Conchita Pølser
Die Dänen sind ein glückliches Volk, das glücklichste Europas, wenn nicht der Welt, so sagen wissenschaftliche Untersuchungen, andere wiederum sprechen aber auch davon, dass Dänemark den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Antidepressiva hat.
Was Dänemark aber auch hat, sind, neben punschkrapfenrosafarbenen Würsten, vergleichbar mit unseren Frankfurtern, sogenannte Røde Pølser, mit Lebensmittelfarbstoff (z. B. Karmin) leuchtend rot eingefärbte Würste, immer wieder solide Hitproduktionen, Sommerhits wie "Sunshine Reggae", es reicht, nur den Titel auszusprechen, um sofort eine bestimmte Stimmung, einen Zustand zu erreichen, den man im Englischen Laid Back nennt, zurückgelehnt, entspannt, und das war auch der Name der Band dieses Welthits. Und vielleicht beschreibt das ganz gut den Zustand des kleinen Landes mit der komischen Sprache, entspannt möglicherweise auch durch den Farbstoff der Würste.
Und auch beim Eurovision Song Contest war man bisher nicht unerfolgreich, den ersten Sieg holte man bereits 1963, Grethe & Jørgen Ingman, Dansevise, ein absolut freundlicher Ohrwurm.
Roggenhalm
1995 kam dann Aud Wilken, Fran Mol still Skagen, eine der allergrößten Ausnahmeerscheinungen des Song Contests, verbogen wie ein Roggenhalm im Wind stand die Sängerin auf der Bühne, bekleidet mit einem Sack und begleitet von einem Banjo, auch wenn es nicht für einen Sieg reichte, sie sich mit einem soliden fünften Platz zufrieden geben musste, war es doch einer der elektrisierendsten Momente in der Geschichte des Wettbewerbs.
Dann 2000 die Olsen Brothers, Fly on the Wings of Love, zwei sympathische Dickerchen, deren Charme keiner widerstehen konnte, haushoher Sieg für Dänemark, wer bei dem Lied nicht augenblicklich glücklich wurde, hatte anstelle seines Herzens einen Kühlschrank aus Stein, oder einfach zu wenig Pølser gegessen.
Gnädig übersieht und überhört man, dass letztes Jahr Dänemark mit einem vollkommen belanglosen Lied gewann, einem wilden Mischmasch aus allen möglichen Stilen, so als wolle man es allen recht machen, vielleicht ein Kompromiss für ein gebeuteltes Europa.
Dieses Jahr nun der Songcontest mit dem schillerndsten Beitrag aus Österreich, einer bärtigen Frau, die den Pølser im Nachnamen trägt, natürlich Conchita Wurst.
Vielleicht ist ihr heuriger Song ja sogar besser noch als der Gloria-Gaynor-Bombast, mit dem sie vor 2 Jahren gegen die unappetitlichen Traktorbuben von den Trackshittaz in der nationalen Vorausscheidung verlor. Ein James-Bond-Song, der noch pathetischer und noch mehr Statement des Unberührbaren ist, eine aurale Kathedrale sozusagen, und vielleicht ist auch ihr Nachname ein Statement, diese fast schon rurale WURST, eine Art Yin- Yang-Prinzip, vorne der Glamour (Conchita), hinten das pragmatische Egal (es ist egal/wurscht, wer du bist, wie du aussiehst und was du machst).
Concepción
Conchita ist eine verniedlichte Concepción, ein Name, der von katholischen spanischen Eltern gerne und häufig gewählt wird, und der übersetzt "Empfängnis" bedeutet. Beliebt ist auch die Kombination Inmaculada Concepción, also "unbefleckte Empfängnis". In der Kombination mit Wurst ist das eine derartig erfrischende und unmissverständliche Botschaft für Toleranz und Respekt vor dem Anderen.
Man muss ein kompletter Ignorant sein, um nicht vorauszusagen, dass sie spielend ins Finale kommt, und im Finale vermutlich unter den ersten 8, vielleicht auf Platz 5 landet, wie zuletzt Thomas Forstner, mit "Ich singe nur ein Lied" 1989, der letzte erfolgreiche Österreicher. Zwei Jahre später trat er abermals an, "Venedig im Regen" ("Dein Atem ganz leicht an meiner Schulter vergraben"), und bekam NULL Punkte, darauf fielen ihm die Haare aus, er zog wieder zurück nach Deutsch Wagram und versteckt sich seit dieser Zeit voller Schmach. Nur Conchita kann ihn retten. Und wenn nicht, ist es auch schon wurscht.
Es wird langsam ernst für Frau Wurst: Die österreichische Travestiekünstlerin Conchita wird am kommenden Donnerstag ihren Halbfinalauftritt für den Eurovision Song Contest über die Bühne bringen.
Sie geht auf Startplatz 6 ins Rennen – was kein schlechtes Omen für einen Finaleinzug sein könnte. So muss sich die bärtige Diva "nur" gegen 14 weitere Nationen durchsetzen, während im 1. Halbfinale 16 Länder gegeneinander antreten.
Überdies wird von den fix gesetzten großen Nationen neben Großbritannien und Italien auch das aus Punktesicht oft wohlgesonnene Deutschland im 2. Halbfinale abstimmen. Spanien, Frankreich und Gastgeber Dänemark werden dagegen im 1. Halbfinale voten.
