass ihr Mann verstarb, dem ihr Vater die Washington Post in Wirklichkeit hinterlassen hatte …

Ja, und sie war auch noch unglaublich stolz, dass ihr Mann den Job bekam und nicht sie! Das waren ganz andere Zeiten. Frauen haben sich viel weniger zugetraut als heute. Und ja, es hat sich seit 1971 vieles verändert, aber nicht genug für Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Wer war oder ist Ihre beste Vorgesetzte?

Wie Sie wissen, waren es bei mir immer Frauen, die meine Produktionsfirmen leiteten. Von Kathleen Kennedy bei Amblin und Laurie Metcalf und Stacey Snider bei Dreamworks. Das sind zusammen über 40 Jahre. Und derzeit suche ich wieder nach einer Frau, die die neue Inkarnation von Amblin leiten könnte. Vielleicht hat das damit zu tun, dass ich eine so starke Mutter hatte, die später mehr wie eine gute Freundin war. Von ihr habe ich gelernt, wie man mit Menschen besser umgeht, wie man schwierige Beziehungen managt. Ich habe immer gefunden, dass Frauen das besser können, und dass sie dabei gleichzeitig eine familiäre, freundlichere Atmosphäre schaffen, in der Probleme gelöst, nicht aufgeblasen werden. Ich arbeite auch selbst lieber mit Frauen als auf Filmsets wie "Der Soldat Ryan", wo ich drei Monate lang nur von Kerlen umgeben bin.

Apropos Kerle: Einigen geht es jetzt an den Kragen. Wie sehen Sie den Übergriffsskandal?

Frauen haben ihre Stimme gefunden, und die Horrorshow, deren Zeugen wir seit zweieinhalb Monaten sind, erlaubt Frauen, ihre Scham zu überwinden, aus der Opferrolle herauszutreten und mit der Bürde der Vergangenheit fertigzuwerden, ganz gleich, ob die Vergangenheit vor fünf Minuten oder 40 Jahren war. Am allerwichtigsten ist, dass sie nun eine Plattform haben zu reden. Und hoffentlich mehr als reden.

Was ist der Unterschied im Zugang zwischen purem Entertainment und einem historischen Drama, das noch dazu politisch ist?

Entertainment bedarf meiner Vorstellungskraft, um ihm alles zu geben, was es braucht. Bei "The Post" haben wir wie wild recherchiert, um ja keine Fehler zu machen. Da wäre reine Vorstellungskraft ein Nachteil gewesen. Ich kann immer noch kreativ sein, mit der Kamera, mit den Kulissen, aber Fakten sind Fakten, und in gewissem Sinn wurden wir bei dem Film alle zu Journalisten.

Was wussten Sie über den Pentagon-Papiere-Skandal, als er passierte?

Nicht sehr viel, wenn ich ehrlich bin. Ich machte damals 16mm-Amateurfilme und versuchte verzweifelt, nicht eingezogen zu werden und nach Vietnam zu müssen. Ich habe sicher darüber gelesen, aber in viel stärkerer Erinnerung ist mir Watergate, das nachher passierte.

Glauben Sie, Sie wären ein guter Journalist geworden, wenn Sie nicht Filmemacher wären?

Ich wäre ein sehr guter Journalist geworden. Ich habe mir immer gewünscht, ich könnte beides sein.

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