Übers Wasser wandeln für alle

15 Millionen Euro kosteten die am Wochenende eröffneten „Floating Piers“ von Christo.
Spektakuläres Großprojekt des Künstlers Christo in Norditalien mit touristischem Nebeneffekt.

In Italien wandelte jüngst Christo über das Wasser, dicht gefolgt von den Touristenmassen.

Der US-bulgarische Verhüllungskünstler hat nun endlich das (lange aufgeschobene) Projekt realisiert, nach dem sein Künstlername förmlich bettelt: Am Lago d’Iseo (bei Brescia in Norditalien) setzte Christo ein so abstraktes wie leicht zugängliches Zeichen in die Landschaft, das es ermöglicht, über Wasser zu gehen. Und die Bilder vom Eröffnungswochenende, die die Menschenmassen dabei zeigen, sind schlicht spektakulär.

Die orangegelb strahlenden "Floating Piers" verbinden zwei Inseln – eine große und eine kleine – mit dem Festland, ziehen einen abstrakt-schwungvollen Zacken durch das Wasser des Sees. Den soll man auch in jeder Hinsicht erleben: Die Stege nehmen die Bewegungen des Wassers auf; Christo rät zu Bloßfüßigkeit.

Der 81-jährige Künstler – dessen vielleicht bekanntestes Projekt in unseren Breiten die Verhüllung des Reichstages in Berlin (1995) war – kehrt mit diesem Werk zurück zur Landschaftskunst, die am Beginn seiner internationalen Karriere stand. Kein Wunder, entstand der Plan für das Wasserlaufen bereits in den 1980ern, konzipiert noch gemeinsam mit seiner (2009 verstorbenen) Frau Jeanne-Claude.

Die auf den "Floating Piers" wandelnden Menschen sind sowohl Besucher als auch Teil des Projekts. 500.000 sollen es insgesamt werden, und es heißt, sich zu beeilen: Bereits am 3. Juli ist die Installation wieder Geschichte. Die Bekanntheit des Iseo-Sees werde dank des Projekts rasant steigen, versichern Marketing-Experten. Touristiker rechnen, dass der Christo-Effekt hier noch lange anhalten wird.

Kunstmagneten

Der touristische Nutzen derartiger öffentlicher Kunstprojekte mit weltweiter Strahlkraft ist aber natürlich keine Neuerfindung: Darauf haben schon viele Regionen gesetzt.

Übers Wasser wandeln für alle
South African artist William Kentridge poses in front of his mural ÒTriumphs and LamentsÓ, a 550 meter-long fresco drawn by erasing the biological patina on the travertine embankment walls that line the Tiber river, on April 13, 2016 in Rome. Kentridge used a technique called Òreverse graffiti,Ó in which large figurative stencils are placed on the wall and then power-washed around them. / AFP PHOTO / ALBERTO PIZZOLI / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY MENTION OF THE ARTIST UPON PUBLICATION - TO ILLUSTRATE THE EVENT AS SPECIFIED IN THE CAPTION
Aus diesem Geist heraus wurde etwa die Benennung der EU-Kulturhauptstädte – heuer: San Sebastian (Spanien) und Wrocław (Polen), beide mit reichhaltigem Sommerprogramnm – ins Leben gerufen. Und auch anderes gibt es heuer zu bereisen: So bietet die Urlaubszeit für viele die wohl erste Gelegenheit, etwa die 550 Meter langen Wandzeichnungen von William Kentridge am Ufer des Tibers in Rom zu sehen. Dabei widmet sich der südafrikanische Star-Künstler der Geschichte der Stadt anhand von 80 Personen.

Längst ist das Kunstpublikum eine lukrative Nische der Reisebranche; es gibt aber auch öffentliche Projekte, die sich der Vermarktung entziehen – und dadurch zu einem noch stärkeren Statement werden. Besonders schwierig hatte es etwa Antony Gormley den Kunstfreunden gemacht. Der in Österreich durch seine Bespielung von Bregenzer Berghängen mit Menschenfiguren bekannte Künstler hat einerseits wiederholt derartige Figuren im Meer versenkt. Und in einem Salzsee in Australien, 800 Kilometer von Perth entfernt, 51 Skulpturen aufgestellt, die zu erreichen eine nicht kleine Herausforderung darstellt. Trotzdem verschwanden zwei davon; eine angeblich, weil ein hängen gebliebener LKW-Fahrer sie zur Behebung einer Autopanne verwendet hatte.

Auch nicht leicht zu erreichen ist ein Werk mit Österreich-Bezug: In der kalifornischen Wüste steht ein Swimming Pool, mehrere Autostunden von Los Angeles entfernt und auch dann nur über einen langen Fußmarsch zu erreichen. Vorsicht: Dieser "Social Pool" des MAK-Stipendiaten Alfredo Barsuglia ist derzeit nicht zugänglich; an einer Wiedereröffnung wird aber gearbeitet.

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