All die Qual hallt nach im All

"Solaris": Kris Kelvin (gespielt von Dejan Lilić) trifft sich selbst – als Kind (Dario Eftimovski)
Rasante Entschleunigung beim Science-Fiction-Klassiker "Solaris".

Es ist das Verflixte mit diesem Menschsein: Auch eine noch so viele Lichtjahre überbrückende Odyssee im Weltraum kommt letztlich nicht über jene Grenzen hinaus, die im Inneren des Menschen liegen. So auch in Stanislaw Lems Science-Fiction-Klassiker "Solaris": Einen lebendigen Ozean auf einem fernen Planeten wollen Wissenschafter erforschen, doch das wird für sie zur Zeitlupen-Reise ins Ich, in die tiefsten Sehnsüchte, unangenehmsten Erinnerungen und simpelsten Begierden.

Das Buch selbst ist eine Übung in philosophisch-meditativem Stillstand bei Lichtgeschwindigkeit; man reist langsam, dafür intensiv. Auch die bisherigen Verfilmungen sind keine Action-Reißer. Kein Wunder also, dass auch die Bühnenversion von "Solaris" bei den Wiener Festwochen gewaltig auf der Bremse steht: Die in Mazedonien entstandene Inszenierung des gebürtigen Ukrainers Andriy Zholdak ist jene Art Theater, die den Zuseher durch Entschleunigung auf sich selbst zurückwirft; das ist nicht immer angenehm. Zum Traum wird hier manchem die Zeit. Und doch, lässt man sich darauf ein, ist es ein seltenes Erlebnis.

Endliche Weiten

Fast vier Stunden lang reist man mit dem Psychologen Kris Kelvin (gespielt von Dejan Lilić) in die endlichen Weiten des menschlichen Innenlebens; man nimmt dazu den kleinen Umweg über das Weltall. Im Schlaf reist der Astronaut, im Schlaf begegnet ihm seine verstorbene Frau Rheya (Darja Rizova), und ab da wird es unruhig. Erste und letzte Begegnungen, Kindheitstraumata und unrealistische Glücksgefühle tauchen auf und ab; riesige Videoprojektionen legen in der Halle E des Museumsquartiers die Gefühls– und Sinnebenen übereinander.

Der zweite Teil spielt in einer Holzhütte, in der Kelvins Kindheit wieder hochkommt, denn schließlich ist das Weltall überall. In dieser Echokammer der Gefühle, in die Kelvin geworfen wird, hallt die Qual des Lebens nach. Und das ganz wörtlich: Hochgedrehte Mikros und eingespielte Soundeffekte sorgen für beständige Echoeffekte, die, gemeinsam mit der ordentlich lauten Musik, eine Atmosphäre der Orientierungslosigkeit schaffen; der vielleicht intensivste Aspekt einer Inszenierung, die gutes Sitzfleisch mit lohnenden Gedanken belohnt.

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