Die Qualen des Rigoletto

Rigoletto Nr. 1: Simon Keenlyside. Er hatte krankheitshalber schon die letzten Proben nicht gesungen
Der vorzeitige Abgang des Protagonisten überschattete eine musikalisch schwache Verdi-Premiere.

Der missgestaltete Hofnarr Rigoletto zählt zu den tragischsten Figuren der Operngeschichte. Wenn er am Ende erkennt, dass seine eigene Tochter Gilda anstelle des Herzogs von Mantua im von Sparafucile übergebenen Sack liegt und gleich sterben wird, könnte man jedes Mal mitheulen. Fast jedes Mal.

Zuletzt nämlich, bei der Premiere der Verdi-Oper an der Wiener Staatsoper, musste man nicht aus inhaltlichen, werkimmanenten Gründen Mitleid mit dem Protagonisten haben, sondern aus physischen. Der Bariton Simon Keenlyside, ein fabelhafter Sänger, der dem Opernpublikum schon an so vielen Abenden Freude bereitet hatte, verlor im zweiten Akt die Stimme und ging – ein klares Statement, dass er nicht mehr weitermachen konnte – von der Bühne.

Traurig

Die Qualen des Rigoletto

Dirigent Myung-Whun Chung klopfte aber nicht ab, sondern dirigierte weiter, Gilda (Erin Morley) blieb auf der Bühne und versuchte zu retten, was nicht zu retten war. Keenlyside schleppte sich in den etwa zehn verbleibenden Akt-Minuten noch zweimal herein, die Stimme versagte ihm jedoch völlig – und so musste man einem großen Künstler dabei zusehen, wie er sich schrecklich quälte.

Dann fiel doch der Vorhang, das Publikum war ratlos, welchen Ausweg aus dieser chaotischen Situation es nun wohl geben könnte. Nach einer Pause trat Opernchef Dominique Meyer vor den Vorhang und kündigte an, dass Paolo Rumetz den dritten Akt und damit die Vorstellung zu Ende singen werde (was das Ensemblemitglied übrigens völlig seriös tat).

Laut

Nun muss man wissen, dass Keenlyside schon die Haupt- und die Generalprobe aus gesundheitlichen Gründen nicht gesungen hatte (und Rumetz da zum ersten Mal in seiner Karriere überhaupt diese Partie gestaltet hatte). Dass Keenlysides Stimme bei der Premiere schon im ersten Akt angeschlagen wirkte. Und dass er vom südkoreanischen Dirigenten im zweiten Akt bei der "Cortigiani"-Arie lautstärkenmäßig so gequält wurde, dass er danach, beim Duett mit Gilda, am Ende war.

Im Nachhinein ist man freilich immer klüger, dennoch wäre es vernünftiger gewesen, wenn Keenlyside gar nicht gesungen hätte. Oder zumindest davor als erkrankt angesagt worden wäre. Oder der Vorhang früher gefallen wäre. Dass es für ihn ein Buh gab, war jedenfalls skandalös.

Chaos hin oder her – die dirigentische Leistung von Myung-Whun Chung wäre auch ohne diese Vorfälle in zentralen Punkten zu kritisieren. Das Leid des Rigoletto – Chung machte es nur auf eine andere Weise erkennbar als durch die von Verdi intendierte. Es fehlte trotz des exzellenten Staatsopernorchesters diesmal an Dramatik, an Differenzierung, an klanglicher Balance, ja selbst an der nötigen Koordination in manchen Chorpassagen. Dass Chung vor dem Finale, wenn der Herzog noch einmal hinter der Bühne "La donna è mobile" singt, diesem in den Spitzenton fiel, war sogar ein extrem unmusikalischer Akt.

Szenenfotos und Handlung

Die Qualen des Rigoletto

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FOTOPROBE: "RIGOLETTO"
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FOTOPROBE: "RIGOLETTO"
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Verflucht

Der Sänger dieser Partie, Piotr Beczala, war der Beste des Abends, mit schöner Höhe und viel Italianità – die ideale Rolle für sein Timbre ist der Herzog aber nicht. Diesen hat man schon eleganter und lyrischer gehört. Erin Morley ist eine Gilda mit klaren Spitzentönen, nicht allzu großem Sopran und weniger Bühnenpräsenz als etwa Elena Maximova als Maddalena. Ryan Speedo Green ist ein Sparafucile mit profundem Bass, wirkt aber für die Mörderrolle fast zu kultiviert. Sorin Coliban ist ein famoser Monterone – sein Fluch gegen Rigoletto wirkte tragischerweise anders als im Libretto vorgesehen.

Die Regie von Pierre Audi auf der Drehbühne von Christoph Hetzer ist im ersten Bild dynamisch und kraftvoll, wird dann aber belanglos. Konkrete Aussagen gibt es kaum. Wie er Gilda zum Engel, der von oben herabschwebt, macht, ist schön. Über das Vater-Tochter-Verhältnis oder die Facetten des Hofnarren erfährt man so gut wie nichts. So wird diese Premiere in erster Linie wegen des Abganges in Erinnerung bleiben.

KURIER-Wertung:

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