ORFeins zeigt die beiden Austragungen jeweils um 21.00 Uhr live. Am 8. Mai wird zuvor um 20.15 Uhr die Dokumentation "Conchita – Ihr Weg nach Kopenhagen" gesendet, der am 10. Mai ebenfalls um 20.15 Uhr "Conchita – einfach persönlich" folgt. Als Moderator der TV-Übertragung fungiert traditionell und zum 14. Mal seit 1999 Andi Knoll. Und auch für die Verlautbarung der Punktevergabe aus Österreich hat der ORF auf ein altbewährtes Gesicht zurückgegriffen: Zum vierten Mal seit 2011 wird Kati Bellowitsch die magischen Worte "12 Points go to (...)." Europa und der Welt verkünden dürfen.
Als Austragungsort wurde mit den B&W Hallerne ein Gebäudekomplex am Areal der einstigen B&W-Werft auf der Insel Refshaleoen gewählt, der 10.000 Livebesucher fasst. Die Übertragung des Finales am 10. Mai wird auf ORFeins live erfolgen: Sie beginnt um 21.00 Uhr.
In 58 Jahren haben sich die Regeln des Eurovision Song Contest immer wieder geändert - mal gab es kleine, mal größere Reformen. Nur eines ist seit immerhin 1975 gleich geblieben: Alle Teilnehmer hoffen auf die Höchstwertung zwölf Punkte. Eine kleine Regelkunde für das ESC-Finale 2014:
- Einen garantierten Startplatz im Finale haben die größten Geldgeber und der Titelverteidiger. 2014 zählen zu diesem Kreis sechs Länder: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien als "Big Five"-Länder sowie Dänemark als Titelverteidiger und Gastgeber.
- Der Wettbewerbssong darf nicht länger als drei Minuten sein. Politische Botschaften etwa auf T-Shirts oder Bannern, per Handzeichen oder verbal sind verboten. Dabei dürfen maximal sechs Menschen, aber keine Tiere auf der Bühne stehen.
- Alle 37 Länder, die beim diesjährigen ESC teilnehmen, sind beim Finale stimmberechtigt - auch die, die bereits in den Halbfinals ausgeschieden sind.
- Die Zuschauer können erst dann für ihren Favoriten anrufen oder eine SMS schicken, wenn alle 26 Finalisten gesungen haben.
- Die Zuschauerwertung wird mit der Jury-Wertung verrechnet (50:50) und daraus wird eine Ländergesamtnote gebildet. In den Jurys sitzen je fünf Musikexperten aus den jeweiligen Nationen.
- Die Länderwertungen werden in gewohnter Manier vorgetragen: Die ESC-Moderatoren schalten in die jeweiligen Länder, wo ein Auserwählter die drei Höchstwertungen von acht, zehn und zwölf Punkten verliest. Die Punkte eins bis sieben werden lediglich auf der Punktetabelle eingeblendet.
- Der Sieger des Wettbewerbs steht gegen Mitternacht fest. Sollten mehrere Teilnehmer die gleiche Punktzahl haben, dann gewinnt der, der häufiger die Höchstwertung von zwölf Punkten bekommen hat. Sollte es immer noch einen Gleichstand geben, geht es weiter mit der Anzahl der Zehn-Punkt-Nennungen, der Acht-Punkt-Nennungen usw.
Das Starterfeld beim 59. Eurovision Song Contest, der von 6. bis 10. Mai 2014 in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen über die Bühne gehen wird:
1. Halbfinale (6. Mai 2014)
Startplatz | Land | Interpret | Titel |
1 | Armenien | Aram Mp3 | Not alone |
2 | Lettland | Aarzemnieki | Cake to bake |
3 | Estland | Tanja | Amazing |
4 | Schweden | Sanna Nielsen | Undo |
5 | Island | Pollapönk | No Prejudice |
6 | Albanien | Hersi | One Night's Anger |
7 | Russland | Tolmatschowa-Schwestern | Shine |
8 | Aserbaidschan | Dilara Kazimova | Start a Fire |
9 | Ukraine | Marija Jaremtschuk | Tick-Tock |
10 | Belgien | Axel Hirsoux | Mother |
11 | Moldawien | Cristina Scarlat | Wild Soul |
12 | San Marino | Valentina Monetta | Maybe |
13 | Portugal | Suzy | Quero ser tua |
14 | Niederlande | The Common Linnets | Calm after the Storm |
15 | Montenegro | Sergej Cetkovic | Moj Svijet |
16 | Ungarn | Kállay-Saunders | Running |
2. Halbfinale (8. Mai 2014)
Startplatz | Land | Interpret | Titel |
1 | Malta | Firelight | Coming Home |
2 | Israel | Mei Feingold | Same Heart |
3 | Norwegen | Carl Espen | Silent Storm |
4 | Georgien | The Shin & Mariko | Three Minutes to Earth |
5 | Polen | Donatan & Cleo | My Słowianie (We are Slavic) |
6 | Österreich | Conchita Wurst | Rise Like a Phoenix |
7 | Litauen | Vilija Mataciunaite | Attention |
8 | Finnland | Softengine | Something Better |
9 | Irland | Can-Linn feat. Kasey Smith | Heartbeat |
10 | Weißrussland | Teo | Cheesecake |
11 | Mazedonien | Tijana Dapcevic | To the Sky |
12 | Schweiz | Sebalter | Hunter of Stars |
13 | Griechenland | Freaky Fortune feat. Risky Kidd | Rise Up |
14 | Slowenien | Tinkara Kovac | Round and Round |
15 | Rumänien | Paula Seling & Ovi | Miracle |
Finale (10. Mai 2014)
Jeweils noch ohne fixierten Startplatz:
Deutschland |
Frankreich |
Großbritannien |
Italien |
Spanien |
Dänemark |
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