Zweideutig, irritierend, aggressiv

Sterling Rubeys Auseinandersetzung mit der kriegerischen Geschichte von Prinz Eugens Winterpalais und dessen monumentalen Gemälden im sogenannten „Schlachtenbildersaal“
Faszinierend und zugleich umstritten: Sterling Ruby (bis 16. 10.) im Winterpalais.

Es ist ein wenig so, als würde die am meisten gehypte Punk-Band der USA ihr allererstes Wien-Konzert im Burgtheater spielen: Sterling Ruby, den Namen bekam man als Kunstinteressierter in den vergangenen Jahren irgendwie mit, nicht selten in Zusammenhang mit hohen Preisen, die seine Arbeiten bei Auktionen erzielten. Der Rekord: 1,7 Millionen US-Dollar spielte ein Bild ein, das Ruby 2013 atelierfrisch in eine Benefiz-Auktion für Leonardo Di Caprios Tierschutz-Stiftung eingebracht hatte.

Nun also der große Auftritt im barocken Rahmen: Mario Codognato, der ehemalige Chefkurator des 21er Hauses, hat Werke des in Los Angeles lebenden Stars ins ehemalige Winterpalais des Prinzen Eugen geholt.

Ungestüm und rau

Ruby, Jahrgang 1972, sieht darin eine gezielte Auseinandersetzung mit der kriegerischen Geschichte, die sich im Haus auch künstlerisch – etwa in den monumentalen Gemälden im sogenannten "Schlachtenbildersaal" – niederschlug.

Eben jenen Bildern sind nun aus Eisenstangen zusammengeschweißte Skulpturen gegenübergestellt, die mit etwas Fantasie an Kanonen oder andere Waffen erinnern. Extra für die Schau angefertigt wurden diese Werke nicht – diese Ehre hatten die angrenzenden Säle, für die Ruby mit seinen Mitarbeitern Wandteppiche mit Batikmustern und US-Flaggensymbolik maßschneiderte. Codognato sieht auch darin eine Ähnlichkeit zu Luftaufnahmen und zur Bilderwelt moderner Kriegsführung.

Auch wenn Ruby selbst diese Assoziationen wohlwollend goutiert, ist sein Referenzuniversum doch ein ganz anderes, wie er im Gespräch durchblicken lässt.

Da geht es um eine Auseinandersetzung mit amerikanischen Traditionen der Handarbeit, insbesondere der "Quilts" genannten Fleckerlteppiche, die der Künstler als Kind in Pennsylvania noch vor jeder Kunst kennenlernte.

Es geht um die Beschäftigung mit dem Schaffensakt an sich, mit der Sichtbarkeit von Gesten: Einst – zur Blüte des Abstrakten Expressionismus in den 1950ern – galt derlei als Spur von Genialität, später – zur Zeit der Minimal Art der 1960er – war’s verpönt.

Rubys Werke, die teils ungestüm und rau daherkommen und häufig aus billigen Alltagsmaterialien bestehen, sind sehr kalkuliert gesetzte Statements, die die letzten verbliebenen Originalitätsnischen im reich beackerten Feld der Gegenwartskunst zu besetzen.

Akademische Kunst

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Die riesigen, aus Fleece-Stoff genähten Kerzen im Eingangsraum? Ein bisschen wie Claes Oldenburg, aber eben anders. Die Mobiles mit Budweiser-Kartons und Bleichmittelflaschen? Eine Begegnung von Alexander Calder und Andy Warhol auf dem Seziertisch des Kunstdiskurses. Die Resopal-Kästen mit schwarzen Tappsern drauf? Eine ödipale Geste gegenüber dem Reinheitsfetischismus der Minimalisten.

Sterlings Werk entpuppt sich im Winterpalais als eine zutiefst akademische Kunst, wobei die Denkschulen, auf denen der Künstler aufbaut, größtenteils US-amerikanische sind. Die Objekte funktionieren wie Spiegel, die mitgebrachtes Wissen um spezielle Kunsttraditionen reflektieren und belohnen.

Anders als die Spielgelobjekte des Olafur Eliasson, die zuletzt im Palais auch Menschen ohne jede Kunst-Grundierung beeindrucken konnten, sehen Rubys Werke isoliert betrachtet aber ein bisschen arm und reizlos aus.

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